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2/2024 | Nachrichten & Köpfe

Kleinere Brötchen

Die Asset-Management-Industrie, die es aufgrund des Vormarsches passiver ­Produkte sowie des Kosten-, Margen- und Regulierungsdrucks nicht leicht hat, steht unter Beobachtung internationaler Strategieberater.

Eine erfolgsverwöhnte Branche blickt härteren Zeiten entgegen. Vor allem der unaufhaltsame Vormarsch passiver Investmentprodukte setzt die Anbieter aktiver und damit kostenintensiver Fonds unter Druck.
Eine erfolgsverwöhnte Branche blickt härteren Zeiten entgegen. Vor allem der unaufhaltsame Vormarsch passiver Investmentprodukte setzt die Anbieter aktiver und damit kostenintensiver Fonds unter Druck.© Paperclip/Stocksy | stock.adobe.com

Dass europäische Vermögensverwalter mit Gewinnrückgängen, Umstellungen auf passive Fonds, Wachstum nicht verwalteter Vermögenswerte und mehr zu kämpfen haben, ist bekannt. Ende April ­kamen die Zwischenergebnisse der 26. jährlichen McKinsey Asset Management Survey ans Licht. Wenig verwunderlich, erlebt die Branche im Jahr 2023 sinkende Gewinne und ­zunehmend divergierende Wachstumstrends. Diese Trends haben die Kluft zwischen den Besten und den anderen ­weiter vergrößert. Doch worauf soll sich die Branche nun im Besonderen vorbereiten? Beobachtungen der jüngsten McKinsey-Umfrage, die mit 55 Vertretern der Branche durchgeführt wurde, geben Hinweise darauf, worauf die ­europäische Asset-Management-Branche ihr Augenmerk richten sollte.

Neun wichtige Beobachtungen

Erstens: Der Branchengewinn ist gegenüber seinem jüngsten Allzeithoch um ein Drittel gesunken (siehe Grafik „Schrumpfende Branchengewinne“). Die Marktentwicklung im vierten Quartal verleiht dem Jahr 2023 einen polierteren ­Abschluss, wobei die Assets under Management (AuM) seit 2022 um etwa neun Prozent gestiegen sind. „Dieser Glanz ist jedoch nur oberflächlich. Ein genauerer Blick in die ­Details zeigt eine Branche, die sich im Schrumpfen befindet. Die Branchengewinne gingen im zweiten Jahr in Folge ­zurück und liegen nun 32 Prozent unter ihrem Allzeithoch im Jahr 2021“, weiß Sid Azad, Partner im Londoner Büro von McKinsey, zu berichten.

Zweitens: Die Kluft zwischen den Besten und dem Rest ist größer geworden. Denn die Rentabilitätslücke zwischen Vermögensverwaltern im obersten und im untersten Quartil hat sich vergrößert. So beträgt das Delta der Gewinnmargen 28 Prozentpunkte – konkret 54 versus 26 Prozent – im Jahr 2023. Das sind zehn Punkte mehr als im Jahr 2018 (siehe Grafik „Spreizung der Gewinnmargen“). Trotz Gegenwinds ­haben die Akteure im ersten Quartil es geschafft, ihre Umsätze zu steigern und gleichzeitig die Kosten aktiv zu managen. Im Gegensatz dazu verzeichneten die Wettbewerber im vierten Quartil einen Rentabilitätsrückgang, da die Kosten stärker zulegten als das Umsatzwachstum.

Drittens: Insbesondere in Jahren erhöhter Marktvolatilität wächst das verwaltete Vermögen von passiven Ansätzen weitaus stärker. So ist das in passiven Fonds angelegte Kapital im letzten Jahrzehnt viel schneller gewachsen als das verwaltete Vermögen aktiver Fonds. Der Unterschied in den Wachstumsraten beträgt seit 2014 jährlich elf Prozent. In Jahren mit erhöhten Kursschwankungen fällt der Unterschied noch deutlicher aus. In den drei letzten Jahren mit erheblicher Marktvolatilität – 2018, 2022 und 2023 – belief sich die ­Differenz in den gesamten Nettozuflüssen auf rund 470 Milliarden Euro.

