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1/2022 | Steuer & Recht

Bedrohtes Betongold

Die EU-Kommission hat am 15. Dezember 2021 ihre Überarbeitung für die EU-Gebäuderichtlinie EPBD vorgelegt. Demnach dürfen Gebäude mit Energieeffizienzklasse G ab 2030 nicht mehr vermietet werden – ein Beispiel für „Stranded Assets“.

Die Regulatoren setzen unter anderem bei Immobilien an, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Künftig muss viel Geld in die Hand genommen werden, um Gebäude auf die gewünschte Energieeffizienzklasse zu bringen – sowohl von den Investoren als auch von den Staaten in Form von Förderprogrammen.
Die Regulatoren setzen unter anderem bei Immobilien an, um die Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Künftig muss viel Geld in die Hand genommen werden, um Gebäude auf die gewünschte Energieeffizienzklasse zu bringen – sowohl von den Investoren als auch von den Staaten in Form von Förderprogrammen.© SIM-Gruppe, REInvest AM, Patryk Kosmider | stock

Die EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden EPBD (Energy Performance of Buildings Directive) ist ein wichtigstes Rechtsinstrument der EU zur Förderung der Energieeffizienz von Gebäuden. Sie fügt sich ein in das klimapolitische Großprojekt „Fit for 55“, mit dem die gesamte europäische Gesetzgebung in Energie- und Klimafragen neu aufgestellt werden soll.

„Worst first“

Am 15. Dezember 2021 hat die EU-Kommission ihre Überarbeitung der EPBD vorgelegt, die allerdings noch nicht final ist. Für institutionelle Investoren dürfte darin am wichtigsten die vorgesehene Regelung sein, dass Gebäude mit Energieeffizienzklasse G ab 2030 nicht mehr vermietet werden dürfen. Öffentliche Gebäude und Nichtwohngebäude sollen ­eine Vorreiterrolle spielen und müssen sogar schon bis 2027 auf Energieeffizienzklasse F, und dann bis 2030 auf Energieeffizienzklasse E saniert werden. Wohngebäude sind bis 2030 von G auf mindestens F und bis 2033 auf E zu bringen. Bestandshalter müssen sich also Gedanken machen, was sie tun wollen: Sollen sie diese Gebäude abstoßen oder sanieren?

Wer noch nach einem praktischen Beispiel für „Stranded Assets“ gesucht hat, wird hier fündig: Ab 2030 sind Gebäude mit Energieeffizienzklasse G und schlechter jedenfalls solche. Auch die Finanzierung dieser Immobilien wird problematisch.

Was neue Gebäude betrifft, sind laut dem Richtlinienentwurf ab 2030 nur noch emissionsfreie Neubauten zulässig. Neue öffentliche Immobilien müssen sogar bereits ab 2027 emissionsfrei sein. Der Bund der Architektenkammer präzisiert den Begriff „emissionsfreie Neubauten“: „Das bedeutet, dass die Gebäude wenig Energie verbrauchen, so weit wie möglich mit erneuerbaren Energien betrieben werden, vor Ort keine Emissionen aus fossilen Brennstoffen ausstoßen und ihr Treibhauspotenzial auf der Grundlage ihrer Emissionen über den gesamten Lebenszyklus in ihrem Energieausweis angeben müssen.“

Ziel: CO2-Neutralität

Auch wenn es sich bislang nur um einen Richtlinienentwurf handelt, ist wohl kaum davon auszugehen, dass die EU-Kommission von ihrem Ziel abweicht, bis 2050 einen emissionsfreien Gebäudebestand zu erreichen. In Paris und Glasgow hat man sich dazu verpflichtet, bis 2050 CO2-neutral zu sein, und um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, müssen alle Register gezogen werden. Immobilien sind dabei ein wichtiger Ansatzpunkt, weil auf sie rund 40 Prozent des Energieverbrauchs entfallen, das meiste davon auf Heizung und Warmwasser.

