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4/2023 | Produkte & Strategien

Intelligent Stile kombinieren

Warum Faktor-Investing bei Unternehmensanleihenfonds eine sinnvolle ­Komponente innerhalb der Corporate-Bond-Tangente institutioneller Portfolios ­darstellt.

Diversifikation ist Trumpf. Das gilt auch dann, wenn man Unternehmensanleihenportfolios mithilfe eines systematischen Faktoransatzes verwaltet.
Diversifikation ist Trumpf. Das gilt auch dann, wenn man Unternehmensanleihenportfolios mithilfe eines systematischen Faktoransatzes verwaltet.© Bruno Postigo | stock.adobe.com

Faktor-Investing galt bis vor einigen Jahren fast ausschließlich als Thema für das Management von ­Aktien. Doch was sich innerhalb des Aktiensegments als interessante Diversifikationsmöglichkeit herausgestellt und mittlerweile auch gut etabliert hat, hat nun Einzug im Rentensegment gehalten. Während die meisten aktiven Manager für Unternehmensanleihen einem fundamentalen Ansatz folgen, gibt es Vorreiter wie Quoniam Asset Management mit Sitz in Frankfurt am Main, die mithilfe eines syste­matischen Faktoransatzes im Unternehmensanleihensegment Werkzeuge für eine verbesserte Diversifikation mittels Faktorrenditen anbieten. Auch Branchenriesen wie BlackRock haben den neuen Trend aufgegriffen. Andrew Ang hat vor ziemlich genau einem Jahr in einem Beitrag auf der BlackRock-Homepage mit dem Titel „The Next Factor ­Revolution: Fixed Income Factor ETFs“ eine breitere Öffentlichkeit darauf hingewiesen, dass man das Faktorkonzept von Aktien (mit entsprechenden Modifikationen) auf die Bond-Seite übertragen kann. Bereits seit 31. Juli 2017 bietet der weltgrößte Asset Manager in den USA via iShares zwei Credit-Factor-ETFs an, die Faktoren als Renditequellen auf den Rentenseite nutzen, nämlich im Investment-Grade(IG)-Bereich den iShares Investment Grade Bond Factor ETF (ID: IGEB) und im Hochzinssegment den iShares High Yield Bond Factor ETF (ID: HYDB).

Verdient gemacht um das Aufzeigen der Diversifikationsbeiträge von Faktorrenditen im Corporate-Bond-Bereich in Deutschland hat sich Harald Henke, Head of Fixed Income Strategy bei Quoniam. In einer ersten Studie untersuchte er die Diversifikationseigenschaften verschiedener Managementansätze von 2016 bis Juni 2021. Angesichts des daran anschließenden Zinserhöhungszyklus bis einschließlich ­Dezember 2022 erweiterte er seine Analyse im Anschluss: „Ich wollte wissen, ob die Ergebnisse der ersten Studie insoweit belastbar sind, als sie auch in Zeiten der Straffung der Geldmarktzinsen und damit rasch steigender Renditen an den Rentenmärkten gelten“, sagt Henke. In der ersten Studie, während deren Erstellung die Zinsen noch großteils rückläufig waren, konnte Henke den diversifizierenden Effekt des systematischen Credit Factor Investings in einem breiten Investment-Grade-Unternehmensanleihenportfolio dokumentieren. Die wichtigsten Erkenntnisse waren folgende:

• Die Performance von systematischen Faktorstrategien ist nur wenig von der Marktrichtung abhängig.

• Fundamental gemanagte Fonds tendieren zu Outperformance in Zeiten fallender Spreads und zu Underperformance bei steigenden Spreads.

• Die Korrelation zwischen fundamentalen und systematischen Strategien ist gering, während sie zwischen verschiedenen fundamental gemanagten Strategien hoch ausfällt.

• Diversifizierungsvorteile werden am besten durch die ­Mischung von fundamentalen und systematischen Stra­tegien genutzt.

• Fundamentale Strategien haben ein geringeres Faktor-­Exposure als systematische Strategien mit Ausnahme des Carry-Faktors, den fundamental gemanagte Portfolios stark ausgeprägt in ihren Beständen aufweisen.

All dies deutete darauf hin, dass es für Investoren starke ­Diversifikationsvorteile gibt, wenn man systematische IG-Credit-Strategien mit fundamental gemanagten kombiniert.

