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2/2024 | Produkte & Strategien

Erneuerbar gegen Inflation

Vier Billionen Dollar jährlich – diesen Betrag erachtet die International Energy ­Agency als notwendig, um die Weltwirtschaft auf Net Zero zu trimmen. Als wäre das nicht genug Potenzial, bietet erneuerbare Infrastruktur langfristig Inflationsschutz.

Investitionen in Energieinfrastruktur – und insbesondere im Segment der Erneuerbaren – bieten aufgrund gesunkener Kosten, wegen des politischen Willens und nicht zuletzt des inhärenten Inflationsschutzes sowohl eine Risikoabsicherung der Portfolios als auch langfristiges Ertragspotenzial. 
Investitionen in Energieinfrastruktur – und insbesondere im Segment der Erneuerbaren – bieten aufgrund gesunkener Kosten, wegen des politischen Willens und nicht zuletzt des inhärenten Inflationsschutzes sowohl eine Risikoabsicherung der Portfolios als auch langfristiges Ertragspotenzial. © Adin | stock.adobe.com | generiert mit KI

Nicht gelistete Infrastrukturinvestments decken ­eine breite Palette von Investorenbedürfnissen ab. Sie sind im Idealfall wenig zu Aktienmärkten korreliert, erfüllen also Diversifikationsanforderungen und glätten Erträge ebenso wie die Volatilität. Die Kehrseite sind der oft nicht unkomplizierte Marktzugang sowie die Risiken, die mit langfristigen geschlossenen Investitionen in puncto Zahlungsausfall verbunden sind. Einen Schritt ­weiter in ihrer Spezialisierung können Investoren bei einem ­Engagement in den Bereich der Energietransition gehen. Dafür sprechen nicht zuletzt Mittel- und Langfristszenarien, die auf dem ­Institutional Money Kongress skizziert wurden.

So beschrieb Mark Gilligan, Head of Infrastructure bei AXA IM Alts, die ertragstechnischen Perspektiven des ­Sektors, wobei er seinen Vortrag unter den Subtitel „Has the Future Arrived?“ stellte. Eine rhetorische Frage, die er in feinster Spoiler-Qualität und im selben Atemzug mit „Ja“ beantwortete. Gilligan packte die Thematik dabei sowohl von der Kosten- als auch von der Ertragsseite an.

Fantastischer Kostensturz

„Es herrscht immer wieder der Irrglaube vor, dass fossile Energie kostengünstiger ist als erneuerbare. Dass das inzwischen falsch ist, stellt eine fantastische Neuigkeit dar“, so der AXA-Manager. Gilligan verweist auf die Entwicklung von Energieträgerkosten während der vergangenen vier Jahrzehnte (siehe Chart „In der unteren Bandbreite“) und lässt dabei die Trends der Erneuerbaren gegen einen Preiskorridor für fossile Energieträger laufen – das Ergebnis ist vor allem beim Thema Solarenergie relativ eindrücklich.

Waren die Kosten einer solar gewonnenen Kilowatt­stunde noch bis vor 15 Jahren „off the charts“, so haben sich diese bei Strom aus „Concentrated Solar Power (CSP)“ – ­also großflächig angelegte solarthermische Anlagen – bereits in der oberen Hälfte des Kostenbandes für fossile Energieträger eingependelt. Onshore-Windkraft ist generell gesehen sogar kostengünstiger als fossile Energie. Bis auf CSP befinden sich alle aufgelisteten Erneuerbaren in der unteren Kostenbandbreite fossiler Energieträger.

Wachstumspotenzial

Aus Sicht von Gilligan „hat der Investment Case in die Infrastruktur erneuerbarer Energien aber nicht nur von der Kosten-, sondern auch von der potenziellen Ertragsseite ­Bestand“. Der AXA-Manager verweist in diesem Zusam­menhang auf Daten der International Renewable Energy Agency (IREA), in deren Rahmen die weltweiten Installa­tionskapazitäten der vergangenen 20 Jahre ausgewiesen werden (siehe Chart „Steigender Bedarf an Energieinfrastruktur“). Diese Daten weisen nicht nur auf eine Verdoppelung der Kapazitäten hin, sondern auch auf eine Verfünffachung des Anteils erneuerbarer Energien am gesamten Energiemix.

Um diese Zahlen in harte Dollar-Beträge zu gießen, ­verweist Gilligan auf ein Statement der IREA aus dem ­laufenden Jahr: „Um bis 2050 eine globale Net-Zero-Wirtschaft aufzubauen, müssen die Investitionen in Erneuerbare auf 4,0 Billionen Dollar pro Jahr steigen und dieses Niveau für 20 Jahre halten.“ Laut Daten der IREA ­lagen diese In­vestments im Jahr 2023 jedoch erst bei rund 1,75 Billionen Dollar.

