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2/2019 | Produkte & Strategien

Unmögliche Erträge

Manche ETFs fassen ein Ziel ins Auge, das ihnen – eigentlich – prinzipiell verwehrt ist: Sie wollen ihre ­Benchmark outperformen. Um das zu schaffen, nutzen die Anbieter eine umfangreiche Klaviatur ­möglicher Optimierungsmaßnahmen. Ironie am Rande: Bei Swap-ETFs funktioniert dies tendenziell besser.

Herausragende ETF-Ergebnisse sind eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Synthetische ETFs können durch weiterentwickelte Replikationstechniken sowohl physische ETFs als auch ­viele Indizes schlagen.
Herausragende ETF-Ergebnisse sind eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Synthetische ETFs können durch weiterentwickelte Replikationstechniken sowohl physische ETFs als auch ­viele Indizes schlagen.© Invesco, merklicht.de | stock.adobe.com

Vor einigen Jahren kam ein sauber recherchierter Bericht über ETFs nicht ohne den Hinweis darauf aus, dass der kluge Investor physisch replizierende Produkte synthetisch replizierenden vorziehen sollte. Zu frisch war da die Erinnerung an den Ausfall von Lehman Brothers, als dass man sich den Swaps der Investmentbanken bedenkenlos anvertraut hätte. Inzwischen dürften diese Ängste weitgehend abgeflaut sein, denn Warnungen vor Swap-ETFs liest man seltener. Viel wichtiger ist aber eine andere Entwicklung: Ausgerechnet Anbieter von Swap-ETFs haben neue Wege und Möglichkeiten gefunden, das Ertragspotenzial ihrer Produkte so zu steigern, dass damit im Idealfall mehr verdient wird als mit den Indizes, die sie abbilden. „Das Management eines ETFs ist der Erfolgsschlüssel zu mehr Performance. Überrenditen passiver Fonds sind möglich“, erklärte Christoph Mellor, Head of Product Management Equity & Commodities, Invesco, im Rahmen eines ETF-Workshops für professionelle Marktteilnehmer kryptisch.

Was soll man sich unter „Management ­eines ETFs“ vorstellen? Erst die nähere Beschäftigung mit dem Thema macht klar, worum es geht. Nach Einschätzung von Ferdinand Haas, bei DWS Head of Product EMEA & APAC, wurde das Thema „Swap-Renditeverbes­serung“ von Investoren bisher vielfach übersehen. Swaps wurden, das ist auch Haas’ Eindruck, lange Zeit dämonisiert, und nachdem diese Ängste nun in den Hintergrund ­rücken, wird hier möglicherweise ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen. Haas: „Wir sehen, dass das Thema in letzter Zeit plötzlich hochgradig relevant wird, und zwar sowohl in Bezug auf die existierenden ETFs als auch bei Mandaten.“

Was die angesprochene mögliche Outperformance passiver Produkte wirklich bemerkenswert macht, ist die Tatsache, dass sie nicht durch das Eingehen zusätzlicher Risiken erkauft wird. Wenn Mellor von „Management“ spricht, meint er eine Reihe von Optimierungen, die in Summe bewirken, dass man die Benchmark schlagen kann. Aus Anbietersicht ist dabei wichtig, dass dennoch Verwaltungskosten verrechnet werden können. Damit das allerdings funktioniert, muss an bis zu vier unterschiedlichen Stellschrauben gedreht werden. Zuallererst müssen natürlich die Kosten, die dem ETF-Vermögen verrechnet werden, niedrig sein, um nicht schon vom Start weg ins Hintertreffen zu geraten. Weiters benötigt man ETF-Portfolio-Manager, die die Benchmark mit möglichst wenig Kosten verursachenden Wertpapiertransaktionen abbilden. Darüber hinaus spielt die Wertpapierleihe eine zentrale Rolle, weil damit vor allem in illiquiden Märkten interessante ­Zusatzerträge für das Fondsvermögen erwirtschaftet werden können. Der wohl wichtigste Faktor besteht aber darin, Quellensteuern zu vermeiden. Hier kommt ETFs ein Umstand entgegen, der wahrscheinlich nicht allen Marktteilnehmern bekannt ist. Wenn man im Bloomberg-Terminal einen ETF mit einer Benchmark vergleicht, wählt das System automatisch die Indexvariante „Net Total Return“. Diese berücksichtigt die Indexperformance inklusive Dividendenausschüttungen abzüglich Steuern. Auf diese Weise soll ein sinnvoller Vergleich ermöglicht werden. Wenn Fonds Dividenden erhalten und Steuern bezahlen, muss man diese logischerweise auch für den Index unterstellen, daher gehen Indexrechner von einer Quellensteuerbelastung von 30 Prozent aus.