„Gemäß UNEP (United Nations Environment Programme) verursachen Gebäude rund ein Drittel der weltweiten CO2-Emissionen. Immobilien sind für 40 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs sowie 50 Prozent des Verbrauchs von natürlichen Ressourcen verantwortlich. Nachhaltiges Bauen ist daher ein wirksames Instrument, um ökologische, ökonomische und soziale Herausforderungen anzugehen“, schreibt die Credit Suisse.

Die DZ-Bank ergänzt: „Die Senkung der CO2-Emissionen durch klimafreundlichen Neubau und energetische Sanierung gerät zur Herkulesaufgabe. Der Großteil der 20 Millionen Wohngebäude mit fast 43 Millionen Wohnungen in Deutschland ist in die Jahre gekommen und benötigt viel Energie – oft aus Öl und Gas – zum Heizen. Auf Eigentümer, Mieter oder Investoren in Wohnen und Gewerbe kommen neue Standards, hohe Kosten und komplexe Entscheidungen zu.“ Womöglich wird die Bewegung durch den verschärften Engpass bei Öl und Gas, den der Russland-Ukraine-Konflikt verursacht hat, an Fahrt zulegen.

Erst der Anfang

„Die EPBD ist erst der Anfang“, verstärkt Susanne Eickermann-Riepe diesen Eindruck. Sie ist Vorsitzende von RICS Europe & Germany und Vorstandsvorsitzende von ICG, Germany, dem Institut für Corporate Governance. „Gerade in der Immobilienwirtschaft werden wir uns auf eine radikale Dekarbonisierung hinbewegen, bis hin zum Stopp von Bauprojekten.“ Sie verweist auf den Tulip Tower in der City of London. Dieses ehrgeizige Bauprojekt, das der brasilianische Milliardär Jacob Safra geplant hatte, wurde am 11. November 2021 vom Londoner Bürgermeister abgeschmettert. Zu viel Beton und CO2-Verbrauch für zu wenig Nutzfläche, lautete die Begründung. „Die graue Energie, das heißt, die Energie, die in den Baumaterialien enthalten ist, wird künftig stärker berücksichtigt. Das macht Sanierungen gegenüber Neubauten durchaus interessant“, meint Eickermann-Riepe. „Heute berücksichtigen erst rund 50 Prozent der Bauträger die CO2-Emission ihrer Gebäude, und nur 15 Prozent schauen bei der Auswahl ihrer Baumaterialien auf den CO2-Fußabdruck. Rahmenwerke wie der RICS International Cost Management Standard 3 – der den Lebenszyklus des Kohlenstoffs in Gebäuden betrachtet – können Investoren, Projektentwicklern und Bauträgern helfen, fundierte Entscheidungen über den künftigen CO2-Fußabdruck zu treffen.“ Letztlich werde auch der Nutzer entscheiden, und der hätte vielleicht bereits für Zero-Emission votiert. „Der mietet dann oder mietet nicht“, führt Eickermann-Riepe die Konsequenzen vor Augen.

Dabei sei die Nachhaltigkeit bei Gebäuden nur der erste Schritt. „Dinge wie bezahlbaren Wohnraum schaffen, die Entwicklung von lebenswerten Quartieren und so weiter werden als Add-on-Ziele folgen“, wagt Eickermann-Riepe einen Blick in die Zukunft. „Auch da geht es um die Erfüllung von SDGs.“

Angesichts des Richtlinienentwurfs werden die institutionellen Bestandhalter jetzt also als Erstes klären müssen, in welchem Ausmaß sie durch die EU-Gebäuderichtlinie betroffen sind. Fakt ist, dass viele Investoren ihre Immobilienbestände bis an die Grenzen des regulatorisch Erlaubten ausgeweitet haben; und es sieht danach aus, als bliebe das Interesse der Investoren an Immobilien in nächster Zeit ungebrochen.

