Logo von Institutional Money
2/2024 | Nachrichten & Köpfe

Potenziale und Grenzen

Passive Strategien im Rentenbereich laufen jenen im Aktienmarkt hinterher. ­Warum da so ist und wo die Grenzen passiven Investierens am Rentenmarkt liegen könnten, untersucht S&P Dow Jones.

Der Wunsch, auch im Rentenmarkt passiv zu investieren, ist noch nicht so ausgeprägt wie auf der Aktienseite, nichtsdestotrotz läuft auch im festverzinslichen Bereich der Trend klar in diese Richtung. 
Der Wunsch, auch im Rentenmarkt passiv zu investieren, ist noch nicht so ausgeprägt wie auf der Aktienseite, nichtsdestotrotz läuft auch im festverzinslichen Bereich der Trend klar in diese Richtung. © Nomad_Soul | stock.adobe.com | generiert mit KI

Der Erfolg von Indexfonds im Aktienbereich stößt zwar hin und wieder auf eine Welle professioneller Skepsis, dennoch erfreut sich das Konzept großer Beliebtheit. Eine ähnliche Revolution könnte auf den Anleihenmärkten stattfinden, wo passives Investieren offenbar den Weg einschlägt, den die Aktienmärkte etwa ein Jahrzehnt zuvor geebnet haben. Eine Reihe praktischer und theoretischer Argumente unterscheiden das Potenzial der ­Indexierung in den größeren und granulareren Rentenmärkten. Auch die Wahl zwischen aktiven und passiven ­Engagements ist auf den Rentenmärkten relativ neu, was teilweise auf die historische Knappheit bekannter Rentenbenchmarks und die praktische Schwierigkeit, diese replizieren zu können, zurückzuführen ist.

Wachstum der Indexierung bei Anleihen

„Es ist schwierig, das aggregierte Ausmaß des passiven Investierens in einem bestimmten Markt abzuschätzen – nicht zuletzt, weil nicht alle Marktteilnehmer ihre Anlagestrategie angeben“, weiß Tim Edwards, Managing Director Index Investment Strategy bei S&P Dow Jones Indices, zu berichten. „Die Daten zu einer bestimmten Untergruppe passiver ­Anlageinstrumente – nämlich globale Investmentfonds und Exchange Traded Funds (ETFs) – sind relativ einfach zu erhalten und bieten möglicherweise repräsentative Statistiken.“ Basierend auf dieser Stichprobe vergleicht die Grafik „Trends in den Assets passiver Fonds und ETFs“ zwei Messgrößen für die Akzeptanz passiver Investments bei Aktien und festverzinslichen Wertpapieren. Einmal wird seit Ende 2010 die Entwicklung des Prozentsatzes, den passive Aktien- und Rentenfondsanlagen am globalen Fondsuniversum ausmachen, untersucht, das andere Mal der Prozentsatz, den diese passiven Fonds- und ETF-Anlagen am gesamten weltweiten Anlagemarkt einnehmen. Dabei stellt sich heraus, dass die Einführung von Indexfonds bei festverzinslichen Wertpapieren hinter der bei Aktien zurückbleibt. „Dies liegt zum Teil daran, dass ihre Geschichte später begann: Die ersten Aktienindexfonds wurden in den frühen 1970er-Jahren gegründet, der erste passive Rentenfonds wurde jedoch erst 1986 eingeführt. Eine ähnliche Verzögerung von fast einem Jahrzehnt liegt zwischen der Einführung der ersten ETFs, die die ­Aktienmärkte abbilden, Anfang der 1990er-Jahre und der Einführung der ersten Renten-ETFs im Jahr 2002“, gibt Anu R. Ganti, CFA Senior Director Index Investment Strategy bei S&P Dow Jones Indices, zu bedenken. Aber man kann feststellen, dass sich die Anfänge der Rentenindexfonds trotz ­ihres späteren Starts in moderatem Tempo über die größten und liquidesten Anleihenmärkte hinaus ausgeweitet haben. Zu diesen ersten Anleihen-ETFs gehörten neben US-Staatsanleihen auch ein Indexfonds, der Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating abbildet. Nur fünf Jahre später, im Jahr 2007, kam ein High-Yield-Äquivalent auf den Markt. Auf der anderen Seite des Atlantiks wurden erstmals 2003 und 2010 auf Euro lautende analoge Produkte eingeführt. Noch interessanter ist, dass die Grafik auch darauf hinweist, dass sich die Rentenmärkte in einem Gesamttrend befinden, der dem der Aktienmärkte von vor einem ein oder zwei Jahrzehnten ähnelt, die Wachstumsrate jedoch um gut eineinhalb Prozentpunkte jährlich höher ausfällt. Ob die passiven Rentenprodukte weiterhin aufholen werden, hängt nicht zuletzt vom Verhalten institutioneller Investoren ab.