ETF-Anbieter versuchen nun immer häufiger, die auf Dividendenzahlungen erhobene Quellensteuer durch Ausnutzung günstig ausgestalteter Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zu reduzieren ­beziehungsweise diese Steuern aufgrund von DBAs vom Finanzamt zurückzuholen. Besonders gut geht dies im Fall „USA/Irland“. Das zwischenstaatliche Doppelbesteuerungsabkommen sieht bei Dividendenzahlungen aus den USA an einen in Irland registrierten Fonds oder ETF einen Quellensteuerabzug von nur 15 Prozent vor. Das kann sich rechnen: Unter der Annahme einer Dividendenrendite von zwei Prozent auf US-Aktien und einer Quellensteuer von 15 Prozent kann der ETF gegenüber einer Benchmark, die von 30 Prozent Quellensteuerabzug auf Dividenden ausgeht, eine Outperformance von rund 0,30 Prozent per annum vor Kos­ten herausholen. Das erklärt, warum im Jahr 2018 Anbieter physisch replizierter ETFs wie iShares oder Vanguard den S&P 500 Net Total-Return Index um 0,24 beziehungsweise 0,20 Prozent nach Kosten schlagen konnten.

Für physisch replizierte ETFs ist an dieser Stelle Schluss, mit schlanken Kosten, Transaktionsminimierung, Wertpapierleihe und Quellensteueroptimierung ist die Grenze des Machbaren erreicht. Synthetisch replizierende ETFs bieten hingegen noch mehr Möglichkeiten zur Renditesteigerung.

Swaps statt Steuern

„Bei US-Indizes sind Swap-ETFs besser als physisch replizierte ETFs“, erklärt Mellor und verweist dabei auf das ­eigene Produkt: So konnte Invesco 2018 bei ihrem synthetischen S&P-500-ETF unterm Strich die Quellensteuerbelastung auf null reduzieren und selbst nach Abzug der ETF-Verwaltungsgebühr von 0,05 Prozent per annum den Index um 0,49 Prozent outperformen. Das liegt daran, dass sich der synthetische Invesco-ETF von den Swap-Gegenparteien die Performance des S&P 500 Gross Total Return Index, also den Index inklusive aller Dividenden, gegen Zahlung einer Swap-Gebühr von 0,04 Prozent garantieren lässt. Damit kann der ETF die Dividenden nahezu brutto für netto lukrieren. Grundsätzlich gilt: Je höher die Dividendenrendite, ­desto stärker können Swap-ETFs outperformen. „Für jeden Prozentpunkt Dividendenrendite kann man die relative Performance eines Swap-ETFs gegenüber der Benchmark um 0,3 Prozentpunkte steigern“, beziffert Mellor die Größenordnung.

Ermöglicht wird dieser Steuervorteil durch eine Ausnahmeregelung im US-Steuergesetz. Dort wird in Section 871(m) des „US Internal ­Revenue Code“ erklärt, dass bei Derivaten wie Futures oder Swaps, die Indizes tiefer und liquider Märkte abbilden, keine Quellensteuern anfallen. Daher sind Swaps, genau wie Futures, auf den S&P 500 Index aus US-Sicht steuerbefreit.

Multi-Swap-Plattformen

Dafür, dass Swap-Gegenparteien möglichst viel von diesem Steuervorteil an ETFs weitergeben, sorgt der Wettbewerb. Anbieter wie Invesco oder DWS setzen daher nicht nur auf eine Swap-Gegenpartei, sondern lassen verschiedene Investmentbanken um ausgeschriebene Swap-Mandate rittern. „Eine Multi-Swap-Plattform ist aus unserer Sicht ein Muss: Sie erlaubt es einerseits, den besten Preis am Markt zu bekommen und die Performance andererseits zu maximieren. Gleichzeitig ist sie ein essenzielles Element des langfristigen Risikomanagements“, betont Haas. Immerhin kann die DWS aus mittlerweile sieben Swap-Gegenparteien wählen, worunter auch das Mutterhaus Deutsche Bank fällt. So waren beim Xtrackers S&P 500 Swap UCITS ETF 1C per Ende März 2019 mit rund jeweils einem Drittel „Swap-Gewichtung“ die Gegenparteien die Deutsche Bank, Barclays und Morgan Stanley.