Neue Bundesländer

Aber wie viel des von den Investoren gehaltenen Immobilienbestands fällt in die Energieeffizienzklassen, die ab 2030 nicht mehr als ausreichend angesehen werden? Laut Bund der Architektenkammer betrifft der Bann etwa jene 15 Prozent des EU-­Gebäudebestands, die energetisch am schlechtesten bewertet sind, wobei hier die regionalen Unterschiede sehr groß sind. In Deutschland sind beispielsweise Bestandshalter betroffen, die größere Bestände in den neuen Bundesländern halten. In Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und Thüringen werden deutschlandweit die schlechtesten Energieeffizienzwerte (G und H) erreicht. Sie machen 41,8 beziehungsweise 38,7 und 35,5 Prozent des jeweiligen Immobilienbestands aus. Das ergab eine Auswertung von 1.681 von McMakler vermarkteten Bestands- und Neubauten.

Aus dem ab 2030 nicht mehr zulässigen Bestand leitet sich dann die Höhe der ­Sanierungskosten ab. Eine Studie der DZ-Bank ermittelt, wie hoch die Sanierungskosten in Deutschland sind. „Geht man überschlägig von 30 Millionen Wohnungen aus, die noch energetisch optimiert werden müssen, und veranschlagt 40.000 Euro Kosten je Wohneinheit, resultiert daraus ein Investitionsvolumen von 1,2 Billionen Euro. Die 4,5 Milliarden Euro Fördermittel des Klimaschutz-Sofortprogramms sind da nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“

Und wie reagieren die Investoren aktuell auf die Gebäuderichtlinie, die vor der Tür steht? Auf die unterschiedlichsten Weisen. Von abwartend über „Wir kümmern uns drum“ bis zur aktiven Suche von Sanierungsobjekten gibt es schon jetzt die unterschiedlichsten Reaktionen.

Christian Hanf beispielsweise meint: „Wir müssen jetzt nicht hektisch reagieren, zumal unsere Hinterbliebenenkasse kaum Immobilien im Bestand hat, die G oder schlechter klassifiziert sind. Die Richtlinie befindet sich noch in der Abstimmung, sodass einige Details noch ausstehen, beispielsweise wie mit denkmalgeschützten Immobilien umgegangen werden soll. Wir warten ab, bis die Richtlinie in deutsches Gesetz umgesetzt ist. Fest steht: Die Umsetzung der Richtlinie wird beträchtlich Geld kosten!“ Hanf ist Vorstand der Hinterbliebenenkasse VVaG (HDH) und Vorsitzender des Deutschen Sterbekassenverbands.

Angst vor der Liquidität

Einen anderen Aspekt bringt Jonas Hafner ein. Er ist Fondsmanager beim luxembur­gischen Immobilieninvestmentpezialisten ­REInvest Asset Management S.A., einem für deutsche institutionelle Investoren tätigen Vermögensverwalter. „Die Mehrheit der Bestandshalter von sogenannten „Core“-Immobilien hatte bisher eigentlich kein gesteigertes Interesse an Revitalisierungen ihrer Immobilienbestände. Aber angesichts der EU-Gebäuderichtlinie erkennen nun viele, dass künftig Wettbewerbsnachteile von ­Immobilien mit schlechter Energieperformance drohen und man diese im Vermietungs- oder Veräußerungsfall nicht in Kauf nehmen möchte. Daher liegt eine Optimierung des Immobilienbestands durch Investitionen in die Energieeffizienz auf der Hand, zumal die Renditen beim Erwerb neuer Niedrigenergiehäuser auf einem historischen Tiefstand liegen und die meisten institutionellen Immobilieninvestoren derzeit ja eher zu viel als zu wenig Liquidität und damit entsprechenden Anlagedruck haben.“ Wenn die Bestandshalter dann nachrechnen, entscheiden sich doch viele für die Sanierung. Schließlich erhöhe man so auch die Rendite seiner Objekte. „Durch eine Sanierung lässt sich weitere Liquidität sinnvoll investieren. Außerdem ist das Risiko überschaubar. Als Bestandshalter kennt man den Standort und die Immobilie“, findet Hafner positive Aspekte. „Manchmal kann die wirtschaftlich beste Option aber auch Abriss und Neubau heißen, wenngleich das meist zulasten der CO2-Bilanz geht.“

