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3/2024 | Produkte & Strategien

Hoffnung auf Bodenbildung

Bestandshalter von Gewerbeimmobilien beobachten den Markt und hoffen, dass die schlimmsten Marktbereinigungen inzwischen überwunden sind. Fachleute halten dies – zumindest in einigen Segmenten – für möglich.

Ist das Schlimmste schon vorbei? Das fragen sich viele Investoren in Gewerbeimmobilien. Nach wie vor gibt es eine Lücke zwischen Angebotspreis und Kaufofferte. 
Die Schwierigkeit: Jemand muss den Verlust hinnehmen und in seine Bilanz einbuchen. Einige sehen aber bereits wieder Kaufopportunitäten in einzelnen Segmenten.
Ist das Schlimmste schon vorbei? Das fragen sich viele Investoren in Gewerbeimmobilien. Nach wie vor gibt es eine Lücke zwischen Angebotspreis und Kaufofferte. 
Die Schwierigkeit: Jemand muss den Verlust hinnehmen und in seine Bilanz einbuchen. Einige sehen aber bereits wieder Kaufopportunitäten in einzelnen Segmenten.© GMF

Während Michael Heise, Chef-Volkswirt von HQ-Trust, die Preiskorrektur bei Wohnimmobilien für beendet hält, schätzt er den gewerblichen Immobilienmarkt anders ein: „Hier sind die einzelnen Marktsegmente sehr unterschiedlich. Die abwärts gerichtete Preisanpassung bei Büroimmobilien dürfte sich noch fortsetzen, aber produktions- oder handelsnahe Immobilien werden mit der zu erwartenden konjunkturellen Besserung wieder an Wert gewinnen.“ Auch die Investoren von der ­Lebensversicherungsseite geben sich noch vorsichtig. In ­ihrem „Assekurata-Marktausblick zur Lebensversicherung 2024“ hat die Ratingagentur im April/Mai 2024 unter den Kapitalanlageverantwortlichen der Versicherer nachgefragt: Für Wohnimmobilien rechnen die Investoren bereits mit steigenden Preisen. Bei Industrie und Logistik sehen sie ein eher gleich bleibendes Preisniveau, während die Mehrheit bei Einzelhandel und Büro noch weiter sinkende Preise ­erwartet (siehe Chart).

Ein Indikator für das Marktsentiment sind auch die ­Zu- oder Abflüsse bei offenen Immobilienfonds, denn sie sind überwiegend in Gewerbeimmobilien investiert. Die Fonds sehen sich derzeit mit schwindenden Zuflüssen, teilweise ­sogar mit Mittelabflüssen konfrontiert. Eine aktuelle Scope-Analyse vom 4. Juni berichtet, dass die offenen Immobilienfonds 2023 per Saldo nur 0,5 Milliarden Euro einsammeln konnten. Zum Vergleich: 2022 waren es 4,2 Milliarden Euro, 2019 sogar mehr als zehn Milliarden. Für 2024 erwartet Scope erstmals seit 17 Jahren Nettomittelabflüsse. „Im ersten Quartal 2024 betrugen diese bereits 0,9 Milliarden Euro“, schreibt Scope. Viele Fonds hätten bereits Immobilien zur Schaffung von Liquidität veräußert und zahlreiche bereiteten noch Objektverkäufe vor. Das Analysehaus hat auch die Bewertungen unter die Lupe genommen: „Aufgrund der bereits erfolgten Bewertungsanpassungen sind die Fonds mittlerweile deutlich konservativer bewertet. Zum Bewertungsstichtag beträgt der aus Verkehrswert und Nettosollmiete ermittelte durchschnittliche Vervielfältiger der Fonds über alle Nutzungsarten und Standorte hinweg 20,2 bei ­einer Spannweite von 16,0 bis 27,0“, so die Studie.

