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2/2024 | Produkte & Strategien

Unter Druck

Obwohl die Fondsverwaltungsbranche dank der demografischen Entwicklung ­eigentlich gute Rahmenbedingungen vorfindet, steht sie dennoch massiv unter Druck. Die Ertragsseite entwickelt sich alles andere als wunschgemäß.

Vermögensverwalter müssen für ihren operativen Betrieb hohe Kosten tragen. Um diese abzudecken, ist eine ständige Vermehrung der Assets under Management erforderlich. Dadurch können höhere Erträge generiert werden und im Idealfall Skalierungseffekte wirken.
Vermögensverwalter müssen für ihren operativen Betrieb hohe Kosten tragen. Um diese abzudecken, ist eine ständige Vermehrung der Assets under Management erforderlich. Dadurch können höhere Erträge generiert werden und im Idealfall Skalierungseffekte wirken.© gearstd | stock.adobe.com | generiert mit KI

Die Fondsbranche steckt in einem Dilemma, obwohl sie eigentlich Nutznießer eines verlässlichen „Megatrends“ ist, der Monat für Monat für mil­liardenschwere Kapitalzuflüsse sorgt. Auch wenn die Asset-Management-Industrie von einer steigenden Weltbevölkerung, die älter wird und Altersvorsorgeprodukte wie insbesondere Fonds kauft, wohl auf Jahrzehnte hinaus Rückenwind in Form von regelmäßigen Nettomittelzuflüssen bekommt, stehen viele Fondshäuser unter massivem Kostendruck, der zuletzt an Dynamik gewonnen hat. Das hat dafür gesorgt, dass nach einem bereits schwachen Jahr 2022 die Gewinnzahlen für 2023 laut McKinsey „drastisch“ ausfallen und innerhalb zweier Jahre der Branchengewinn allein bei europäischen Asset Managern um ein Drittel einbrach.

Dafür hauptverantwortlich war aber nicht – wie man vielleicht glauben könnte, wenn man nur isoliert auf die Gewinne blickt – ein Rückgang des verwalteten Vermögens. Dieses ist ganz im Gegenteil allein im Jahr 2023 laut Angaben der Boston Consulting Group (BCG) um zwölf Prozent auf immerhin 118,7 Billionen US-Dollar und damit auf einen neuen globalen Rekordstand gestiegen. Das Problem der Branche ist zum einen der Trend, dass Anleger statt (teurerer) aktiver Fonds lieber günstigere ETFs kaufen. Zur Verdeutlichung: Laut BCG-Angaben sind 2023 beachtliche 70 Prozent des Zuwachses im Fondsgeschäft passiven Produkten entsprungen. Zum anderen steigen die Kosten von Jahr zu Jahr: So fordern Mitarbeiter angesichts höherer Inflationsraten von ihren Arbeitgebern höhere Gehälter. Hinzu kommen mehr und mehr regulatorische Vorschriften, die die Kosten zusätzlich hinauftreiben. Da diese Aufwendungen für Asset Manager nur schwer zu reduzieren oder gar zu vermeiden sind, bleibt den Gesellschaften nur die Option, das Vermögen und die damit einhergehenden Verwaltungseinnahmen stärker zu steigern, als die eigenen Kosten wachsen. Dafür stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, wie die nachfolgende Tour d’horizon zeigt, die mit den größten Asset Managern beginnt.

Diversifikation

Die großen Vermögensverwalter sind in der Regel global ­tätig und setzen auf mehrere Geschäftsfelder, ein breites Produktangebot und damit darauf, dass davon immer ein Teil auf hohe Investorennachfrage trifft. Das zeigt sich im ersten Cluster der „Assets under Management“-Liste von Institutional Money, in dem alle Asset Manager ab 100 Milliarden Euro per Stichtag 31.?12.?2023 gerankt werden und in der fast alle Asset Manager Zuwächse im einstelligen Prozent­bereich erzielten. Zu den großen globalen Playern zählt beispielsweise die Capital Group, die ihr verwaltetes Vermögen um sieben Prozent steigern konnte. Henning Busch, Managing Director Institutional Germany & Austria, begründet den Anstieg mit starken Ergebnissen und entsprechenden Zuflüssen bei globalen und Schwellenländeraktienstrategien sowie bei globalen Anleihenstrategien einschließlich Emerging Market Debt. „In den USA gab es eine starke Nachfrage nach unseren aktiven ETFs, Anlagelösungen und Altersvorsorgeprodukten, den sogenannten Target Date Funds“, ­rekapituliert Busch, um anzufügen: „In Europa und Asien erhielten unsere New-Perspective-Strategie und unsere Multi-Sector-Income-Strategie besonders starke Zuflüsse, was auch auf allgemeine Marktbewegungen zurückzuführen ist.“

