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2/2024 | Steuer & Recht

»Die wichtigen Stichworte sind dezentral und fälschungssicher«

Matthias Albrecht und Christopher Görtz sprechen im Interview über die neue Branche sogenannter Kryptowertpapierregisterführer. Und erklären dabei, wo es noch hakt im Geschäft mit elektronischen Wertpapieren.

© CORNELIS GOLLHARDT

Mit dem im Juni 2021 in Kraft getretenen Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG) hat der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet, Anleihen und Aktien, aber auch Investmentfonds in digitaler Form zu emittieren. Bisher ist das Marktsegment noch vergleichsweise klein, das Interesse von Emittenten wächst jedoch rasant. In diesem Zusammenhang hat sich mittlerweile eine neue Branche etabliert, die sich um die ­sogenannte Krypto­wert­papierregisterführung kümmert. Wir haben dazu mit ­Matthias Albrecht, Geschäftsführer der Gesellschaft für Kryptoregisterführung, und Christopher Görtz, Vorstandsvorsitzender des vor gut einem Jahr gegründeten Bundes­verbands der Kryptowertpapierregisterführer, gesprochen.

Meine Herren, den meisten Lesern dürfte der aus dem Griechischen abgeleitete Wortstamm „Krypto“ am ehesten im Zusammenhang mit sogenannten Kryptowährungen bekannt sein. Mit Bitcoin, Ethereum und Co. hat Ihr Geschäft der Kryptowert­papierregisterführung aber so gut wie gar nichts zu tun, richtig?

Matthias Albrecht: Das ist vollkommen korrekt. Daher ist es schon etwas unglücklich, dass die Menschen fast reflexartig an digitalisierte Währungen und andere Coins denken, wenn sie auf unser Geschäft angesprochen werden. Nicht nur weil sich eine Währung wie Bitcoin in der jüngeren Vergangenheit zeitweise als extrem volatil gezeigt hat, auch die Skandale im Zusammenhang mit entsprechenden Handelsplattformen für Kryptowährungen stellen natürlich keine positiv wirkende Referenz für unsere Arbeit dar. Deshalb sind wir bemüht zu betonen, dass es bei uns um die Tokenisierung geht, im Grunde die Digitalisierung von Wert­papieren der verschiedensten Art, auf die wir sicher noch zu sprechen kommen.

Christopher Görtz: Nicht ganz ohne Grund ertappt man sich daher häufig genug dabei, wie man die Bezeichnung „Krypto“ bewusst zu vermeiden sucht und lieber von elektronischen Wertpapieren statt von Kryptowertpapieren spricht. Denn außer dem Namensbestandteil „Krypto“ ist es lediglich die Technologie, in aller Regel die Blockchain-­Tech­nologie, die sich digitale Währungen und elektronische Wertpapiere teilen. Damit erschöpfen sich aber auch schon die Gemeinsamkeiten zwischen beiden. Im Juni 2021 ist dann das Gesetz über elektronische Wertpapiere, abgekürzt eWpG, in Kraft getreten, mit dem der Gesetzgeber erstmals die Möglichkeit geschaffen hat, auf den Inhaber lautende Schuldverschreibungen, Pfandbriefe und bestimmte Anteile an Sondervermögen auch rein elektronisch zu begeben. Schon dieser deutlich über die Begebung klassischer Anleihen hinausgehende ursprüngliche Anwendungsbereich des Gesetzes war recht weit. Seitdem können grundsätzlich alle auf den Inhaber lautenden Leistungsversprechen elektronisch begeben werden, das sind neben klassischen Anleihen zum Beispiel Wandel- und Optionsschuldverschreibungen, Genuss- und Optionsscheine, Anlagenzertifikate und strukturierte Schuldverschreibungen.

Matthias Albrecht: Und darin waren Investmentfondanteile und Namensaktien noch gar nicht umfasst. Digitale Fondsanteile kamen erst im Juni 2022 durch die im Juni dieses Jahres in Kraft getretene Verordnung für Kryptofonds­anteile hinzu, als der Anwendungsbereich des eWpG um die ­Möglichkeit zur Begebung elektronischer Fondsanteil­scheine durch ­Eintragung in ein Kryptowertpapierregister erweitert wurde. Und mit der Verabschiedung des Zu­kunftsfinanzierungs­gesetzes, kurz ZuFinG, kam die Möglichkeit hinzu, auch ­Namensaktien als Kryptowertpapiere zu emittieren.