Neben den fundamentalen Makro-Rahmenbedingungen spricht ein weiterer Faktor für Investments in Energieinfrastruktur – ein Faktor, der für einige Jahre tot geglaubt war, mit den bekannten gesellschafts- und geopolitischen Ver­werfungen aber eine unerwünschte Wiederauferstehung ­gefeiert hat: die hohe Inflation. Laut Energy Infrastructure Partners (EIP) bieten „Investments in Energieplattformen aber ­sowohl Resilienz gegen Inflation als auch Rendite­potenzial“, wie es Tobias Griesshaber im Rahmen seines Kongressvortrags formulierte.

Inflation als Investment Case

Demnach haben die vergangenen Jahre „eine der stärksten Inflationsepisoden seit Jahrzehnten gebracht“. Diese Entwicklungen „lassen Investoren naturgemäß ihre Portfoliokonstruktion überdenken und sie darüber nachdenken, wie sie sich schützen können. In den letzten Jahrzehnten haben ­viele auf Infrastrukturinvestitionen gesetzt – oft auf Realvermögenswerte mit monopolistischer Wirtschaftlichkeit und operativem Geschäftsmodell –, um die Diversifizierung zu erhöhen und ein defensives Element in ihr Portfolio aufzunehmen“, so Griesshaber. Nun scheint aber laut Forschung von Energy Infrastructure Partners die Infrastrukturanlageklasse auch während Inflationszyklen einen sicheren Hafen zu bieten. Infrastrukturanlagen für Energie erweisen sich insbesondere dann als besonders leistungsfähig, wenn ihnen Zeit gegeben wird, sich an Preissteigerungen anzupassen ­(siehe Chart „Inflationsszenarien“). Laut Griesshaber „übertreffen private Infrastrukturanlagen, insbesondere private Energieinfrastrukturanlagen, während Inflationsepisoden börsennotierte Aktien. Je stärker die Inflation wird, desto stärker wird auch der Inflationsschutz, den diese Vermögenswerte bieten. Während Phasen hoher Inflation können Infrastrukturanlagen ihre Renditen nicht nur stärker als andere Aktien steigern, sondern dies auch mit geringerer Volatilität.“ Somit würden derartige Investments laut EIP also das Risikoprofil des Portfolios reduzieren. Das geht zumindest aus dem White Paper „Powering through:?Energy infrastructure assets across inflationary cycles“ hervor, das bis zu einem gewissen Grad als Grundlage für den Kongress-Workshop diente.

Sektorale Diversifikation

„Von Flughäfen bis zu Krankenhäusern und von Rechenzentren bis zu Kraftwerken umfasst die Infrastrukturanlage­klasse eine Vielzahl von Sektoren. Bei der Umsetzung dieser Infrastrukturanlagen in Unternehmen kommen unterschiedliche Geschäftsmodelle zum Tragen, was eine wahrhaft diverse Anlageklasse schafft, in der nicht alle Sektoren gleich sind“, erklärt Griesshaber. Der Unterschied zwischen den zugrunde liegenden Geschäftsmodellen erklärt demzufolge die Fähigkeit der jeweiligen Sektoren, ihr Geschäfts­modell vor steigenden Kosten zu schützen und andere sekundäre Inflationsbedrohungen wie eine nachlassende Nachfrage zu kompensieren. Den EIP-Forschungsergebnissen zufolge können Energieinfrastrukturanlagen wie erneuerbare Erzeugungsanlagen sowie Pipelines und Speicherinfrastruktur für Moleküle die Auswirkungen der Inflation besser verkraften als andere Sektoren. Dieser Effekt wird bei Betrachtung mit zeitlicher Verzögerung noch deutlicher (siehe Chart „Geduldige Investoren lukrieren höchsten Inflationsschutz“).

Im Gegensatz zu einem Vermögenswert wie Gold, dessen Knappheit einen Inflationsschutz schafft, der weitgehend von seinem realen Nutzen abgekoppelt ist und daher hauptsächlich psychologischer Natur ist, bieten diese Geschäftsmodelle greifbare Instrumente zur Erzielung von Einkünften, die in inflationären Umfeldern funktionieren – so das EIP-Argument, an dem Wohl auch Warren Buffett Gefallen fände, meint dieser doch: „Gold sitzt einfach nur herum.“

Um die Fähigkeit der Energieinfrastruktur, Inflation durchzureichen, besser darzustellen, präsentieren die Autoren der Studie drei Beispiele aus dem Portfolio von Energy Infrastructure Partners: Swissgrid, den schweizerischen Übertragungsnetzbetreiber; Boralex France, eine Onshore-Wind- und Solarplattform; und Fluxys, einen Betreiber von Flüssigerdgas-Terminals, Gaspipelines und Gasspeichern.

Case 1: Das Stromübertragungsnetz …

Swissgrid besitzt und betreibt das Schweizer Hochspannungsübertragungsnetz. Es handelt sich um ein stark reguliertes Vermögen, das von stabilen regulierten Erträgen und Cashflows profitiert. Als Übertragungsnetzbetreiber ist ­Swissgrid für den diskriminierungsfreien, zuverlässigen und effizienten Betrieb des nationalen Netzes sowie dessen ­nachhaltige und effiziente Instandhaltung verantwortlich. Es operiert in einem natürlichen Monopol, das nach Schweizer Recht reguliert ist.