Lackmustest

Die Marktbewegungen im Jahr 2022 waren extrem, sodass Henke den Analysezeitraum bis einschließlich Dezember 2022 verlängerte. Die Zentralbanken begannen ja bekanntlich ihre Zinserhöhungszyklen. So erhöhte die Fed den US-Leitzins um 225 Basispunkte auf 2,5 Prozent, die EZB folgte mit 125 Basispunkten auf 1,25 Prozent. Das fand seinen ­Niederschlag bei den Anleihenrenditen, kletterten doch die zehnjährigen US-Zinsen von 1,59 auf 3,87 Prozent und die zweijährigen Zinsen um mehr als das 30-Fache von 0,14 auf 4,42 Prozent. In Europa waren Anstiege in ähnlicher Größenordnung zu verzeichnen, wobei zehnjährige deutsche Bundesanleihen von minus 0,19 auf 2,57 Prozent und zweijährige Schatzanleihen von minus 0,66 auf 2,76 Prozent ­gestiegen sind. Auch die Credit Spreads sind seit Ende Mai 2021 deutlich gestiegen, und zwar um 56 ­Basispunkte für US-IG-Credit auf 1,4 Prozent und um 115 Basispunkte für Euro-IG-Credit auf zwei Prozent. Diese ­Bewegungen ­wurden auch von starken Währungsbewegungen begleitet, die den Euro von 1,22 zum US-Dollar auf die Parität fallen ließen.

Set-up

Um die Diversifikationseigenschaften verschiedener Managementansätze zu untersuchen, nutzte Quoniam die Morningstar-Fondsdatenbank und identifizierte Fonds, die die folgenden Eigenschaften aufwiesen: Es musste sich um fundamental gemanagte Fonds aus der Kategorie „Unternehmens­anleihen EUR“ handeln, deren Fondsvermögen sich aus ­Euro-Investment-Grade-Credit-Positionen ohne Einschränkungen wie Laufzeitenbänder oder den Ausschluss von ­Finanzunternehmen zusammensetzte. Dazu musste eine durchgängige Return-Historie von Juni 2016 bis Dezember 2022 vorhanden sein, und das Fondsvermögen musste zumindest 100 Millionen Euro betragen. Zudem wurde pro Asset Manager nur ein Fonds betrachtet. Aufgrund dieser Filter in der betreffenden Fondskategorie blieben schließlich 42 Fonds übrig, die diesen Anforderungen entsprachen. Für diese Stichprobe berechnete Henke das Alpha gegenüber der jeweiligen Fondsbenchmark und addierte die Managementgebühren dazu, um die Bruttoperformances vergleichen zu können. Die Robustheit der Ergebnisse in diesem Composite aus allen fundamentalen Fonds wurde anhand von zwei marktwertgewichteten Subgruppen überprüft, und zwar anhand der zehn größten fundamentalen Fonds der Stichprobe sowie der zehn Fonds mit der besten Per­formance. Als systematische Strategie zog Quoniam den ­eigenen Euro IG Credit Composite heran. Damit gibt es ­also vier Portfolios, deren Verhalten analysiert wird: die gesamte Stichprobe der aktiven fundamentalen Euro-IG-Fonds, die Top Ten daraus nach Größe und Performance ­sowie den Quoniam Euro IG Credit Composite.

Ergebnisse

Tatsächlich zeigt sich die durch Alpha repräsentierte monatliche Performance der vier Portfolios abhängig vom jeweiligen Marktumfeld, das durch die Spreadveränderung am Markt dargestellt wird. Diese reagieren in unterschiedlichen Marktumfeldern sehr unterschiedlich (siehe Grafik „Fonds­performance in Abhängigkeit vom Marktumfeld“). Zuallererst wird sichtbar, dass alle Trendlinien abwärts gerichtet sind, sprich bei deutlichen Ausweitungen des Marktspreads ­negative Alphas üblich werden. Bei Rallyes – also Spreadverringerungen – kann der Investor allerdings immer mit einer stärkeren Performance rechnen als in Krisen, hier wird oft auch positives Alpha in den vier Portfolios generiert. Auffällig ist, dass der Zusammenhang von Alpha und Marktumfeld bei der systematischen Strategie am wenigsten stark ausgeprägt ist. Die Regressionsgerade zeigt hier die geringste Neigung für alle vier Portfolios. Bei den drei anderen fundamentalen Portfolios wird hingegen eine deutliche Under­performance in Krisenzeiten bei Marktspreadausweitungen sowie eine hohe Outperformance in Zeiten von Marktspreadeinengungen sichtbar.

Drawdown-Analyse

Die deutliche Underperformance der fundamentalen Corporate-Bond-Strategien in Krisenzeiten findet ihren Niederschlag in höheren Tracking Errors und größeren Drawdowns. So weist die Gruppe der zehn besten fundamental gemanagten Fonds das schwächste monatliche Alpha aller vier Gruppen auf, wie die Grafik „Maximale monatliche Drawdowns“ illustriert. Diese zeigt, wie stark die Abwärts­partizipation bei den fundamentalen Strategien im Vergleich zum systematischen Ansatz von Quoniam ausfällt. Der schlechteste monatliche Drawdown für den Composite aus allen nach fundamentalen Kriterien gemanagten Corpo­rate-Bond-Fonds, gemessen am Alpha, ist etwa 50 Prozent höher als beim systematischen Ansatz. Bei den beiden anderen Gruppen der größten beziehungsweise besten fundamentalen Fonds fällt der Unterschied noch stärker aus. Untersucht man nun, in welchen Monaten fundamentale und systematische Strategien ihr schlechtestes negatives Alpha generieren, so stellt sich heraus, dass die fundamentalen Strategien in den beiden Monaten mit der höchsten Spreadausweitung – das sind März 2020 und Juni 2022 – ihre schlechtesten ­Ergebnisse einfuhren, während der systematische Ansatz ­neben dem März 2020 im April 2020 sein schlechtestes ­monatliche Alpha erzielte. Der letztgenannte Monat war ­allerdings ­jener mit der größten Spreadeinengung.