Aber zunächst noch kurz eine grundsätzliche Frage:?Warum bedarf es überhaupt eines Registers, was genau ist dessen Funktion?

Christopher Görtz: Nach bisheriger Rechtslage waren Finanzinstrumente, die zivilrechtlich als Wertpapiere gelten, zwingend in einer physischen Urkunde zu verbriefen. Deren Existenz ermöglicht eine Übertragung der Wertpapiere nach sachenrechtlichen Grundsätzen und ist Anknüpfungspunkt für einen gutgläubigen Erwerb. Um auch bei elektronischen Wertpapieren Verkehrsschutz und rechtssicheren Erwerb zu gewährleisten, war ein adäquater Ersatz für die Papier­urkunde erforderlich. Das übernimmt beim Kryptowert­papier der Registereintrag. Nach dem eWpG ersetzt der ­Registereintrag bei elektronischen Wertpapieren eine physische Urkunde und ist unter anderem Anknüpfungspunkt für einen gutgläubigen Erwerb. In dem Zusammenhang ist zu betonen, dass durch die Vorschriften des eWpG lediglich die klassische Begebung mit einer physischen Urkunde ­ersetzt wird, während die übrigen rechtlichen Anforderungen für die jeweils begebenen Wertpapiere weiterhin Anwendung finden. Hierzu zählen insbesondere auch die Regelungen über Prospektpflichten und Prospektausnahmen.

Matthias Albrecht: Ein wichtiges Element kommt allerdings noch hinzu. Denn das Gesetz spricht von einem Datensatz in einem Register, der kryptografisch abgesichert sein muss. Solche kryptografischen Verfahren, im Grunde nichts anderes als eine mathematische Verschlüsselungstechnik, haben schon die alten Römer angewandt, um chiffriert miteinander kommunizieren zu können. Zu dieser Zeit waren das noch relativ einfache Systeme und nicht zu vergleichen mit einer im Zweiten Weltkrieg bekannt gewordenen Chiffriermaschine namens Enigma. Das alles ist ein wenig in Ver­gessenheit geraten, aber mit dem Aufkommen der Blockchain-Technologie und der zunehmenden Beliebtheit von Bitcoin und Co. ist die Kryptografie wieder ins Bewusstsein vieler Menschen gerückt. Zusammen mit der von der ­Bundesregierung formulierten Blockchain-Strategie ist das eigentlich der Grund dafür, dass auch die BaFin diese Form der Absicherung akzeptiert. Denn damit niemand einen ­solchen Datensatz fälschen kann, bedarf der Führer eines Kryptowertpapierregisters am Ende einer entsprechenden Erlaubnis der BaFin.

Aber es muss doch nicht unbedingt eine öffentliche Blockchain wie beim Bitcoin sein?

Christopher Görtz: Das Gesetz legt noch nicht einmal fest, dass es überhaupt eine Blockchain sein muss: Der Gesetz­geber hat sich bewusst für eine technologieneutrale Ausgestaltung entschieden. So ist man offen für zukünftige Entwicklungen. Vorgegeben ist die Registerführung auf einem dezentralen und fälschungssicheren Aufzeichnungssystem, in dem die Daten in der Zeitfolge protokolliert werden und gegen unbefugte Löschung sowie nachträgliche Veränderung geschützt sind. Nach dem derzeitigen Stand der Technik ist das in erster Linie die Blockchain, weshalb sich die Verwendung zu einer Art Marktstandard entwickelt hat. Ob öffentlich betrieben oder privat, dazu sagt das Gesetz nichts.

Von einem wirklich durchschlagenden Erfolg ist Ihre Branche aber noch ein gutes Stück entfernt, wenn man bedenkt, dass die BaFin bisher nur etwas mehr als 80 Kryptowertpapiere auflistet.

Matthias Albrecht: Ich gebe Ihnen recht. Und es sind bisher vor allem Inhaberschuldverschreibungen, die als elektronisches Wertpapier vorliegen, vor allem von großen Häusern. Oft handelt es sich dabei um eine Art?Testballon, um sich mit den neuen Möglichkeiten vertraut zu machen. Das dürfte auch der Grund dafür sein, dass sich bisher nur vereinzelt Ansätze zur Umsetzung von Spezialfonds und Namens­aktien in der neuen digitalen Form auf der Liste befinden.