Gap zwischen Angebotspreis und Kaufofferte

Es gibt aber auch jene, die bereits erste Anzeichen einer Trendwende sehen. So äußert sich Felix Meyen, Geschäftsführer bei HIH Invest Real Estate: „Bei den Investoren sehen wir nach wie vor große Zurückhaltung. Sie sind sich nicht sicher, ob bereits die Talsohle erreicht ist, und wollen bei den Preisen nicht ins fallende Messer greifen“, erklärt Meyen bei einem Presse-Webinar von Rückerconsult. „Zumindest scheint die Talsohle sehr nah zu sein“, stellt er in Aussicht. Aber auch er sieht für den Büroimmobilienmarkt für das zweite Halbjahr 2024 noch keine große Belebung.

„Ich nehme immer noch eine große Nervosität wahr, gerade bei den großen Fonds“, beobachtet Alexandre Grellier, CEO und Co-Founder der Transaktionsplattform Drooms. „Ich glaube, dass wir bei den Abwertungen im Gewer­be­immobilien­bereich das Schlimmste noch nicht gesehen haben. Es gibt nach wie vor einen deutlichen Gap zwischen Angebotspreis und der Kaufofferte, und irgendwer muss diesen Gap bezahlen.“ Die Nervosität zeige sich auch an der Prüfungstiefe beim Kauf eines Objekts, die heute wesentlich tiefer sei als noch vor zwei Jahren. „Die Due Diligence wird dann gern für Preisverhandlungen genutzt. Entsprechend wichtig ist es, bereits im Vorfeld einer Transaktion eine saubere Datenlage zu haben“, betont Grellier. Immerhin zeigt das leicht gestiegene Transaktionsvolumen einen ersten Silberstreif am ­Horizont des gewerblichen Immobilienmarktes. Colliers verzeichnet hier eine leichte Verbesserung im ersten Halbjahr 2024, wenn auch von einem niedrigen Niveau aus (siehe Chart „Transaktionsvolumen“). Insbesondere bei Industrie und Logistik sowie gemischt genutzten Objekten ist ein leichter Anstieg zu erkennen, bei Bürotransaktionen ist allerdings noch keine Trendwende auszumachen.

Büroimmobilien: Shift to Quality

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) beschreibt in seinem Frühjahrsgutachten für Büro- und Gewerbeimmobilien mittelfristig noch wenig optimistische Aussichten: „Der Working-from-Home-Trend hält an, daher werden die Flächenumsätze im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau abnehmen. Bis 2030 werden wir rund zwölf Prozent weniger Büroflächennutzung sehen“, meinte Tobias Dichtl, Co-Head of Market Intelligence & Foresight, Colliers, bei einem Presse-Webinar im Juli. „Die Mietverträge im Bürosegment laufen im Schnitt zirka sieben Jahre. Daher verlaufen die Änderungen träge. Dazu kommen noch der Refinanzierungsdruck und der Liquiditätsbedarf“, erklärt Dichtl. Aktuell betrage die Leerstandsquote bei Büroimmobilien 6,7 Prozent, was relativ hoch sei. Dichtl ergänzt: „Die Kunden bei den Publikumsfonds, die bis dato eine wichtige Käufergruppe für Büroimmobilien waren, sorgen eher für Netto-Rückflüsse als für Zuflüsse.“ Hoffnungen stützten sich auf die Konjunktur. „Dieses Jahr schwächelt die Konjunktur; nächstes Jahr soll es ein bisschen besser werden, sagen die Prognosen. Aber an die Vor-Corona-Niveaus werden wir wohl nicht anschließen“, dämpft Dichtl allzu hochfliegende Hoffnungen. Er verweist aber darauf, dass die Mietvertragslaufzeiten bei Bürovermietungen in Deutschlands Top-sieben-Städten wieder leicht ­angezogen haben, was als positives Zeichen gilt (siehe Chart „Mietvertragslaufzeiten“). „Mit zunehmendem Leerstand ab 2019 sowie Unsicherheiten während der Pandemie war die durchschnittliche Vertragslaufzeit 2022 von 6,1 Jahren auf 5,7 Jahre gesunken, was einem Rückgang um sieben Prozent gegenüber 2018/2019 entspricht. 2023 ist die Laufzeit in allen Lagekategorien wieder auf durchschnittlich 5,9 Jahre angestiegen und liegt damit leicht über dem Zehnjahresschnitt von 5,8 Jahren. Bei Neubauprojekten lag die durchschnittliche Mietvertragslaufzeit 2023 mit 7,8 Jahren über dem zehnjährigen Mittel von 7,5 Jahren“, zeigt Dichtl einen Anflug von Hoffnung. Entgegen der Erwartung, dass Mieter in wirtschaftlich unsicheren Zeiten mehr Flexibilität in Form von kürzeren Festlaufzeiten anmieten, hat er zwei ­Erklärungen für den neuerlichen Anstieg der Mietvertragslaufzeiten. „Zum einen hat die Krise dazu geführt, dass konjunkturunabhängige Anmietungen der öffentlichen Hand einen relativ höheren Anteil am Vermietungsvolumen ­haben und diese in der Regel langfristige Mietverträge abschließen. Zum anderen haben die Themen ESG und ‚Shift to Quality‘ dazu geführt, dass der relative Anteil an Projekt- und Erstbezugsvermietungen auf Kosten des Bestands zugenommen hat, für die weiterhin eine Festlaufzeit von mindes­tens zehn Jahren der Standard ist“, sagt Dichtl und ergänzt: „Während Neubauprojekte je nach Lage durchschnittliche Laufzeiten von 8,9 bis 10,1 Jahren aufweisen, liegen Bestände mit 5,4 bis 5,5 Jahren bei etwa der Hälfte der Laufzeit.“