Faktorhintergrund

Offensichtlich gibt es unterschiedliche Verhaltensmuster in den verschiedenen Marktphasen zwischen fundamentalen und systematischen Ansätzen im Corporate Bond Management, die wohl auf unterschiedlichem Faktor-Exposure beruhen. Aufgrund der vorhandenen granularen Daten untersuchte Henke die zehn besten fundamentalen Fonds, die im Stichprobenzeitraum offensichtlich grosso modo mit den Bedingungen am besten zurechtkamen, zu einem exemplarischen Zeitpunkt. Dabei waren große Unterschiede beim Faktor-Exposure betreffend Carry und Qualität festzustellen, wobei Quoniam auf Abweichungen zur Benchmark beim Exposure, gemessen in Standardabweichungen, abstellte. Ein Wert von null bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Exposure die gleiche Höhe wie jenes der Benchmark hat. „Werte von 0,5 oder mehr sind ein Indiz dafür, dass der betreffende Faktor explizit in der Portfoliokonstruktion Berücksichtigung findet“, erläutert Henke. Aus der Grafik „Faktor-Exposure im Vergleich“ geht hervor, dass das unterschiedliche Exposure der systematischen und fundamentalen Strategie zu den Faktoren Carry und Quality gut geeignet ist, das unterschiedliche Verhalten der beiden Strategien zu erklären. So ist das Faktor-Loading von Carry bei der fundamentalen Strategie mit einem Wert von 0,61 überaus hoch. Das ­bedeutet, dass sich fundamentale Fonds stark auf Anleihen mit höheren Credit Spreads ausrichten, doch bergen diese Anleihen in aller Regel auch ein höheres Kreditrisiko. Dieser Ansatz findet auch seinen Niederschlag in einem negativen Faktor-Loading betreffend Quality. Bei der systema­tischen Strategie hingegen liegt das Faktor-Loading bei der Qualität nah an der Benchmark, und das Exposure zu ­Carry ist mit 0,39 zwar positiv, aber nicht so stark ausgeprägt wie bei der fundamentalen Strategie. Das höhere Risiko der fundamentalen Fonds erklärt deren höhere Abhängigkeit vom Marktumfeld.

Eine weitere hochinteressante Frage zur Beurteilung der Portfolioeigenschaften der systematischen Strategie ist, wie sich deren Alphas zu jenen der fundamentalen Strategien verhalten. Dazu vergleichen Henke und seine Kollegen den Composite aus allen fundamentalen Fonds mit der syste­matischen Strategie und mit den Untergruppen der zehn größten und zehn besten Fonds, wobei Letztere für diese Analyse aus dem Universum aller Fonds jeweils eliminiert werden, um die Korrelationen nicht nach oben zu verzerren. Es zeigt sich, dass die Korrelation der Alphas von systematischer und fundamentaler Strategie zwar positiv ist, mit 42 Prozent allerdings noch einiges an Diversifikationspotenzial zu bieten hat. Hingegen liegt die Korrelation zwischen den Alphas einer fundamentalen Strategie, bestehend aus den zehn größten Fonds, und jenen des verbleibenden fundamentalen Universums bei 93 Prozent. Betrachtet man die Alphas der zehn besten Fonds und jene des restlichen ­fundamentalen Universums, liegt die Korrelation sogar bei 95 Prozent (siehe Tabelle „Korrelation der Strategie-Alphas“). In beiden Fällen gibt es praktisch keinen Diversifikations­effekt mehr.

Dass man in sein Portfolio neben einem nach funda­mentalen Kriterien gemanagten Corporate-Bond-Fonds noch einen zweiten oder dritten gleicher Machart aufnimmt, verspricht offensichtlich keinen Diversifikations­effekt. Ähnlich wie in der Aktientangente ist es erfolg­versprechender, einen Stilmix umzusetzen, indem man ­einem Fonds, der einen systematischen Investmentansatz ­verfolgt, den fundamental gemanagten beimischt. Dadurch wird die Abhängigkeit vom jeweiligen Marktzustand in der Corporate-Bond-Portfolio-Tangente deutlich verringert, und gleichzeitig werden auch der Tracking Error und Drawdowns reduziert. Damit einher gehen zudem weniger ­Kreditrisiko durch den geringeren Carry und eine höhere Qualität der Unternehmensanleihen. Für die Praxis ergibt sich daraus, dass Institutionelle Investoren ihr Corporate- Bond-Tangente im Hinblick auf die Korrelationseigen­schaften der einzelnen Fonds eingehend prüfen und gegebenenfalls Reallokationen im Sinne einer Stilverbreiterung vornehmen sollten.

Dr. Kurt Becker

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