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MIT-Doyen Blanchard: "Es geht um langfristige Inflationserwartungen"

Die Einblicke, die Olivier Blanchard zu Macht und Ohnmacht der Notenbanken am Institutional Money Kongress gab, sind relativ einzigartig, geht der Mann doch mit EZB-Chefin Lagarde immer wieder gerne auf einen Kaffee und schreibt mit Ben Bernanke das eine oder andere Paper zu dem Thema.

Gemeinsam mit dem ehemaligen FED-Chef Ben Bernanke hat sich Star-Ökonom Olivier Blanchard zuletzt wieder verstärkt den Fallstricken der Notenbank-Politik gewidmet.
Gemeinsam mit dem ehemaligen FED-Chef Ben Bernanke hat sich Star-Ökonom Olivier Blanchard zuletzt wieder verstärkt den Fallstricken der Notenbank-Politik gewidmet.© Hemmerich

Als der MIT-Doyen Olivier Blanchard seinen Starvortrag auf dem Institutional Money Kongress gab, hatte er sich zuvor mit EZB-Chefin Christin Lagarde zu einem Gespräch getroffen und diverse aktuelle Paper zu Notenbanken, Inflation und Zinsen mit dem ehemaligen Fed-Chef und Nobelpreisträger Ben Bernank im Köcher. Entsprechend exklusiv und originell waren die Einsichten des Top-Ökonomen zum gegenwärtigen und zukünftigen Zustand der Weltwirtschaft.

Zunächst fasste er zusammen, dass die Inflationsentwicklung der letzten Jahre aus seiner Sicht von verschiedenen Schocks geprägt war: Zunächst sorgte die Covid-Pandemie 2020 für Lieferengpässe bei Rohstoffen und Lebensmitteln. Immer neue Krisen folgten, etwa steigende Energiepreise. Inzwischen habe sich die Situation teilweise normalisiert.

Langfristiges Erwartungs-Management im Vordergrund
Zwar trugen die Notenbanken laut Blanchard wenig zur Bekämpfung der Inflation bei – dazu verfügen die Notenbanken laut dem MIT-Mann schlicht nicht über die notwendigen Instrumentarien –, sie konnten jedoch die langfristigen Inflationserwartungen stabilisieren. Das unterscheidet die aktuelle Situation von den 1970er Jahren. Nun könnten sich einige Preissteigerungen als hartnäckiger erweisen, abhängig von der künftigen Produktivitätsentwicklung. Auffällig ist die starke Marktreaktion auf monatliche Inflationsdaten, obwohl unklar ist, ob Notenbanken bereits kurzfristig auf das 2-Prozent-Ziel fokussieren sollten.

Zinserhöhungen dienten bisher mehr der Glaubwürdigkeitswahrung als der Inflationsbekämpfung. Daher ist Kritik an den Notenbanken nicht angebracht. Allerdings könnten sich Schocks wie Störungen wichtiger Handelswege, wiederholen und neue Inflationsausbrüche auslösen.

Staatsschulden vs. Defizit
Die Staatsverschuldung stieg in der Pandemie weltweit stark an, was aufgrund der Krisensituation gerechtfertigt war. Inflation minderte die Schuldenlast, zudem ermöglicht Wachstum die Finanzierung durch neue Schulden. Kritisch ist weniger das Gesamtschuldenniveau, sondern primär das Haushaltsdefizit.

In den USA ist die Binnennachfrage robust, Investitionen und Konsum hoch. Dies spricht gegen eine baldige Zinswende der Fed. In Europa lasten eher Investitionsschwäche und Konsumdruck, so dass die EZB die Zinsen senken müsste - nicht wegen Inflation, sondern wegen der Wirtschaft. Die Deglobalisierung ist seit Jahren Thema. Handelskonflikte und protektionistische Tendenzen trugen ebenso dazu bei wie Sicherheits- und Umweltaspekte. Der globale Handel bleibt jedoch äußerst wichtig für Wachstum und Wohlstand. (hw)

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