Weniger rosig zeigt sich das Bild für Büroimmobilien in B-Lagen und bei Gebäuden, die unter Nachhaltigkeitsaspekten schlecht positioniert sind. Denn hier sehen sich die Bestandshalter neben dem konjunkturellen und dem Homeoffice-Trend auch mit erheblichen Investitionsnotwendigkeiten konfrontiert. „Zwar steigen die Büromieten leicht, aber das Upside bei den Mieten reicht in vielen Fällen nicht, um hohe Investitionskosten zu decken“, sagt Dichtl. Außerdem würden die im Schnitt weiter nach oben laufenden Büromieten (+5?% im Vorjahresvergleich) in erster Linie von den ganz modernen Büroflächen getrieben. „Für Topflächen an 1A-Standorten sind die Unternehmen bereit, entsprechende Mieten zu zahlen. Daher sind die Spitzenmieten weiter im Aufwärtstrend“, so Dichtl. Die Durchschnittsmieten zeigten sich aber weiterhin heterogen.

Für die meisten älteren Büroobjekte sieht Grellier noch Abwertungsbedarf: „Investoren, die in den letzten zwei Jahren gekauft haben, haben viel zu teuer gekauft. Hier muss eine starke Marktkorrektur stattfinden, und zwar am besten solange die Mieter noch drin sind und ein Return on Investment vorhanden ist. Ziehen die Mieter erst einmal aus und geben die Flächen zurück, sieht es düster aus.“ Er gibt jedoch auch einen positiven Ausblick: „Gute Immobilien in sinnvoll angebundenen Lagen lassen sich derzeit gut vermarkten, auch mit halbwegs vernünftigen Faktoren. Wer vor zwei Jahren eingestiegen ist, wird eine Abwertung hinnehmen müssen, aber hier läuft zumindest die Vermietung gut“.“

Obsoleszenzrisiken

Offenbar ist der Büroimmobilienmarkt zweigeteilt: auf der einen Seite die attraktiven, topausgestatteten Objekte in gut angebundenen Lagen und auf der anderen Seite die übrigen Immobilien, die teilweise erhebliche Obsoleszenzrisiken bergen. Mahnendes Beispiel ist der Frankfurter Büroturm Trianon, bei dem der Bürohausbetreiber kürzlich pleiteging. Hauptmieter des Trianon-Turms ist die DekaBank, die angekündigt hat, den Turm nach mehr als 20 Jahren verlassen zu wollen. Ein Nachmieter scheint nicht in Sicht. „Das ist das Problem bei vielen der älteren Bürotürme in Frankfurt. Die Verbrauchsdaten darin sind unterirdisch. Die Sanierung ­eines solchen Turms, damit er halbwegs ESG-konform wird, ist so aufwendig, dass es auf einen negativen Kaufpreis ­hinausläuft“, meint Grellier.