Viertens: Die Privatmärkte sind in eine Phase langsa­meren Wachstums eingetreten. Der makroökonomische ­Gegenwind hielt im gesamten Jahr 2023 an, wobei höhere Finanzierungskosten und unsichere Wachstumsaussichten die globalen Private Markets belasteten. Das Fundraising in Europa (siehe gleichnamige Grafik) in Höhe von 243 Mil­liarden US-Dollar im Jahr 2023 entsprach weitgehend der Gesamtsumme von 2022 (minus drei Prozent), lag jedoch um 27 Prozent unter dem Höchststand von 2021. Private Equity war die einzige Anlageklasse, die im Jahr 2023 das Fundraising steigerte (+57 Prozent) und einen Rekordwert für die Region erreichte. Trotz anhaltenden Gegenwinds deutet die in der „McKinsey GP-LP Private Markets Survey“ im Januar 2024 publizierte Umfrage unter mehr als 300 ­institutionellen Private-Equity-Investoren (Limited Partners, LPs) weltweit auf ein anhaltendes Engagement in den ­Privatmärkten hin, wobei 43 Prozent der Befragten in den nächsten drei Jahren mit einem Anstieg ihrer Privatmarktallokationen rechnen.

Fünftens: Das Pricing im Asset Management kann eine schwache Performance im aktiven Rentenmanagement abfedern, nicht jedoch beim aktiven Management von Aktien. Renteninvestmentfonds in den obersten drei Gebührendezilen verzeichneten seit 2021 Zuflüsse in Höhe von 83 Milliarden Euro gegenüber Abflüssen von 59 Milliarden Euro bei anderen Fonds. Im Gegensatz dazu sind die Kapitalflüsse bei den aktiven Aktienfonds von der Performance abhängig: Fonds in den oberen drei Performancedezilen verzeichneten im Zeitraum 2021 bis 2023 kumulierte Zuflüsse von 83 Milliarden Euro, während andere Fonds Abflüsse in Höhe von insgesamt 127 Milliarden Euro hinnehmen mussten.

Sechstens: ESG steht am Scheideweg, denn es gibt hier geringeres Gesamtwachstum, dafür aber Opportunitäten bei Impact Investing und thematischem Investieren. Die Region Europa, Naher Osten und Afrika (EMEA) ist führend in ­Bezug auf das verwaltete Vermögen, das für ESG-Investi­tionen bereitgestellt wird. ESG machte im Jahr 2023 20 ­Prozent der in Investmentfonds gehaltenen Assets under ­Management der EMEA-Region aus, verglichen mit einem Prozent in Amerika und drei Prozent in der Asien-Pazifik-Region. Aber selbst in EMEA ist das Wachstum ins Stocken geraten: ESG-Fonds sind seit 2021 jährlich nur um ein ­Prozent gewachsen. McKinsey verweist hierbei auf Morningstar-Daten. Anders sieht es auf den privaten Märkten aus, wo Impact-/Dekarbonisierungsfonds weiterhin starke Netto­mittelzuflüsse generieren. Für Akteure mit einem differen­zierten Angebot bestehen weiterhin attraktive Chancen, insbesondere angesichts des Bedarfs an mehr Investmentkapital, um die angestrebten Netto-Null-Ziele zu erreichen.

Siebtens: Es gibt eine Menge von nicht gemanagten ­Assets und insbesondere den Drang, Cash zu halten. Durch die Zinserhöhungen und die Marktvolatilität in den Jahren 2022 und 2023 ist der Anteil der nicht verwalteten Finanzvermögen seit 2021 um etwa zwei Prozentpunkte gestiegen. Das gesamte nicht verwaltete Vermögen beträgt mittlerweile knapp 70 Billionen Euro und macht 73 Prozent des gesamten Finanzvermögens aus. Wenn die Zentralbanken die Zinssätze – vielleicht später in diesem Jahr – senken, wird es Chancen im Hinblick auf das an der Seitenlinie stehende Cash von etwa 22 Billionen Euro – rund 20 Billionen Euro an Einlagen und zwei Billionen Euro in Geldmarktfonds –für die Branche geben.