… und sein Inflationsschutzmechanismus

Die Erträge von Swissgrid basieren auf einem Mechanismus der gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC). Dieser wird von den Schweizer Gesetzgebern und der ­nationalen Regulierungsbehörde festgelegt und bietet eine stabile Kapitalrendite unabhängig vom Geschäftserfolg. Dieses Modell ermöglicht es Swissgrid, das Stromnetz des Landes zu betreiben, zu warten sowie grenzüberschreitende Stromflüsse zu ermöglichen.

Swissgrid kann alle Kosten im Zusammenhang mit den regulierten Aktivitäten an die Kunden, hauptsächlich Stromversorger und Verteilnetzbetreiber, weitergeben. Die Kostenschätzungen werden jährlich erstellt, um die Netzentgelte für das Folgejahr zu bestimmen. Wenn Kostensteigerungen in einem einzelnen Jahr aufgrund unerwarteter Inflation nicht genau prognostiziert werden, kann Swissgrid diese ­Abweichungen durch Anpassungen der Tarifsätze in den Folgejahren ausgleichen. Die Erlöse von Swissgrid sind ­daher langfristig vollständig vor den Auswirkungen der ­Inflation geschützt.

Case 2: Die Wind- und Solarstromplattform …

Boralex France ist der größte private Akteur in der französischen Onshore-Windenergie und betreibt rund 70 Windparks in Frankreich mit einer installierten Kapazität von ­etwa 1,3 Gigawatt und einer starken Entwicklungspipeline. Dieser Erzeugungsbestand umfasst auch eine kleine Zahl von Solarstromanlagen im Süden Frankreichs.

… und ihr Inflationsschutzmechanismus

Boralex France profitiert von einer Reihe von Mechanismen, die sowohl bestehende Projekte als auch eine Entwicklungspipeline umfassen. Der Großteil seiner Erzeugungsstandorte arbeitet unter Frankreichs Einspeisevergütung, einer für 20 Jahre nach Inbetriebnahme eines Standorts garantierten Festpreisregelung, von der 30 Prozent direkt an die Inflation gekoppelt sind. Nach Ablauf des Einspeisevergütungsvertrags wechselt das Geschäftsmodell zu einem marktbasierten Modell, das es den Erlösen ermöglicht, sich natürlich mit der Inflation zu entwickeln. Im Kontext der Entwicklungspipeline von Boralex France kann das Unternehmen eine Einspeisevergütung basierend auf seinen Baukosten einschließlich der erforderlichen Kapitalrendite beantragen, um jedes Projekt mit einem Sicherheitspolster profitabel zu machen.

Case 3: Der Gastransport und -speicher …

Fluxys ist einer der führenden europäischen Betreiber von Gastransport- und Gasspeicheranlagen mit einem Pipelinenetz von 24.000 Kilometern. Das Unternehmen betreibt auch vier Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) mit einer Gesamtregasifizierungskapazität von 380 Terawattstunden. Fluxys ist in diesen verschiedenen Technologien, aber auch in unterschiedlichen Rechtsordnungen mit verschiedenen Geschäftsmodellen tätig. Daher greifen diverse Arten von ­Inflationsschutzmechanismen, die letztendlich das Risiko auf Konzernebene mindern.

… und sein Inflationsschutzmechanismus

Frachtführer, die Kapazitäten am LNG-Importterminal von Fluxys in Dünkirchen nutzen, schließen Verträge ab, die eine direkte Kopplung an die Inflation beinhalten. Die Kapazitätsabnehmer tragen die Betriebskosten der Terminals, die Fluxys vollständig weitergeben kann. Diese beiden Merk­male bieten einen optimalen Inflationsschutz.

In Belgien und Deutschland, wo Fluxys Gastransportleitungen betreibt, erwirtschaftet das Unternehmen eine regulierte Rendite. In Belgien legen die Behörden die Rendite anhand eines Durchschnitts der Renditekurve für staatliche Anleihen fest, wodurch Inflationseffekte sofort weitergegeben werden. In Deutschland nutzen die Regulierer einen gleitenden Durchschnitt, sodass die Inflation mit zeitlicher Verzögerung durchgereicht wird.

Im Fazit schreiben die Autoren der EIP-Studie, dass „diese erst seit etwa zwei Jahrzehnten untersuchte Anlageklasse ­einen ihrer ersten echten Belastungstests während der jüngsten Inflationsepisode bestanden hat. Da Inflation fast immer in Wellen auftritt – welche Widerstandsfähigkeit können wir dann bei künftigen Episoden erwarten? Wenn wir auf 100 Jahre Performanceinformationen traditioneller Anlageklassen zurückblicken, haben Rohstoffe wie Öl und Gas – also klassische Energiequellen – den besten Inflationsschutz ­gezeigt. Als einziger Infrastruktursektor mit direktem Bezug zu Rohstoffen sind Energieinfrastrukturanlagen positioniert, diesen Trend auch im Zeitalter der Dekarbonisierung fortzusetzen.“

Hans Weitmayr

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