Bei einem anderen globalen Marktakteur, HSBC Global AM, fällt der relativ hohe Zuwachs im institutionellen Kundensegment auf. Dahinter stehen laut HSBC GAM Nettomittelzuflüsse in fast allen Anlageklassen und geografischen Regionen. Thorsten Michalik, CEO HSBC GAM (Deutschland), zufolge haben im Speziellen die hauseigenen lösungsorientierten Ansätze für Multi-Asset, ETF & Indexing und Liquidität sowie ein differenziertes Angebot im Bereich ­Anleihen, Aktien und quantitativen Aktienstrategien zu diesem Anstieg beigetragen. „Außerdem haben wir unser Angebot im Alternative-Bereich weiter ausgebaut. Wir bieten unseren Kunden eine umfassende Palette von Anlagestrategien an – von Hedgefonds und Private Equity bis hin zu Private Credit, Sachwerten, Risikokapital und Naturkapital.“

Noch stärker zulegen konnte LGT (+29 %). Das ist ins­besondere dem Privatkundensegment zu verdanken, in dem in unserem Ranking alle Gelder aus den Vertriebsschienen Retail, Wholesale und Private Banking zusammengefasst werden. Laut Dr. Florian Dürselen, Mitglied der Geschäftsleitung, verzeichnete sein Haus sowohl organisches als auch M&A-getriebenes Wachstum. „Bei Letzterem sehen wir, dass sich die 2022 begonnenen Integrationen auch 2023 positiv auswirken.“ Der jüngste Neugeldzufluss beinhaltet unter ­anderem einen zweistelligen Milliarden-Euro-Betrag aus dem Private-Banking-Geschäft, ein zirka sieben Milliarden Euro schweres Mandat eines neuen institutionellen Kunden in Europa und Vertriebserfolge von LGT Capital Partners.

Von der Breite seines Produktangebots profitierte auch Swisscanto AM. „Nachdem wir bereits im Jahr 2022 erfreuliche Neugeldzuflüsse verzeichnet hatten, konnten wir im Jahr 2023 unsere starke Marktposition weiter unterstreichen“, sagt Holger Krohn, Leiter Vertrieb Institutionelle Deutschland, Swisscanto Asset Management International. Die Neugelder verteilten sich über alle angebotenen Assetklassen, wobei die Nachfrage nach Fixed-Income-Lösungen und nach Passiv- wie auch Nachhaltigkeitslösungen besonders hoch war.

Beim Blick auf das untere Ende des ersten Clusters ist zu sehen, dass Storebrand AM zurückgekehrt ist. Absteiger gibt es keinen. An der Spitze des zweiten Clusters (zehn bis 100 Milliarden Euro) und wohl ebenfalls bald vor der Rückkehr in die oberste Liga stehen Danske Invest und das Asset Management von SEB.

Überdurchschnittliche Zuwächse verzeichnen VanEck, die vom anhaltenden ETF-Boom profitieren, und Assenagon ­Asset Management, die überwiegend im institutionellen Segment ihre Kunden hat. Der Zuwachs von rund zehn Milliarden Euro im Gesamtjahr, davon sechs Milliarden ­Euro im zweiten Halbjahr, verteilt sich laut Matthias Kunze, Head of Distribution und Geschäftsführer bei Assenagon, fast gleichmäßig auf die Wertentwicklung der Fonds und Nettomittelzuflüsse. Die Nettomittelzuflüsse konnten zu fast 100 Prozent im liquiden Bereich erzielt werden. „Das Wachstum bei Assenagon ist bis heute zu 100 Prozent organisches Wachstum; weder wurden Übernahmen getätigt, noch sind solche angedacht“, merkt Kunze an. Ganz anders sieht dies bei einer anderen Adresse aus.

M&A: Klein schluckt Groß

Wenn eine Investmentboutique mit Assets in Höhe von überschaubaren 4,9 Milliarden Euro diese Summe innerhalb kürzester Zeit fast verfünffachen kann (+385 % auf 23,9 Milliarden Euro), ist in der Regel die Übernahme eines größeren Mitbewerbers im Spiel. Das trifft in diesem Fall auf Bantleon zu, die im dritten Quartal 2023 die aufsichtsrechtlichen Genehmigungen für den Erwerb der Warburg Invest AG, der ehemaligen Nord/LB Asset Management, erhielt. Bantleon wollte diese Übernahme bereits 2018 stemmen, musste damals jedoch M. M. Warburg den Vortritt lassen, die diese Tochter nunmehr wieder auf den Markt warf. ­Inzwischen hat Bantleon die übernommene Warburg Invest AG zur Bantleon Invest AG umfirmiert.