Die Immobilienbranche sei über die EPBD weder erschrocken noch von ihr überrascht. Schließlich sei das Thema Nachhaltigkeit nicht neu, und die Branche beschäftige sich schon länger mit Nachhaltigkeitszertifikaten und Energienachweisen. „In der Due Diligence bei Transaktionen ist die Analyse von Umweltkriterien schon lang etabliert. Im Prinzip beschäftigen wir uns seit Jahren damit, wie wir vor dem Hintergrund der ESG-Thematik unseren Immobilienbestand einzuordnen haben und verbessern können. Die Offenlegungsverordnung der EU und die Taxonomie haben ­zuletzt den Druck bei diesen Themen aber noch deutlich erhöht.“

Vereinheitlichung tut not

Akuter Handlungsdruck ergebe sich durch die EPBD für sein Unternehmen nicht, da man keine Immobilien der Effizienzklasse G betreue, für die man zeitnah ein Vermietungsverbot fürchten müsse. „Aber wir gehen davon aus, dass das erst der Anfang ist und die Regelungen weiter angezogen werden.“ Er begrüßt, dass die Energiezertifikate innerhalb der EU vereinheitlicht werden sollen. „Die Berechnungsmethoden sind zwar überall dieselben, aber Aufbau, Layout und Kennzahlen müssen noch weiter vereinheitlicht werden. Der ­eine rechnet beispielsweise mit Kilowattstunden pro Jahr, der andere mit Kilowattstunden pro Quadratmeter und Monat. Das erschwert den internationalen Vergleich, selbst innerhalb der EU.“

Um einen Immobilienbestand vermiet-und veräußerbar zu halten, müsse man sich fortwährend kümmern und ihn laufend ­verbessern, meint Hafner. Am einfachsten und unkompliziertesten fahre man häufig mit ­einem Neubau, der technisch leichter umsetzbar, topzertifiziert und im Betrieb energieeffizient ist, aber oft bliebe es Investoren auch nicht erspart, eine Revitali­sierung anzugehen. „Wenn Sie ein professioneller ­Bestandshalter sind, der Res­sourcen und das Know-how im eigenen Haus hat, dann ­gehört es zum täglichen ­Geschäft, im eigenen Bestand zu arbeiten“, so Hafner. Im Prinzip sei das nur eine kaufmännische ­Alternativrechnung. „In der ­aktuellen Marktphase erwerben Sie jetzt kaum noch eine Core-Immobilie mit mehr als 3,5 oder vier Prozent Anfangsrendite, aber durch gezielte Sanierungsmaßnahmen im Bestand sind langfristig höhere Renditen möglich.“

Unterschiede macht Hafner im Kreis der Investoren aus: Während beispielsweise ­viele Investoren vor allem auf die Rendite und zunehmend auf die ESG-Standards schauten, hätte bei manchen Family Offices daneben oft auch das Renommee einer ­Immobilie einen hohen Stellenwert, beispielsweise im Bereich historischer Architektur. „Häufig fallen diese Investoren auch nicht unter die Regelungen der SFDR, wie das sonst bei Kapitalmarktteilnehmern der Fall ist“, meint Hafner. „Diese Investoren haben dann natürlich mehr Freiheiten, was ESG-Standards betrifft.“