Finanzierungskosten

Wie ein Blick auf die DWS-Webseite zeigt, gibt es beim Xtrackers S&P 500 Swap UCITS ETF 1C eine „Swap-Renditeverbesserung“ von 0,67 Prozent. Davon sind aber nur 0,57 Prozent im Jahr aus dem Steuervorteil erklärbar. Zehn Basispunkte kommen offenbar aus einer anderen Quelle – und zwar von den Investmentbanken. Im Invesco-Workshop wurden tiefe Einblicke in die „Gedankenwelt“ dieser Kapitalmarktteilnehmer gewährt: Diese haben ­regelmäßig Wertpapiere in ihren ­Büchern, die sie aufgrund von Geschäften mit Drittparteien aus Absicherungsgründen halten müssen, die aber aus aufsichtsrechtlichen Gründen mit teuren Eigenmitteln zu hinterlegen sind. Zur Reduzierung der „Funding Costs“ (Finanzierungskos­ten) lagern Investmentbanken die unerwünschten Aktien mithilfe des Total Return Swaps in den Swap-ETF aus und hedgen sich kostengünstiger über Derivate, die niedrigere Funding Costs haben.

Diese Form der Optimierung nimmt offenbar auch die Deutsche Bank vor. So schreibt die DWS auf ihrer Webseite: „Es besteht die Möglichkeit, dass der Swap-Kontrahent (bei Xtrackers UCITS ETF die Deutsche Bank AG) bestimmte zusätzliche Erträge oder Verbesserungen im Rahmen von Absicherungstransaktionen (Hedging) erzielen kann.“ Weitere Stellschrauben zur Renditesteigerung sind mögliche Vorteile aus „Cross Currency Hedges“, wenn Zinsdifferenzen nutzbar sind, oder auch Wertpapierleiherträge aus dem Verleih intelligent ausgewählter und am Wertpapierleihemarkt begehrter Wertpapiere für den Swap-ETF.

Dabei entscheidet die Bank, wie viel von diesen „Swap-Renditeverbesserungen“ sie dem ETF-Vermögen zukommen lässt. Zu viel von erzielten Vorteilen sollte eine Investmentbank aber nicht für sich behalten, sondern möglichst viel davon an den ETF weiterreichen. Denn schließlich stehen die Investmentbanken untereinander im Wettbewerb um die begehrten Swap-Mandate. Bei ETFs auf den S&P 500 Index hat die DWS über ihre Swap-Gegenparteien im Jahr 2018 im Vergleich zu ihren Mitbewerbern das Meiste an Performance herausgeholt, wie die Grafik „ETFs schlagen den S&P 500“ zeigt. Diese Outperformance könnte andauern: Durch eine längerfristige Swap-Vereinbarung sollten die 67 Basispunkte „Swap- Renditeverbesserung“ beim Xtrackers S&P 500 Swap UCITS ETF bis März 2020 möglich sein.
Investoren steigen ein

Großbanken treiben also viel Aufwand, um ihren Kunden, in diesem Fall ETFs, ein paar Basispunkte Mehrrendite im Jahr zu ermöglichen. Damit stellt sich die Frage, ob sich der Arbeitsaufwand lohnt, wenn diese Outperformance durch einen einzigen volatilen Handelstag auf ­Indexebene überkompensiert wird. Immerhin könnten Investoren eine Marktkorrektur über streng limitierte „Abstauber“-Kauforders zum Einstieg nutzen. Darauf angesprochen erklärt Haas: „Nun ja, das ist sicher eine Frage des persönlichen Zutrauens in die eigene Fähigkeit, den Markt zu timen. Ich persönlich finde 50 Basispunkte Outperformance ­ohne wesentlichen Tracking Error sehr, sehr attraktiv.“

Investoren scheinen jedenfalls mehr und mehr die Vorteile von Swap-basierten Indexlösungen zu schätzen. So konnte die DWS jüngst eines der größten Aktienmandate der letzten Jahre gewinnen: „Wir sind sehr stolz, einen der größten und fortschrittlichsten europäischen Kunden für ein Mandat auf der Basis ­unserer Swap-Plattform gewonnen zu haben“, erklärt Haas.

Anton Altendorfer

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