Warum später?

Rentenindexfonds kamen sowohl aus praktischen als auch theoretischen Gründen später auf. In der Praxis war und ist es schwieriger, einen Anleihen- als einen Aktienindex nachzubilden. Ein einfacher Grund dafür, dass Anleihenindexfonds später eingeführt wurden, ist, dass jeder Indexfonds ­einen Index benötigt und die ersten Anleihenindizes fast ein Jahrhundert nach den ersten Aktienindizes eingeführt wurden. Der 1957 in seiner heutigen Form gestartete S&P 500 Index war bereits gut etabliert, als 1973 zum ersten Mal ein Fonds ins Leben gerufen wurde, um ihn zu tracken. Umgekehrt wurden die ersten Anleihenindizes im selben Jahr 1973 von den Investmentbanken Salomon Brothers und Kuhn, Loeb & Co. erstellt.

Aktienindizes wie der Dow Industrial Average und der S&P 500 profitierten nicht nur von einer längeren Geschichte, sondern waren auch traditionell Eigentum von Medien und Verlagen; ihre Konstruktionsmethode und ihre Charakteristika waren allgemein zugänglich. Im Gegensatz dazu wurden die ersten Benchmarks für festverzinsliche Wertpapiere von Brokerhäusern verwaltet, die den Teilnehmern am Anleihenmarkt die Handelsaktivitäten erleichtern wollten. Das hat sich in den letzten Jahren geändert, ins­besondere mit der Übertragung der ursprünglichen Kuhn-Loeb-Indizes an den Finanzdatenanbieter Bloomberg (über Lehman Brothers und Barclays Capital) und der Aufnahme der iBoxx-Reihe in die Indexserie von S&P Dow Jones Indices (S&P DJI) nach der Fusion von IHS Markit mit S&P Global. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass der Übergang der Benchmarks von Handelsplattformen zu Finanzdatenanbietern mit einer Vergrößerung des Spektrums allgemein verfügbarer Indizes und der passiven Vehikel, die diese nachbilden, einherging.

Hohe Granularität

Doch allein die Erstellung eines Index bedeutet nicht, dass es einfach ist, ein Portfolio aufzubauen, das ihn nachbildet. Im Vergleich zu nur einem halben Tausend Aktien enthält der S&P DJI Index der Unternehmensanleihen, die von den im S&P 500 vertretenen Unternehmen ausgegeben werden, über 6.000 verschiedene Wertpapiere. Die 100 größten ­Aktien machen drei Fünftel der gesamten US-Aktienmarktkapitalisierung aus, während die 100 größten US-Treasury-Emissionen weniger als die Hälfte des iBoxx U.S. Treasuries Index einnehmen, und die 100 größten Emissionen von ­Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-(IG)-Rating machen gar nur sechs Prozent des iBoxx $ Investment ­Grade Corporate Bond Index aus. Die Grafik „Rentenbenchmarks sind breiter und weniger konzentriert“ illustriert diese Granularität für ausgewählte breite und handelbare Rentenindizes in Euro. Zu Vergleichszwecken werden ausgewählte Aktienindizes, die viel konzentrierter sind, einbezogen. Ein sehr ähnliches Bild ergibt sich für die USA.