Christopher Görtz: Während die Geschäftsmodelle der Registerführer sich teils deutlich unterscheiden, sehen sich alle mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert. Alle operieren derzeit mit einer vorläufigen Erlaubnis und befinden sich im BaFin-Verfahren für die Erteilung der endgültigen Erlaubnis. Alle müssen sich mit gleichen oder ähnlich ­gelagerten technologischen Fragestellungen befassen. Hinzu kommt, dass die neuen Möglichkeiten bei den meisten Marktteilnehmern noch viel zu wenig bekannt sind. Und weil zudem der vom Gesetzgeber gewählte Begriff „Krypto“ aufgrund von Unregelmäßigkeiten in einem ganz anderen Umfeld – Stichwort Bitcoin-Handelsplattformen – nicht ­gerade positiv besetzt ist, ist derzeit viel Aufklärungsarbeit ­erforderlich.

Musste es angesichts der noch geringen Bedeutung gleich die Gründung eines Bundesverbands sein?

Matthias Albrecht: Ich würde sogar sagen, dass das unbedingt notwendig war. Wir als Gesellschaft für Kryptoregisterführung waren nicht ohne Grund die treibende Kraft bei der Anfang April vergangenen Jahres beschlossenen Gründung. Ich hatte das Privileg, in meinem vorherigen Berufsleben den Bundesverband Deutscher Banken in Berlin über 20 Jahre hinweg zu betreuen. Mein eigenes Unternehmen hat die EDV-Dienstleistung für den Verband erbracht und ich war persönlicher Berater der Hauptgeschäftsführung. Daher wusste ich eines:?Wenn wir im Gesetzgebungsverfahren ­gehört werden wollen, dann brauchen wir eine Interessenvertretung. Als einzelnes Unternehmen darf man zwar kommentieren, aber man wird nicht in Entscheidungsprozesse einbezogen. Gibt es aber eine Interessenvertretung, dann müssen die Referate der betreffenden Ministerien diese im Gesetzgebungsverfahren miteinbeziehen, das ist gesetzlich so geregelt.

Christopher Görtz: Und erste Erfolge sind zu verzeichnen: So sind wir zum Beispiel in den Dialog mit Politikern getreten, und im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes hat der Gesetzgeber eingelenkt und ein von uns als unpraktikabel empfundenes Hemmnis beseitigt. Ursprünglich musste nach erfolgter Emission sowie bei bestimmten Änderungen zunächst eine Veröffentlichung im „Bundesanzeiger“ erfolgen. Über diese Veröffentlichung war dann die BaFin unter Nutzung eines Formulars zu informieren, die ihrerseits das Wertpapier in eine Liste auf ihrer Internetseite aufgenommen hat. Das Mitte Dezember vergangenen Jahres verabschiedete Zukunftsfinanzierungsgesetz lässt mit Wirkung ab 1. November 2025 die Pflicht zur Veröffentlichung im „Bundesanzeiger“ entfallen, sodass nur noch eine Mitteilung an die BaFin zu erfolgen hat. Ich hätte mir hier allerdings ein früheres Inkrafttreten der neuen Regelung gewünscht. Die Gesetzesbegründung nennt als Grund für das späte ­Inkrafttreten, dass dies der BaFin ermöglichen soll, rechtzeitig die erforderliche technische Infrastruktur bereitzustellen. Warum hier nicht zunächst wie bisher verfahren werden kann, also Übersendung einer E-Mail mit dem ausgefüllten Formular, erschließt sich mir nicht.

Wie muss man sich denn die Übertragung eines Wertpapiers in der Praxis vorstellen?

Matthias Albrecht: Ich weiß, dass die Antwort überaus unbeliebt ist, aber sie lautet auch hier: Es kommt darauf an. Denn ein elektronisches Wertpapier muss nicht zwingend tokenisiert sein. Im Fall einer nicht tokenisierten Emission muss man sich das Register wie das Grundbuch bei der Immobilie vorstellen. Wenn der ursprüngliche Eigentümer uns anweist, das Wertpapier an Sie zu übertragen – vermutlich da Sie das nötige Geld mitgebracht haben – und Sie mit der Übertragung einverstanden sind, wird das Wertpapier im Register auf Sie umgetragen, und Sie erhalten von uns als Registerführer den sogenannten Registerauszug, den das ­Gesetz vorsieht, ähnlich einem Depotauszug zugeschickt. Damit ist die Übertragung erfolgt, und Sie stehen in dem von uns geführten „Grundbuch“ so lange als neuer Eigentümer, bis Sie es an jemand anderen übertragen.