Bantleon hat mit der Übernahme sowohl das Anleihen- als auch das Aktiengeschäft ausgebaut und bekam darüber hinaus auch das Administrationsgeschäft der ehemaligen Warburg Invest hinzu. Das sorgt für Cross-Selling-Potenzial. „Unsere institutionellen Kunden haben den Zusammenschluss sehr positiv aufgenommen – auch weil wir ihnen jetzt hochwertige Master-KVG-Leistungen anbieten können. So konnten wir Asset-Management-Kunden für die Fondsadministration gewinnen. Im Gegenzug konnten wir bei bestehenden KVG-Kunden mit den erweiterten Asset-Management-Strategien punkten“, erklärt Stephan Kuhnke, CEO der Bantleon AG, der Muttergesellschaft der Bantleon GmbH und der übernommenen Bantleon Invest AG.

Eine Übernahme kam auch La Financière de l’Échiquier (LFDE) zugute – zumindest indirekt: Denn der neue LFDE-Eigentümer LBPAM (La Banque Postale Asset Management) hat seit der Übernahme einige LFDE-Fonds in seinem Netzwerk und im Private Banking eingesetzt und damit für entsprechende Zuflüsse in die LFDE-Fonds gesorgt. Der entscheidende Faktor war jedoch die Rallye bei Growth-Aktien, berichtet John Korter, Head of European Sales (ex France) bei LFDE: „Der Erfolg im zweiten Halbjahr 2023 ist vor allem auf die Performance unseres dominierenden Anlagestils im Growth-Bereich zurückzuführen, der bei den Anlegern vor allem im letzten Quartal 2023 wieder an Beliebtheit gewonnen hat.“

Spezialisierte Investmentboutiquen

Asset Manager können nicht nur auf Produktbreite oder ­Fusionen setzen, um ihre Assets stärker als die Kosten zu steigern, sondern auch auf Spezialisierung. Das kann gut- oder manchmal auch schiefgehen. So ist Yielco Investments, die sich auf alternative Anlagen wie Infrastruktur sowie Private Equity und Private Debt spezialisiert, dank neuer Investorengelder in den zweiten Cluster aufgestiegen. Abgestiegen in den dritten Cluster ist hingegen Matthews Asia, der es zum Verhängnis wurde, auf asiatische Aktien spezialisiert zu sein, sie ist damit von den massiven Verkäufen chinesischer Ak­tien seitens westlicher Investoren stark betroffen. „Die schwache Stimmung gegenüber den Schwellenländern, verbunden mit mangelndem Vertrauen in die chinesischen Aktienmärkte, wirkten sich leider negativ auf das verwaltete Ver­mögen im Jahr 2023 aus“, bestätigt Neil Steedman, Head of International Distribution bei Matthews Asia, um schon wieder optimistisch in die Zukunft zu blicken: „Allerdings sehen wir erste ermutigende Anzeichen für eine Erholung der Schwellenländer, da institutionelle Anleger ihre Allokation in dieser wichtigen Anlageklasse überdenken.“

Das Risiko einer starken Fokussierung auf spezielle Anlagesegmente wurde darüber hinaus schlagend bei Bellevue AM (Fokus auf klein und mittel kapitalisierte Wachstumswerte im Gesundheitssektor) und Fisch AM. Torsten von Bartenwerffer, CEO bei Fisch AM, begründet den Rücksetzer damit, dass nach einem extrem guten Wandelanleihenjahr 2020 die Folgejahre ausgesprochen schwierig für die Anlageklasse waren. Einerseits stiegen die Zinsen, auf der anderen Seite sind die Emittenten eher im Wachstumsbereich angesiedelt. „Damit haben Wandelanleihen sowohl bei der Anleihen- als auch der Aktienkomponente stark eingebüßt. In der Folge verringerten einige Investoren ihre Assets in diesem Segment, und dies wirkte sich entsprechend auch auf unser Volumen aus. Als Anleihenboutique konnten wir uns dieser Entwicklung insgesamt nicht entziehen und mussten auch in weiteren Segmenten Abflüsse verkraften“, erläutert von Bartenwerffer.