Weitere Faktoren verstärken die Herausforderung der ­Replikation von Rentenbenchmarks. Die Kosten für den Kauf einer Anleihe sind normalerweise viel höher als im ­Fall einer Aktie, was bedeutet, dass die Mindestkosten für den Aufbau einer Position in jedem Rentenpapier höher sind. Zusätzlich zur Komplexität erfordert das Index-Tracking bei Anleihenportfolios in der Regel mehr Pflege und damit mehr Portfolioumschlag, denn fast alle Anleihen werden einmal fällig (ausgenommen sind Perpetuals), und einige Anleihen erleiden einen Ausfall. Dazu kommen noch ­Ratingveränderungen, die Anleihen aus ihrer Investment-Grade- in eine High-Yield-Kategorie absteigen lassen (Fallen Angels), oder sie werden von Junk auf IG hinaufgestuft ­(Rising Stars). In der Zwischenzeit werden oft neue An­leihen aus­gegeben. Quantitativ gesehen könnte der erforderliche Handelsumfang zehnmal so hoch sein wie bei Aktien. Beispielsweise verzeichnete der größte Indexfonds für den gesamten US-Aktienmarkt im Geschäftsjahr 2023 einen Umsatz von drei Prozent des Nettoinventarwerts, während der größte ­Indexfonds für den gesamten US-Rentenmarkt einen ­Umsatz von 40 Prozent aufwies, wie Vanguard mit­teilte.

All dies bedeutet, dass es in der Praxis deutlich schwieriger ist, ein breit angelegtes, indexnachbildendes Anleihenport­folio aufzubauen und zu verwalten. Daher ist Sampling an der Tagesordnung, wo von einer 1:1-Nachbildung abgegangen und ein kleineres Portfolio mit dem Ziel umgesetzt wird, Merkmale und Risikofaktoren des breiten Universums nachzubilden. Die Skills sowie die technischen Compu­terwerkzeuge dafür waren bei der Einführung der ersten ­Aktienindexfonds in den frühen 1970er-Jahren weitgehend unerschwinglich teuer oder nicht verfügbar, um effektiv Rentenindizes abbilden zu können.

Feine Unterschiede

Der Vergleich von Indizes mit aktiven Renditen hat bei ­Aktien eine lange Tradition. Daten aus fast einen Jahrhundert deuten darauf hin, dass es auf lange Sicht schwierig ist, ­Aktienbenchmarks zu schlagen. Eine weitere fast ebenso alte Tradition besagt, dass Anleihen anders sind: Sie eignen sich eher für ein aktives Management. Einige der Argumente sind aus den Aktienmärkten bekannt: Benchmarks können konzentriert werden; aktive Manager können Wertpapiere außerhalb des Benchmark-Universums halten; aktive Manager können das Risiko zum richtigen Zeitpunkt reduzieren und die Partizipation an Blasen vermeiden. Es gibt jedoch auch Merkmale festverzinslicher Wertpapiere, die tatsächlich für ein aktives Management von Anleihen sprechen. Dazu zählen a) die vermeintlichen Gefahren der Kapitalisierungsgewichtung in Anleihen, b) der Einfluss der Umschlagshäufigkeit auf die „Arithmetik des aktiven Managements“, c) die verlockende Präsenz nicht an Gewinnmaximierung interessierter Marktteilnehmer und d) die negative Schiefe und das Outperformancepotenzial konzentrierter Credit-Portfolios.

Marktkapitalisierungsgewichtung

Per Definition bedeutet sie bei Anleihenindizes, dass man das größte Engagement bei den am höchsten verschuldeten Unternehmen hält, was auf den ersten Blick abartig erscheint. Die Experten von S&P DJI sehen dies jedoch differenzierter: „Es ist wichtig, Größe nicht mit Kreditwürdigkeit zu verwechseln. Der größte Schuldenemittent der Welt ist die US-Regierung. Die nächstgrößten Emittenten sind souveräne Staaten mit entsprechend großen Volkswirtschaften oder Einheiten mit eigener Rechtspersönlichkeit, die ein ­Backing (Haftungen, Patronatserklärungen) seitens souveräner Staaten besitzen. Diese gelten in der Regel als die sichersten Gläubiger.“ Ebenso handelt es sich bei Firmen mit höherer Verschuldung meist um größere Unternehmen. Die Tabelle „Schuldendezile des S&P Global BMI Ex-Financials“ veranschaulicht dies für die Indexmitglieder des Non-Financial-Bereichs des S&P Global Broad Market Index (BMI). Bei diesem Index werden zunächst alle Unternehmen im globalen Aktienindex nach ihrer gesamten ausstehenden Verschuldung in Schuldendezile eingeteilt, und sodann werden für jedes dieser Dezile Durchschnitt, Median, 10. und 90. Perzentil der Marktkapitalisierung berechnet. Um das „durchschnittliche“ Unternehmen darzustellen, hat S&P DJI ­Unternehmen aus dem Finanzsektor aus der Stichprobe ausgeschlossen, da sie meist höhere Verschuldungsquoten aufweisen, tendenziell aber auch zur Hinterlegung von Sicherheiten verpflichtet sind. Der allgemeine Trend bleibt aber derselbe, wenn man sie einbezöge, versichert Tim Edwards.