Bezahlbares Wohnen

In eine andere Richtung bewegt sich ­Benjamin Spieler, Gründer und Geschäftsführer der SIMGruppe in Jena. Er will nicht nur seinen Bestand sanieren, sondern auch Immobilien mit schlechtem Energiestandard erwerben und sie energetisch sanieren. Die SIMGruppe mit aktuell rund 100 Mitarbeitern ist Immobilieninvestor und Asset Manager mit Fokus auf Wohnimmobilien in C- und D-Lagen in Deutschland. Das Tätigkeitsfeld reicht von Projektentwicklung über Neubau und Sanierung bis hin zum Management von komplexen Wohnungsbeständen. „Wir besitzen momentan knapp 10.000 Wohneinheiten, hauptsächlich in den neuen Bundesländern“, so Spieler. Den Anteil der Gebäude mit Energieeffizienzklasse G und darunter schätzt er auf zehn bis 20 Prozent. „Hier schauen wir uns an, welche Sanierungsmaßnahmen wir einleiten können. Aber auch für Bestände, die nach jetziger Regulierung noch in Ordnung wären, sehen wir teilweise schon heute eine energetische Sanierung vor. Unser Ziel ist, dass wir bis 2030 unser Bestandsportfolio CO2-neutral saniert oder neu hergestellt haben und dass wir gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum ­anbieten.“ Hüten sollten sich Investoren ­davor, nur die regulatorischen Mindestanforderungen zu erfüllen, meint Spieler. „Mit F haben Sie immer noch einen schlechten Energiestandard, so erreichen wir die Klimaziele nicht. Wir streben einen CO2-neutralen Wohnungsbestand an.“

Er rechnet vor, dass sich solche Sanierungen durchaus lohnen, vorausgesetzt, man hat die nötige Expertise: „Wenn wir heute in einer C- oder D-Lage mit Leerstand zu einem Quadratmeterpreis von 500 Euro kaufen und dann für 1.000 bis 1.200 Euro pro Quadratmeter sanieren (Dämmung, Fahrstühle, Heizung etc.), dann haben wir eine sanierte Immobilie, die uns im Schnitt 1.700 Euro pro Quadratmeter gekostet hat. Für den Preis können Sie in der Regel bei den jetzigen Baupreisen nicht neu bauen.“ In den C- oder D-Lagen kann er bereits heute 6,50 Euro Kaltmiete pro Quadrat­meter erzielen, was einem Faktor von 21,8 entspricht. Nach erfolgter Sanierung ist auch eine deutliche höhere Kaltmiete erzielbar. „Zu diesem Faktor verkaufen Sie heute nicht. Aktuell werden für sanierte Gebäude in C- und D-Lagen Preise aufgerufen, die beim 15- bis 20-fachen der nachhaltig ­erzielbaren Miete liegen. Wir gehen davon aus, dass die Preise für sanierte Immobilien deutlich steigen werden.“

Ganz anders bei unsanierten Gebäuden. Noch sieht er kein vergrößertes Angebot an Immobilien, die G oder darunter geratet sind, was darauf hindeutet, dass bisher noch nicht viele Bestandshalter die EPBD durchgearbeitet haben und als Konsequenz den Verkauf bestimmter Immobilien forcieren. „Wir sehen derzeit einen guten Deal Flow, und es sind alle Immobilien handelbar. Aber bisher sind die Objekte, die künftig nicht mehr den Energieanforderungen entsprechen, nicht en masse auf dem Markt. Künftig rechnen wir hier mit mehr Angebot und deutlichen Abschlägen in den Verkaufspreisen“, sagt Spieler.

Er vermietet oft an Transfereinkommensbezieher, die Mietunterstützung erhalten, und in diesem Bereich sieht er eine Schwierigkeit: „Wir können nicht jetzt sanieren müssen, aber bei der Berechnung der Mietunterstützung wird auf den durchschnittlichen Mietspiegel der letzten zehn Jahre geschaut.“ Sein Vorschlag ist, dass die Kommunen bei der Fest­legung der Unterstützungsleistungen auf die Brutto-Warm- und nicht auf die Brutto-Kaltmiete schauen. Aktuell ist er gezwungen, teilweise mit Kaltmieten von vier oder fünf Euro zu kalkulieren. „Bei solchen Mieten ist eine energetische Sanierung wirtschaftlich nicht darstellbar“, so Spieler.