Hinter dem 100-Prozent-Anstieg bei den Assets von HRK Lunis steht die Fusion der Huber, Reuss & Kollegen Vermögensverwaltung (HRK) mit Lunis. Laut Unternehmens­angaben würden sich die Geschäftsmodelle beider Häuser ergänzen, zusammen will man zum Marktführer in der ­individuellen, bankenunabhängigen Vermögensverwaltung aufsteigen. Was vor allem institutionelle Investoren interessieren könnte: HRK Lunis kümmert sich mit seinen über 90 Mitarbeitern nicht nur um die Belange anspruchsvoller Privatkunden, sondern managt mit seinen immerhin 15 Analysten und Fondsmanagern darüber hinaus die Gelder von Firmen, Stiftungen, Verbänden und Pensionskassen. „Mit dem Anspruch, das Beste aus beiden Welten zu ver­einen, ist eine hoch qualifizierte Einheit entstanden, die ­sowohl im Bereich der liquiden Kapitalanlagen als auch im Bereich Private Equity ein hohes Maß an Kompetenz vereint“, sagt HRK-Lunis-Vorstandsmitglied Michael Reuss.

„Für uns ist die positive Entwicklung unserer Assets under Management zum einen auf die generell zunehmende Etablierung des Kryptomarktes und der zugehörigen Branche der letzten Jahre zurückzuführen“, nennt Oliver Schäfer, Head of Germany von 21Shares, einen grundlegenden Treiber für die eigene Volumensentwicklung. Das ist aber noch nicht alles: Neben der Akzeptanz von Kryptos als aufstrebende alternative Assetklasse und dem zunehmenden Verständnis für das Potenzial der Blockchain gehört Schäfer ­zufolge dazu auch die zunehmende institutionelle Adoption – nicht zuletzt durch die Zulassung von Bitcoin-Spot-ETFs in den USA. „Als Innovationsführer bei der Entwicklung von börsengehandelten Kryptoprodukten haben wir seit 2018 eine entscheidende Rolle in diesem Adoptionsprozess gespielt.“ Asset Value Investors (AVI) verzeichnete einen ­Zuwachs von 34 Prozent. Laut AVIs Business Development Director und Head of DACH, Henry Ballmann, bietet die auf Value-Aktien spezialisierte Londoner Investmentbou­tique „wirklich einzigartige Aktienstrategien“ an und ist derzeit auf Wachstumskurs. Das zeigt sich an der Vergabe neuer Aktienmandate durch diverse Profianleger. AVIs Value-Strategien sind seit April 2024 für deutsche Anleger leichter ­zugänglich, da AVI zwei UCITS-Fonds auf globale und ­japanische Aktien auf den hiesigen Markt gebracht hat.

Die Wiener Boutique BlueBalance (4. Cluster), die mit ­ihrer Hauptstrategie unter anderem von Fehlpreisungen in Derivatemärkten marktneutral profitieren will, konnte ihre Assets um 27 Prozent steigern. Dafür sorgten einerseits eine Performance im zweistelligen Prozentpunktebereich, andererseits weitere Zuflüsse Institutioneller, die von der niedrigen Volatilität und einer Sharpe Ratio von über 2,5 angetan waren. „Als viel wichtiger erachten wir allerdings, dass die Strategie wirkliche und nachhaltige Diversifikation liefert, was sich in einem Beta zu Anleihen und Aktien von nahezu null manifestiert. Und darüber hinaus bieten wir in unserem Ansatz Zugang zu idiosynkratischen Risikofaktoren, die dem institutionellen Investor ansonsten nicht zugänglich wären“, merkt BlueBalance-Gründungspartner und Vertriebsexperte Michael Schülli an.

Der Rückgang bei Chahine Capital erklärt sich mit dem Ausbleiben stabiler Trends aufgrund geopolitischer und makroökonomischer Ereignisse in den letzten zwei Jahren, die ein Manager für quantitative Momentum-Strategien bevorzugt. Laut Boris Kögel, Senior Sales Manager Germany und Austria bei Chahine Capital, haben die Luxemburger inzwischen über höhere Research-Anstrengungen die hauseigenen Handelsmodelle verbessert und nach einer Stabilisierung der Performance inzwischen sogar wieder eine Erholung verzeichnet. „Wir sind zuversichtlich, dass wir uns von diesen schwierigen Zeiten vollständig erholen werden, so wie wir es seit 1998 immer geschafft haben.“

Anton Altendorfer

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