Man könnte einwenden, dass ein Maß für die Kreditwürdigkeit der Unternehmen in diese Tabelle Eingang finden sollte, doch dies geschieht ja indirekt dadurch, dass bei ­einem Emittenten zweifelhafter Bonität die Marktkapitalisierung deutlich niedriger ausfiele. Für den Praktiker ist die Market Cap aber auch noch aus anderen Gründen von besonderem Interesse. Denn per Definition ist die „Nachfrage“ für jeden Bestandteil eines kapitalisierungsgewichteten Portfolios genau proportional zu ihrem verfügbaren „Angebot“. Dies kann dazu beitragen, die Kosten für den Aufbau oder die Liquidierung einer Position zu limitieren. Schließlich weisen kapitalisierungsgewichtete Portfolios noch eine weitere Besonderheit auf: Ohne Handelskosten und Gebühren wird die Rendite aller Investoren auf aggregierter Basis durch das kapitalisierungsgewichtete Portfolio repräsentiert. Dies ist ein besonderes Argument, das einer weiteren Betrachtung bedarf.

Arithmetik aktiven Bondmanagements

In einem überzeugenden Gedankenexperiment, das 1991 in einem zweiseitigen Artikel unter dem Titel „The Arithmetic of Active Management“ veröffentlicht wurde, definierte ­Nobelpreisträger William F. Sharpe „passives Investieren“ als das Halten aller Wertpapiere in einem Marktsegment, streng nach Marktkapitalisierung gewichtet. Seine bahnbrechende Idee war, „aktives Investieren“ als absolut alles andere zu ­definieren. Folglich müssen aktive und passive Anleger die gleiche Gesamtrendite erzielen. Unter der Annahme, dass die Kosten des aktiven Managements höher sein müssen, kam Sharpe zu dem Schluss, dass der durchschnittliche aktiv verwaltete US-Dollar bei richtiger Messung schlechter abschneiden müsse als der durchschnittliche passiv verwaltete US-Dollar, abzüglich der Kosten.

Dennoch sind die Kosten für aktives Investieren nicht unbedingt höher. Wie bereits erwähnt müssen passive Rentenanleger auch mit Handelskosten rechnen, wenn sie die ­indexnachbildenden Eigenschaften ihres Portfolios beibe­halten wollen – eine Tatsache, die Lasse Pedersen in einer Erwiderung auf Sharpes Aufsatz mit dem Titel „Sharpening the Arithmetic of Active Management“ im Financial Analysts Journal 2018 publizierte. Er brachte darin nachdrücklich zum Ausdruck, dass nach allen Indexzugängen und

-streichungen und der Berücksichtigung von Kupons ein ­typischer High-Yield-Bond-Index-Fonds bis zu 100 Prozent des Jahresumsatzes umschlagen müsste (Doppelzählung). Das Problem scheint in der Praxis allerdings überwindbar zu sein. Mit einem gewissen Tracking Error, speziell in ­Krisenzeiten, ist infolge der Illiquidität am Markt zu rechnen. Aber auch in ruhigen Zeiten wird es NAV-Abweichungen geben, da nicht jeder Fonds seinen zugrunde liegenden Index exakt nachbildet. Mit positiven Auswirkung kann ­etwa rechnen, wenn der Fondssponsor einen Teil der Einnahmen aus der Wertpapierleihe von Portfoliopapieren an die Anteilsbesitzer weiterreicht.

Es gibt jedoch noch einen weiteren Einwand. Warum sollte man nicht im Gegensatz zur binären Klassifikation von Sharpe die Investoren in drei Gruppen aufteilen, „aktive“, „passive“ und „andere Anleger“? Die „Anderen“ könnten den „Aktiven“ Überrenditen bescheren, wobei ihre Gesamtrendite immer noch mit der der „Passiven“ übereinstimmt. Und es gibt Kandidaten für solche „anderen“ Marktteilnehmer im Anleihenbereich, bei denen nicht das Verhalten des in der Praxis noch kaum gesichteten „Homo oeconomicus“ im Fokus steht, sondern andere Interessen.