Eine weitere Rahmenbedingung sähe er auch gern geändert: „Wir sind sowohl ­Bestandshalter als auch Projektentwickler. Wenn wir Projektentwickler sind, sanieren wir und wollen dann veräußern. Projektentwicklung im Bestand ist aber negativ konnotiert, da gelten wir als Spekulanten, was nicht gerechtfertigt ist. Letzten Endes sanieren wir und stellen bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung.“ Sowohl die Kommunen als auch die finanzierenden Banken hätten hier aber Fälle aus der Vergangenheit im Hinterkopf, bei denen schlecht und ohne Konzept saniert wurde. „Das führt dazu, dass uns Banken erst finanzieren wollen, wenn wir fertig saniert haben. Auch die Bankenregulierung steht im Wege, wenn unsere Rendite erst über den späteren Verkauf kommt“, meint Spieler, und etwas bitter merkt er an: „Heute ist es einfacher, eine Immobilie in Berlin zu finanzieren, die Sie für das 40-­Fache der Jahresmiete kaufen, als eine in Zwickau, die wir für das 18-Fache erwerben und sanieren wollen. Das halte ich ­zumindest für überprüfenswert!“

Eine Gesamtschau wäre gut

Eine Forderung bezüglich der Fördermittel hat Spieler auch: „Fördermittel orien­tieren sich aktuell nicht am CO2-Verbrauch eines Gebäudes. Die reine Betrachtung der Energieeffizienz ist nicht ausreichend. Es wäre besser, wenn wir eine Gesamtschau hätten“, meint Spieler. „Dann würden sich Maßnahmen, die einen besonders hohen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten, viel eher rechnen.“

Die Fördermittel seien derweil insgesamt eher zu niedrig angesetzt. „Im letzten Fördertopf waren nur fünf Milliarden Euro vorgesehen. Das ist am Bau nicht viel. Man muss auch berücksichtigen, dass der Förderbedarf mit der Preiserhöhung bei den Baumaterialien steigt.“ Die Frage sei auch, ob man in Metropolen wie Berlin dieselben Fördermittel vergeben sollte wie in anderen Lagen. „Bei der Förderhöhe sollten die ­erzielbaren Mieten und die CO2-Emission berücksichtigt werden“, findet er.

Zukunft: Serielles Sanieren

Als Zukunftstrend am Bau sieht er serielles Sanieren. „Das ist eine gute Sache, aber momentan ist das oft noch teurer als konventionelles Sanieren. Das liegt an der Skalierung.“ Wenn serielles Sanieren aber erst besser erprobt sei, ließen sich damit inter­essante Kostenvorteile erreichen. „Wir sind dabei, das Thema für uns zu lernen, und starten demnächst in Gera unser erstes ­Projekt. Dort haben wir etwa 20 Wohneinheiten, die wir so sanieren wollen.“ Aber nicht nur sein Unternehmen, auch Planer und Verwaltung müssten sich auf serielles Sanieren noch vorbereiten; hier stehe man noch ziemlich am Anfang.