Stillhalteabkommen?

Auch Werner Rohmert zeichnet für solche Türme ein düsteres Bild: „Der Trianon-Turm wurde einmal mit der 30-­fachen Jahresmiete gekauft; jetzt ist er vielleicht noch das 20-Fache wert. ESG-technisch wurde daran leider nichts gemacht“, beobachtet der Immobilienjournalist und Consultant. Die Lage sei verzwickt: „Es gibt vermutlich hunderte von Stillhalteabkommen zwischen Banken und Unternehmen. Wenn wir jetzt sagen: Der Markt ist unten, dann wird die Abwertung in den Bilanzen festgezurrt. Dann folgt der Büroimmobilienmarktkrise eine Unternehmenskrise, und zwar sofort“, befürchtet Rohmert einen Dominoeffekt.

Für sein Haus kämen solche verzögerten Neubewertungen nicht infrage, sagt Jörg Quentin, Bereichsleiter Property Analysis bei der Deutschen Pfandbriefbank AG (pbb). Deren Kerngeschäft ist die gewerbliche Immobilienfinanzierung, mit Immobilienkrediten ab 15 Millionen Euro. „Wir sind im regelmäßigen Austausch mit der Aufsicht, denn sie prüft unsere Kreditportfolios. Wir nehmen marktbedingte Wertkorrekturen in unseren Portfolios schnell vor, dazu gibt es für Banken einen klaren gesetzlichen Rahmen. Der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VDP) hat für 2023 kommuniziert, dass der Büromarkt in Deutschland insgesamt um 17 Prozent abgewertet hat. Wir hatten bei uns im Portfolio im Lauf des Jahres Ähnliches antizipiert. Allein aufgrund gesetzlicher Vorgaben können wir nicht sagen: Wir warten, bis der Markt sich wieder gefunden hat“, sagt Quentin. Pfandbriefbanken müssten ihre Immobilien mindestens einmal jährlich anschauen und mindestens alle drei Jahre neu bewerten. „Wenn es Preisbewegungen über zehn Prozent gibt, müssen wir uns die Bewertungen öfter anschauen. Das Gleiche gilt für alle Banken, die der Capital Requirements Regulation (CRR) unterliegen“, so Quentin, „Die Folge ist, dass die Banken dann mehr Eigenkapital benötigen, wenn die Bewertungen nach unten gehen.“

Aus unterschiedlichen Gründen seien Neufinanzierungen aktuell rar, sei es aufgrund des angepassten Marktumfelds, höherer Eigenkapitalanforderungen oder selektiver agierender Banken. Der größte Teil der Finanzierungen sind aktuell Anschlussfinanzierungen. „Hier sind die Zinsen jetzt natürlich höher als zuvor. Manche Kunden müssen Sondertilgungen vornehmen, damit sich das Ganze auch für sie noch rechnet“, so Quentin. „Bei vielen Objekten stehen zudem CapEx-Maßnahmen an, um die Immobilie auf Vordermann zu bringen, insbesondere was ESG-Standards betrifft.“

Büro: Arbeiten im Bestand

Im Bestand muss also etwas getan werden. „Es gibt Value-Add-Investoren, die kaufen wollen, aber die bieten sehr niedrige Preise. Die kalkulieren alle Kosten mit ein, möchten dann einen tüchtigen Preisabschlag. Wenn jemand die Liquidität hat, sollte er lieber versuchen, das Refurbishment selbst zu machen, zumindest in Innenstadtlagen“, rät Quentin. Weiter draußen müsse man sich etwas einfallen lassen. „Da gibt es Büroflächen, die den aktuellen Ansprüchen nicht mehr genügen, für die eigentlich nur eine Umnutzung in Frage kommt. Wir finanzieren gerade ein Objekt in Berlin, wo Büro in ein Long-Stay-Konzept transformiert wird. Das kostet zwar, aber funktioniert am richtigen Standort.“ Bekannt sei auch das Hochhaus am Park in Frankfurt am Main. „Das war mal Büro, und jetzt werden Eigentumswohnungen und ein Hotel daraus gemacht, weil die Lage es hergibt“, so Quentin, warnt aber: „Eine solche Umwidmung bleibt allerdings erfahrenen Marktakteuren vorbehalten!“