Achtens: Generative KI wird der Produktivität einen Schub verleihen. Jüngsten Untersuchungen zufolge beläuft sich der Gesamtwert der Assets, die für die Asset-Management-Branche durch traditionelle und generative KI auf dem Spiel stehen, auf etwa 60 Milliarden US-Dollar. Ver­mögensverwalter werden aufgefordert, sich des Potenzials bewusst zu sein, das sich aus den vier Cs – Content-Synthese, Coding, Creative-Content-Generierung und Customer Engagement – gewinnen lässt. Gesprochen wird von Produktivitätssteigerungen von bis zu 80 Prozent bei der Content-Gewinnung, etwa im Investmentresearch und bei Kundenberichten. Leader auf diesem Gebiet gehen noch weiter in Richtung Transformation von Bereichen wie dem Middle- und Backoffice. Allerdings müssen die Risiken bewertet und angesprochen werden, bevor KI-Tools in größerem Maßstab eingeführt werden können.

Neuntens: Nach Jahren der Unsicherheit wächst der Konsolidierungsdruck. Dieser Druck nimmt als Reaktion auf die geringe Effizienz zu, wobei das durchschnittliche Kosten-Ertrags-Verhältnis westeuropäischer Vermögens­verwalter seit 2021 immerhin um neun Prozentpunkte ­gestiegen ist (von 56 auf 65 Prozent). Das kann man der McKinsey Performance Lens Global Asset Management Survey 2023 entnehmen. Weltweit befanden sich jedoch die M&A-Aktivitäten bei Asset Managern im Jahr 2023 auf dem niedrigsten Stand seit 2016 (siehe Grafik „M&A mit viel Luft nach oben“). Insgesamt gab es 98 Deals, darunter 73 mit ­alternativen Asset Managern, wie die US-Investmentbank ­Piper Sandler feststellte. Die Verlangsamung erfolgte in einer Zeit der Unsicherheit und höherer Kapitalkosten, was darauf hindeutet, dass die M&A-Aktivitäten zunehmen könnten, wenn sich das Vertrauen in die mittelfristigen Wirtschaftsaussichten bessert. Unterdessen werden die Auswirkungen der Zinssenkungen auf das Transaktionswachstum vom Umfang und Tempo der Entscheidungen der wichtigsten Zentralbanken beeinflusst.

Spreu vom Weizen getrennt

Zusammenfassend gesagt haben europäische Vermögensverwalter an verschiedenen Flanken zu kämpfen. Da sind einmal die Gewinnrückgänge, dazu kommen eine wachsende Kluft zwischen den Besten und dem Rest, der Vormarsch passiver Anlageprodukte in Jahren hoher Marktvolatilität und unterschiedliche Wachstumsdynamiken in den Privatmärkten und bei ESG-Investments. Christian Zahn, Partner bei McKinsey und Co-Leiter der European Wealth & Asset Management Practice, hält fest: „Die grundlegenden Wachstumstreiber für die Industrie bleiben unverändert, jedoch beobachten wir wichtige strukturelle Verschiebungen. Ob wir das Ende eines Zyklus oder den Beginn einer neuen Ära sehen, ist noch nicht eindeutig, aber die gegenwärtigen Tendenzen und die unterschiedlichen relativen Entwicklungen der führenden Marktteilnehmer beziehungsweise der schwächeren Mitbewerber verdeutlichen, dass es einigen Institutionen gelingt, das Umfeld durch strategische Entscheidungen zu ihren Gunsten zu nutzen. Tatsächlich bietet die Ausschöpfung von Konsolidierungsdynamiken oder des GenAI-Potenzials bei gleichzeitigem aktivem Kostenmanagement Chancen für alle. In der DACH-Region liegen vergleichbare Entwicklungen vor, auch wenn sich die Rahmenbedingungen insbesondere in Deutschland und der Schweiz unterscheiden.“

Dr. Kurt Becker

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