Energiefassaden

Ein weiterer Zukunftstrend sind Solarfassaden an Gebäuden. „Das ist ein neuer Trend bei Neubauten oder energetischen ­Sanierungen“, sagt Hans Wilms, Chef der Solarmanufaktur Antec-Solar aus Thüringen, die auf die individuelle Produktion von Photovoltaikmodulen spezialisiert ist. „Wir arbeiten bevorzugt mit Dünnschichttechnologie, bauen damit sehr leichte Module. Damit gibt es interessante Gestaltungsmöglichkeiten, die auch bei Architekten Anklang finden. Wir belegen gerade unsere eigene Fassade mit Solar. Da kommen derzeit gern Architekten und schauen sich das an. In erster Linie sind bei uns Cadmium-Tellurid-Module im Einsatz. Sie sind unempfindlich und bringen auch bei diffusem Licht noch Leistung“, so Wilms. Außerdem seien das die einzigen Module, die vollständig aus deutscher Produktion kommen, also keine Abhängigkeit etwa von chinesischen Märkten mit sich brächten. Damit ließe sich zwar nicht der komplette Energiebedarf für die Produktion decken, aber ein Teil schon „Außerdem verbessert die Fassade den Wärmeschutz, das heißt, sie reduziert im Winter den Kälteeintritt und ermöglicht im Sommer eine zusätzliche Isolierung.“ Seine Firma könnte die Dünnschichtmodule auch farbig und lichtdurchlässig oder in besonderen Formen fertigen. „Sie können zusätzlich mit Motiven oder Schriftzügen versehen werden“, gibt Wilms einen Einblick, was bei seinen energiegewinnenden Fassaden ­alles möglich ist.

„Bei Büroimmobilien haben wir bisher noch keine Solarfassaden eingesetzt“, meint Hafner, „aber je höher die Bepreisung der CO2-Emission wird, desto attraktiver werden solche Fassadenmaßnahmen.“ Hafner sieht Photovoltaikanlagen bislang überwiegend auf Dächern, beispielsweise in den Bereichen Büro, Logistik und Wohnen. „Als Fonds haben wir hier allerdings das Problem der steuerlichen Infizierung, weil Einnahmen aus der Stromproduktion von Photovoltaikanlagen als gewerblich gelten. Wenn hier mehr getan werden soll, muss der Gesetzgeber nachziehen und für Bestandshalter das Problem der Gewerblichkeit lösen“, meint Hafner.

Die Entwicklung wird weitergehen, getrieben durch die Regulierung. „Es wird ­darauf hinauslaufen, dass die Nationalstaaten ein CO2-Budget erhalten. Davon wird die Immobilienwirtschaft einen bestimmten Teil bekommen. Das bedeutet, CO2 muss gemanagt werden“, sagt Eickermann-Riepe, wie es weitergeht.

Anke Dembowski


Dienstleister in Sachen Energieeffizienz von Gebäuden
Wie jede Regulierung, so bringt auch die EU-Gebäuderichtlinie EPBD viel Arbeit für Serviceanbieter.

Im Fall der EPBD handelt es sich aber nicht nur um Anwaltskanzleien und Unternehmensberatungen, die Investoren bei der Umsetzung unterstützen, sondern hier kommen Dienstleister ins Spiel, die sehr fokussierte Services anbieten.

right. based on science Hannah Helmke, Mitgründerin des 2016 gegründeten Unternehmens right. based on science, ist eine solche Dienstleisterin. Sie bietet wissenschaftsbasierte Klimametriken an, um Energieeinsparungen besser verständlich und vergleichbar zu machen. „Wir sind Pioniere in Sachen Temperatur-Alignment. Unser Ziel ist es, Transparenz darüber zu schaffen, inwiefern wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen können. In der Vergangenheit haben wir das für Unternehmen gemacht und können dieses Konzept nun auch auf Immobilien anwen­den“, erklärt die Unternehmerin. Sie wandelt dabei die CO2-Emission rechnerisch in eine Gradzahl um. „Wir zeigen: Wenn die ganze Welt so wäre wie diese Immobilie, um wie viel Grad würde sich dann die Erde erwärmen? Wir brauchen dazu die Fläche der Immobilie und die CO2-Emissionen aus dem Betrieb.“ Mit ihrem X-Degree-Compatibility-Modell (XDC-Modell) verdichtet sie die Informa­tion zu Zeitverläufen und Reduktions­pfaden.