Gemeinnütziger Teilnehmer

Im Fixed-Income-Dschungel gibt es Elefanten. Zentralbanken auf der ganzen Welt beeinflussen Anleihenmärkte, indem sie die Zinssätze steuern. Sie kaufen und verkaufen Wertpapiere in der Hoffnung, verschiedene wirtschaftliche Variablen zu beeinflussen, darunter sind die Geldmenge, der Wechselkurs und der Liquiditätsgrad im Finanzsystem. Vor­ausgesetzt, dass ein erheblicher Teil der Marktteilnehmer eher (geld)politische Interessen als reine Gewinnmaximierung verfolgt: Lädt dies dann nicht aktive Anleger dazu ein, von dieser Situation zu profitieren? Es gibt berühmte Beispiele, wo dies geschah – man denke nur an George Soros, der es mit der Bank of England aufnahm, wobei es ihm mit seiner Spekulation gegen das britische Pfund gelang, sowohl ein Vermögen zu machen als auch eine Regierung zu stürzen. Zu beachten ist auch, dass der Einfluss von Zentral­banken in einigen Märkten wichtiger ist als in anderen. Das relative Ausmaß der Beteiligung der Federal Reserve an den Märkten für Staatsanleihen und Corporate Bonds zeigt die Grafik „Die Fed im Bondmarkt“. Trotz der viel beachteten Konjunkturprogramme nach der Finanzkrise von 2008 und während der Pandemie-Ära der frühen 2020er-Jahre war die direkte Beteiligung der US-Notenbank an den Märkten für Unternehmensanleihen relativ unbedeutend. Bei US-Trea­suries hingegen steigt ihre Bedeutung, was auch an der ­zunehmenden Verschuldung des Staates liegen kann.

Privatanleger sind ein weiterer Kandidat für die dritte nicht optimal anlegende Gruppe, die für „aktive“ Investoren eine Quelle der Outperformance darstellt. Ihre direkte Beteiligung an den Anleihenmärkten ist jedoch relativ gering und noch dazu seit Jahrzehnten rückläufig.

Beide Gruppen spielen am Markt für Unternehmens­anleihen offenbar eine untergeordnete Rolle, was es für nach Outperformance strebende Investoren am Corporate-Bond-Markt alles andere als leicht macht, tatsächlich einen Mehrwert zu generieren.

Negativer Skew, Folgen der Konzentration

Eines der wichtigsten Argumente für aktives Management von Anleihen im Vergleich zu Aktien sind die High-Yield-Anleihenkategorien, bei denen jenseits von BB ein erhebliches Risiko besteht, dass ein nicht unerheblicher Teil des verfügbaren Anlageuniversums ausfällt. Folgendes Gedankenexperiment scheint hier angebracht: Angenommen, man wüsste im Voraus, dass ein gewisser Prozentsatz der Anleihen in einem bestimmten Marktsegment ausfallen wird, die Renditen aller nicht ausgefallenen Anleihen jedoch ansonsten ähnlich sein werden. Man könnte dann leicht eine aktive Strategie konstruieren, die eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Outperformance aufweist; man wähle einfach per Zufallsgenerator eine Anleihe aus! Solange man kein Pech hat, sollte diese eine breite Benchmark übertreffen, deren ­ansonsten ähnliche Rendite durch diese seltenen Ausfälle zwangsläufig geschmälert wird. Das wichtige Merkmal der Kreditmärkte, das dieses Gedankenexperiment ermöglicht, ist die negative Schiefe im Querschnitt der Anleihenren­diten. Wenn eine Anleihe bis zur Fälligkeit gehalten wird, kann ein Investor höchstens eine Rendite und die Kapitalrückzahlung erhalten. Im Gegenzug geht der Investor das Risiko ein, beides zu verlieren.

Ein derart begrenztes Aufwärtspotenzial führt zusammen mit einem möglichen erheblichen Verlust zu einer negativ verzerrten Verteilung der Anleihenrenditen und bedeutet, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass die meisten Anleihen eine bessere Wertentwicklung aufweisen als die durchschnittliche Anleihe.