Auch Johannes Seidl, Geschäftsführer beim Real Asset und Investment Manager Wealthcap, konzentriert sich auf den Bestand. „Jetzt schlägt die Stunde des aktiven Bestandsgeschäfts. Wir modernisieren und steigern so unser Miet­potenzial. Und wenn es sich nicht in der Miete auszahlt, dann zumindest beim Exit“, so Seidl. Bei Wealthcap betrachte man jedes Objekt einzeln. „Wir analysieren etwa, ob eine PV-Anlage Sinn macht. Eine intelligente Gebäudesteuerung? Der Austausch von Fenstern oder eher eine Fassadendämmung?“ Seidl glaubt, dass der Bestand von der aktuellen Marktsituation profitieren wird. „Ab 2026 kommt nicht mehr viel neue Fläche auf den Markt, weil die Neubau-Pipeline dünn wird. Dann werden Objekte in guten Lagen wieder zum Tragen kommen.“ Leichter würde es, wenn der ESG-Druck nachließe, meint Grellier, „aber dieser Zug ist einfach am Rollen. Es sei denn, die Amerikaner sagen, wir beenden die Nachhaltigkeitsregulierung, oder sie strecken sie zumindest zeitlich“, überlegt Grellier. In Europa hält er diese Möglichkeit allerdings nicht für realistisch: „Wenn Sie in Deutschland ein Objekt haben, das nicht sehr hohe Nachhaltigkeitsansprüche erfüllt, ist es schwer, damit in die Neuvermietung zu gehen. Frankreich geht sogar noch einen Schritt weiter: Hier dürfen Sie nicht vermieten, wenn Sie nicht ESG-konform saniert haben; das Gesetz untersagt es Ihnen“, macht Grellier deutlich, wie tief verankert die ESG-Gesetzgebung in Europa ist.

Moritz Kraneis vom inhabergeführten Wohnungsunternehmen Deutsche Zinshaus ist bereits auf der Käuferseite. „Im Value-Add-Segment ist es sehr kompliziert, eine Transaktion unter Dach und Fach zu bringen. Dafür sind aber die Kaufpreise schon sehr weit runtergekommen. Büro wurde am härtesten abgestraft, aber ich glaube, wir haben noch ein Stück in diesem Marktsegment zu gehen, was Preiskorrekturen betrifft. Vermutlich müssen wir nicht ganz so weit ­gehen wie in den USA. Dort ist es derzeit fast unmöglich, Büro zu finanzieren. Goldman Sachs hat dort kürzlich in St. Louis für drei Prozent des ursprünglichen Werts gekauft. Ich hoffe, dass es bei uns nicht so schlimm wird!“

Liquidität ist Trumpf

Er weiß, dass man als Bestandshalter oder Käufer von Büroimmobilien strategisch vorgehen muss. „Wir kaufen Büro derzeit nur mit kommunalen Nutzern oder mit Unternehmen, von denen wir wissen, dass sie nicht pleitegehen können.“ Kraneis nennt seine Preisvorstellungen: „Retaillastige Immobilien kaufen wir derzeit für das Acht- bis Elffache an, das geht allerdings nicht in A-Städten. Noch weiter unten sind Büroimmobilien; hier gehen wir in B- und C-Städte, denn dort finden derzeit überhaupt keine Bauaktivitäten statt.“ Büroimmobilien würde er also lieber in Aschaffenburg kaufen als in Frankfurt. „In Frankfurt zahlt jemand dem Mieter den Umzug, dann ist er weg.“ Entsprechend hoch sei der Preisdruck bei Büros. „In C-Städten zahlen wir aktuell maximal das 11-Fache, in B-Städten bis zum 14-Fachen, und selbst in A-Städten gehen wir in der aktuellen Marktlage nicht über das 16-Fache hinaus. Das Ganze jeweils in einem guten Zustand – sonst zahlen wir weniger“, verdeutlicht Kraneis die Preisspanne.