CAALA
Helmke arbeitet eng zusammen mit dem Software- und Beratungsunternehmen CAALA, das Investoren bei der Klima­entwicklung ihrer Immobilien unterstützt. „Wir überlegen uns die Stellschrauben, wie man Bestandsimmobilien in die ­gewünschte Richtung entwickeln kann“, erklärt Samuel Ebert, Leiter der Beratungsabteilung von CAALA. Dazu nimmt er den Grundriss und die Gebäudehülle als Computermodell auf und ergänzt baualtersklassen-spezifische Werte der Gebäudehülle und Anlagentechnik. Daraus berechnet er den Trans­missionswärmeverlust, der ein Indi­kator dafür ist, wie viel Wärme über die Gebäudehülle – also durch Fenster, Dämmung und Dach – verloren geht. Am PC kann er dann einzelne Sanierungsmaßnahmen simulieren. Im Ergebnis zeigt er, wie viel Emissionen die Maßnahme einspart sowie die Kosten und welche Verbesserung sie bei der Energieeffizienzklasse bringt.

Zurück zu right. based on science
Die Ergebnisse werden an right. based on science weitergereicht, die sie dann in den Temperaturanstieg umrechnen. „Wir starten mit der Immobilie im Istzustand. Da kommen wir etwa auf einen Anstieg um 4,5 Grad Celsius. Unter Version 1 (nur Dämmung) kommen wir auf einen Temperaturanstieg von 3,7 Grad. In Szenario 2 (Dämmung, neue Fenster und Erdwärmeheizung) kommen wir auf 2,5 Grad. Letztlich wollen wir das angestrebte Ziel von 1,5 Grad Celsius erreichen“, erklärt Helmke. Da CAALA die Kosten für jede Maßnahme liefert, erfahren Kunden, wie viel Kosten es nach sich zieht, ein ­halbes Grad Temperaturersparnis zu bewirken. „Das Modell zeigt auch: Je früher die CO2-Emissionen eingespart werden, desto besser ist es im Hinblick auf das 1,5-Grad-Ziel.“ Mit dieser Methode lässt sich der Klima-Impact eines gesamten Immobilienportfolios ermitteln.

x.project AG
Das Unternehmen bietet Technikdienstleistungen rund um die Immobilie. „Wir sind ein Zusammenschluss aus Ingenieuren und IT-Experten. Unter anderem übernehmen wir für institutionelle Investoren und Bestandshalter technische Due-Diligence-Prüfungen bei An- und Verkäufen, aber auch das technische Asset Management und insbesondere ESG-Nachhaltigkeits-Prüfungen“, erklärt Henry Fritzsche, Chief Operations Officer bei x.project. Derzeit laufe keine Ankaufsprüfung mehr, ohne Themen wie Umwelteinflüsse, Sozialverträglichkeit und Governance zu beleuchten. „Wir berechnen etwa, welche Maßnahmen zu ­ergreifen sind, damit ein Objekt nicht am Ende als ,Stranded Asset‘ klassifiziert wird. Ebenso werden Investitionskosten als CapEx oder GreenCapEx qualifiziert“, erklärt Fritzsche. Asset Manager berät er, was sie tun müssen, damit die Immobilien ihrer Fonds unter technischen und ESG-Aspekten mindestens als Artikel 8 nach SFDR qualifizierbar sind. Gleichzeitig werden wiederkehrende Prüfmechanis­men für die Folgeperioden installiert. Mit großen Bestandshaltern erarbeitet er Dekarbonisierungsfahrpläne mit detaillierten Maßnahmenkatalogen. Die große Unsicherheit aufgrund nur teilweise konkreter Anforderungen durch die Taxonomie ist auf Seiten der Bestandshalter und Investoren deutlich spürbar. Da nicht alle Bestandshalter so aufgestellt sind, dass sie all ihre energetisch schlecht gerateten Immobilien sanieren können, rechnet Fritzsche damit, dass künftig mehr Sanierungsobjekte auf den Markt kommen, diese sich mangels vielfältiger Finanzierungsoptionen jedoch schwerer vermarkten lassen.

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