Hier wird ein wichtiger Unterschied zwischen Aktien und Anleihen manifest: Eine Aktie kann um bis zu 100 Prozent fallen, aber noch viel mehr an Wert gewinnen. Selbst auf relativ kurze Sicht zeigt die Verteilung der Aktienren­diten tendenziell eine positive Schiefe. Bei einer solchen Verteilung wird der Durchschnitt durch eine kleine Anzahl von Outperformern nach oben getrieben, und die Chancen ­eines Stockpickers, bei jeder Aktienwahl über dem Durchschnitt zu liegen, liegen bei weniger als 50 Prozent. Folglich besteht bei konzentrierten Aktienportfolios im Vergleich zu diversifizierten Portfolios möglicherweise ein größeres Risiko einer kurzfristigen Underperformance.

Aus diesem Grund wurde die negative Schiefe auf den Anleihenmärkten von manchen als Argument dafür ­genutzt, dass Anleihen wohl besser für eine aktive Verwaltung geeignet seien. Zu nennen ist hier beispielsweise James Moore und sein 2017 in Barron’s veröffentlichter Beitrag „All Skewed Up? The Active versus Passive Debate“. Unglücklicherweise ist jedoch die Wahrscheinlichkeit einer kurz­fristigen Outperformance für „Anleihen-Picker“ größer. Die von konzentrierten Portfolios getragenen Risiken müssen gegen den größeren relativen Impact der seltenen, sich aber doch einschleichenden Ausfälle und das zunehmende Risiko abgewogen werden, dass dies irgendwann passieren könnte, wenn die Strategie über längere Zeithorizonte beibehalten wird.

Simulation erhellt Zusammenhänge

Edwards, Ganti und Malinowski haben zur Illustration dieses Zusammenhangs folgendes Experiment gemacht: Sie haben hunderttausende hypothetische 20-jährige Wertentwicklungen von „Anleihen“ und damit verbundene jährlich neu gewichtete „Portfolios“ mit unterschiedlichem Konzentra­tionsgrad simuliert. Die Anleihenperformances wurden nach dem Zufallsprinzip generiert, um entweder jedes Jahr eine feste Rendite von acht Prozent zu liefern oder mit einer Wahrscheinlichkeit von vier Prozent und einem angenommenen Recovery Value von 25 Prozent auszufallen. Außerdem haben die drei S&P-DJI-Experten die paarweisen jährlichen Ausfallkorrelationen auf 0,2 festgelegt. Die „Benchmark“-Rendite wurde auf eine hypothetische Rendite von acht Prozent für 96 Prozent des Portfolios festgelegt, abzüglich eines Verlusts von 75 Prozent für vier Prozent des Portfolios. Den Sinn dieser Übung veranschaulicht die Grafik „Konzentrierte Outperformance-Wahrscheinlichkeiten“. Dargestellt ist die sich aus der Simulationsrechnung ergebende Häufigkeit von Benchmark-Outperformance, die entweder für ein (zufällig ausgewähltes) Ein-Bond-Portfolio oder ein aus 50 gleichgewichteten Anleihen bestehendes Portfolio über Zeithorizonte von ein bis 20 Jahren hinweg beobachtet wurde. Es zeigt sich Folgendes: Wenn nur vier Prozent der Anleihen ausfallen und die Renditen aller anderen nicht ausgefallenen Anleihen ähnlich sind, dann hat ein zufällig ausgewähltes Einzel-Anleihen-Portfolio logischerweise eine Chance von 96 Prozent, die Benchmark zu übertreffen. Selbst das relativ diversifizierte 50-Anleihen-Portfolio hat eine hohe Chance, innerhalb eines Jahres eine Outperformance zu erzielen – sie liegt bei 77 Prozent. Mit zunehmendem Zeithorizont kehren sich die Ergebnisse jedoch um: Nach 20 Jahren schneiden die meisten konzentrierteren Portfolios schlechter ab. Des Weiteren zeigt die Grafik, dass die Wahrscheinlichkeit, Outperformance mit den beiden Portfolios zu erzielen, mit den Jahren abnimmt und beim 20-jährigen Zeitfenster in beiden Fällen weniger als 50 Prozent beträgt. Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen der Anhänger des passiven Investierens, da offenbar langfristig mit konzen­trierten genauso wie mit breiter aufgestellten, jedenfalls aktiv gemanagten Fixed-Income-Portfolios das Übertreffen eines Index immer unwahrscheinlicher wird.