Und bei tokenisierten Wertpapieren?

Matthias Albrecht: Dabei verknüpft man quasi das elektro­nische Wertpapier mit einer Zahlenfolge. Denn technisch betrachtet entspricht der Token nichts anderem als dieser dem elektronischen Wertpapier angehängten Zahlenfolge. Wenn das erfolgt ist, kann die Aktie, der Fonds oder die Schuldverschreibung von einer Wallet-Adresse an die Wallet-Adresse des neuen Eigentümers übertragen werden. In den Wertpapierbedingungen kann man zudem festlegen, dass diese Übertragung die beim herkömmlichen Wechsel des ­Eigentümers übliche Willenserklärung ersetzt. Im Grunde funktioniert das genauso wie beim Kauf und Verkauf einer Kryptowährung.

Worüber wir noch gar nicht gesprochen haben, das ist das Thema Geldwäsche. Auch Sie sind doch als nach Paragraf 32 KWG zuge­lassener Finanzdienstleister verpflichtet, eine entsprechende Prüfung Ihrer Kunden vorzunehmen, richtig??

Matthias Albrecht: Ohne Zweifel. Als Registerführer dürfen Sie kein schlimmer Finger sein, denn Sie unterliegen vollumfänglich den Pflichten einer ordnungsgemäßen Geld­wäscheprüfung. Und die hat ihre ganz eigenen Besonderheiten, die sich gern einmal als regelrechter Nachteil bei der Übertragung von elektronischen Wertpapieren erweisen kann, was übrigens vielen Marktteilnehmern nicht wirklich bewusst ist. Anders gesagt: Die Geldwäscheprüfung kann zu einem echten Nadelöhr werden in einem digitalen Vorgang, der eigentlich dazu dienen soll, sehr viel schneller an sein Geld oder eben sein Wertpapier zu kommen.

Das heißt, wenn eine der beiden Parteien noch keine Geldwäscheprüfung durchlaufen hat, muss der Prozess komplett neu aufgesetzt werden?

Matthias Albrecht: Nicht nur das. Es gibt bis heute keine sinnvollen standardisierten Verfahren, um eine Geldwäscheprüfung vollautomatisch durchführen zu können. Um mich Ihrer Identität zu versichern, könnte ich natürlich ihren elektronischen Personalausweis nutzen. Nur hat der sich in Deutschland bisher leider nicht durchgesetzt. Und das sogenannte Postident gilt bisher nicht als elektronisch durchgehendes Verfahren. Aber es kommt noch schlimmer: Eine Bank A darf sich bis heute nicht auf die Geldwäscheprüfung von Bank B beziehen. Wenn Sie also Kunde der Deutschen Bank sind, darf ich als Kryptowertpapierregisterführer mich nicht abstützen auf Ihre bei der Deutschen Bank bereits ­erfolgte Geldwäscheprüfung. Das macht das Aufbauen einer Geschäftsbeziehung oder in diesem Fall die Ersteintragung in ein Register unnötig teuer.

Unabhängig davon:?Wie wird es denn weitergehen? Wer werden die Gewinner sein?

Christopher Görtz: Im Prinzip all jene, die über eine ent­sprechende Erlaubnis zur Vermittlung von Wertpapieren ver­fügen. Das sind neben den großen Finanzvertrieben auch nach Paragraf 32 KWG zugelassene Vermögensverwalter. Für die können elektronische Wertpapiere – mit oder ohne ­Tokenisierung – ein attraktives Geschäft werden, wenn künftig Losgrößen bei Anleihenemissionen möglich sein ­werden, die deutlich unter den bisher marktüblichen 100 Millionen Euro liegen und sich dann eher im einstelligen Millionenbereich bewegen werden. Auch bei Massen­emissionen wie bei Zertifikaten sehe ich Potenzial. Diese Aufzählung ist aber nicht abschließend. Ich bin ein wenig mutig und wage die Prognose, dass mittelfristig die Begebung von elektronischen Wertpapieren der Regelfall sein wird. Dann ist die Frage nicht „Elektronische Wertpapiere, ja oder nein?“ sondern „Springe ich rechtzeitig auf, um nicht den Anschluss zu verpassen?“.

Wir danken für das Gespräch!

Hans Heuser

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