Die Frage, was Bestandshalter tun könnten, beantwortet Grellier daher so: „Sie sollten sehen, dass sie ihre Liquidität halten, um in ihren Beständen zu arbeiten und die Objekte weiterzuentwickeln. Und im Fall von Verkäufen funktionieren womöglich gute Package Deals, wo gute mit weniger guten Immobilien gemischt werden.“ Er verweist darauf, dass viele Bestandshalter von den Mieteinnahmen leben. „Hier sollte man sehen, dass es mit den Mietern gut funktioniert“, meint Grellier. Auch Kraneis hat Tipps für Bestandshalter: „Wer niedrig finanziert und noch Mietsteigerungspotenzial hat, sollte sein Mietsteigerungswachstum realisieren, indem er ESG-light saniert“, so Kraneis. Wer aber unbedingt Liquidität brauche, um sein Portfolio zu retten, müsse vielleicht etwas verkaufen, um es in Summe zu verbessern. „Börsennotierte Wohnungsgesellschaften verkaufen permanent, um ihre Liquidität hoch zu halten, aber auch, um ihre Anleihen zurückzuführen“, erläutert Kraneis. Liquidität sei eben das A und O in der aktuellen Marktsituation. „Wir sehen uns derzeit auch illiquide geschlossene Fondsthemen an. Da können wir aktuell zu attraktiven Abschlägen von mehr als 15 Prozent etwas kaufen“, meint Kraneis.

Er ist nicht der einzige Opportunist, der selektiv bereits interessante Einstiegskonditionen sieht. „Viele institutionelle ­Investoren in Europa haben jetzt auch andere attraktive ­Anlageklassen, die ihnen obendrein regulatorische Vorteile bringen. Bei Gewerbeimmobilien sehen wir jetzt Family ­Offices, die sich als erste Käufer vorwagen. Die haben weniger mit Regulatorik zu tun, wollen aber attraktive Preise ­sehen. Es gibt auch Investitionschancen in Infrastruktur und Real Assets, insbesondere im Bereich erneuerbare Energien. Auch Investoren aus dem arabischen Raum wollen teilweise wieder investieren, aber auch die können rechnen. Irgend­jemand muss den Preis-Cut hinnehmen“, spricht Grellier aus, was viele wissen, sich aber nicht eingestehen wollen, schon gar nicht für das eigene Portfolio.

Kraneis macht ebenfalls schon Opportunisten aus: „Es gibt Investoren, die stark auf Zyklen gehen. Die merken, dass das Preisniveau jetzt langsam wieder interessant wird. Den absoluten Tiefpunkt erreichen Sie nie, aber die fangen jetzt an zu kaufen, weil sie die Phase der günstigen Preise nicht verpassen wollen. Wir bereiten einen Fonds vor, der nach den Sommerferien startet. Das Zielvolumen sind 250 Millionen Euro, und das Eigenkapital ist bereits eingesammelt“, sagt Kraneis. Pensionskassen und Versorgungswerke sieht er noch nicht so aktiv auf dem Spielfeld. „Aber Versicherungen und Banken und natürlich Family Offices mit ihren kurzen Entscheidungswegen überlegen schon wieder: Wo investiere ich langfristig?“, beobachtet Kraneis.

Schlaues Geld ist gefragt

Zusammenfassend lässt sich feststellen: Wer heute am Office-Markt unterwegs ist, muss sich auskennen, denn es gibt noch zahlreiche Überschriften „Die Büro-Immobilie ist tot“. Das verunsichert diejenigen Investoren, die sich weniger gut mit Immobilien auskennen. Erfahrene Immobilieninvestoren sind bereits wieder unterwegs und können jetzt relativ ­günstig einsteigen.

Anke Dembowski

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