Free Lunch namens Diversifikation

Sowohl aktive als auch passive Fonds können Diversifizierungsvorteile bieten. Tatsächlich lagen die vermeintlichen Vorteile der Diversifizierung bei festverzinslichen Wertpapieren hinter der Gründung des ersten Investmentfonds, der vor fast 250 Jahren im Holland des 18. Jahrhunderts sein Debüt feierte und dessen Bestände tatsächlich aktiv ausgewählt wurden. Dabei handelt es sich laut Geert Rouwenhorsts „The Origins of Mutual Funds“ von 2004 um den 1774 mit dem Ziel aufgelegten Fonds „Eendragt Maakt Magt“ (Einheit schafft Macht), Anlegern mit begrenzten Mitteln eine Möglichkeit zur Diversifikation zu bieten. Der Fonds investierte in eine Reihe globaler staatlicher und privater Credits.

Leider besteht für aktive Manager, die eine kurzfristige Outperformance an den Kreditmärkten anstreben, möglicherweise die Versuchung, den Vorteilen der Diversifikation aus dem Weg zu gehen. Das ist bedauerlich, denn eine ­konzentrierte Anleihenauswahl könnte zwar kurzfristig die Outperformancechance erhöhen, wie die Simulationsrechnung dies auch vermuten lässt. Auf lange Sicht sei aber ­ungewöhnlich viel Glück erforderlich, so die Autoren, um langfristig nicht die jahrzehntelange Outperformance zunichte zu machen. Ein solcher Unterschied zwischen kurz- und langfristigen Ergebnissen ist bemerkenswert und nicht völlig hypothetisch, wie die Praxis anhand der historischen Wertentwicklung aktiv verwalteter Rentenfonds zeigt.

Empirische Bestätigung

Sowohl auf den Aktien- als auch auf den Rentenmärkten ist die relative Performance entscheidend für die Beliebtheit passiver Anlagen. Einer der Gründe für die Beliebtheit von Indexfonds für US-amerikanische Large Caps liegt darin, dass in fast jedem der letzten 20 Jahre die Mehrheit der aktiv verwalteten US-Large-Cap-Fonds schlechter abgeschnitten hat als der S&P 500. Das weiß man bei S&P Dow Jones Indices seit 2002, als S&P DJI begann, regelmäßig sogenannte SPIVA Scorecards – SPIVA steht dabei für S&P Indices Versus Active – zu publizieren, die die Leistung aktiv verwalteter Fonds mit geeigneten S&P-DJI-Benchmarks auf globaler Ebene vergleichen. SPIVA Scorecards berichteten zunächst nicht über die Rentenmärkte. Als die Verfügbarkeit von Rentenindizes und damit verbundenen kostengünstigeren Indexprodukten zunahm, wurde es leichter, deren Performance mit jener von aktiv verwalteten Fonds zu vergleichen. Das Haus verfügt nun über Daten mit Zeithorizonten von zehn und 15 Jahren in Euro und US-Dollar. Die Grafik ­„Aktiv zahlt sich nicht aus“ illustriert die langfristige Bilanz ­aktiv verwalteter Rentenfonds im Vergleich zu den wichtigsten Benchmarks der Assetklassen Staatsanleihen, Investment Grade Corporates und High Yield Bonds.

Zusammenfassung

Passive Rentenfonds sind zwar alles andere als sexy und werden in der öffentlichen Wahrnehmung stiefmütterlich ­behandelt, scheinen aber nach den Untersuchungen von S&P Dow Jones Indices auf lange Sicht das bessere Ende für sich zu haben. Im Vergleich zum Fortschritt der passiven ­Aktienanlagen sind sie infolge des späteren Beginns ungefähr eine Dekade zurück, sollten aber aufholen können. ­Irgendwie fühlt man sich beim Wettstreit zwischen passiven und aktiven Rentenanlagen unweigerlich an die Fabel vom Hasen und der Schildkröte erinnert, in der Letztere mit ­stetiger Beharrlichkeit als Erste durchs Ziel kommt.

Dr. Kurt Becker

Dieses Seite teilen