Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

nären geht es in der Regel ummehr als nur um den Share- holder Value. Ein grundlegendes Merkmal nahezu jedes Wirtschaftsmodells ist, dass es den Akteuren um mehr als nur Geld geht: Den Arbeitnehmern geht es sowohl um Löhne als auch um Freizeit, und den Verbrauchern geht es sowohl um Preise als auch um Produktqualität. Ebenso legen Aktionäre Wert auf Wohlstand und externe Effekte – sie streben danach, das Wohlergehen der Aktionäre zu maxi- mieren, nicht den Shareholder Value.“ Folgendes Beispiel illustriert Edmans’ Gedanken: Ein Bürger, der in seinen Ruhestand investiert, kümmert sich nicht nur um sein zukünftiges Vermögen, sondern auch um den Zustand des Planeten, da sich dieser auf sein Wohlergehen auswirkt. Wenn man über den Shareholder Value hinausschaut,muss man sich nicht auf Altruismus berufen: Denn auch ein völ- lig eigennützig agierender Aktionär würde sich um alles kümmern, was seine zukünftigen Lebensbedingungen be- einflusst. Edmans’ Credo lautet also: „Aktionäre haben andere Ziele als den bloßen Shareholder Value“. 3. Nachhaltigkeit und Kapitalkosten Die These lautet hier: Nachhaltigkeitsrisiken erhöhen die Kapitalkosten. Tatsächlich ist die Anpassung des Diskontie- rungssatzes (im Nenner der klassischen Formel) künftiger Cashflows risikoabhängig – und damit auch abhängig von ESG-Risiken. Aber die Hauptwirkung eines Nachhaltigkeits- risikos bestehe in der Veränderung der erwarteten Cash- flows, also des Zählers der Formel, gibt Edmans zu beden- ken. Einer Erhöhung des Diskontierungssatzes bedarf es hin- gegen nicht. Denn dieser ist gemäß der gängigen Lehre nur vomMarktrisiko und nicht von firmenspezifischen Risiken abhängig. Edmans’ Befund lautet daher: Nein, Nachhaltig- keitsrisiken erhöhen nicht die Kapitalkosten, wohl aber sen- ken sie die erwarteten Cashflows. 4. Nachhaltigkeit und Renditen „Nachhaltige Aktien erzielen höhere Renditen“– so lautet ei- ne weitere These. „Nein“, sagt Edmans. „Nachhaltigkeit kann schon eingepreist sein. Die Vorliebe für nachhaltige Aktien führt zu geringeren Renditen.“ Viele Investoren behaupten, dass ESG den Shareholder Value steigert und grüne Unter- nehmen daher überdurchschnittliche Renditen erzielen. Al- lerdings lehrt die Finanztheorie, dass die Rendite eines Aktio- närs im Verhältnis zum Preis steht, den er zahlt. Wenn ESG den Shareholder Value steigert, werden die Dividende und der Aktienkurs im nächsten Jahr hoch sein.Wenn der hohe ESG-Wert jedoch bereits zum Zeitpunkt null bekannt ist, wird ihn der Markt bereits einpreisen,was zu einem höheren Einstiegskurs und damit einer niedrigeren Rendite ein Jahr danach führen würde.Daher wird die Aktie lehrbuchmäßig keine höhere Rendite erzielen. ESG-Faktoren können tatsäch- lich nur dann zu höheren Renditen führen, wenn sie uner- wartet eintreten und damit nicht eingepreist sind. Edmans zeigt beispielsweise in zwei Studien 2011 und 2012, dass die Mitarbeiterzufriedenheit im Zeitraum von 1984 bis 2011 nicht vollständig eingepreist wurde,was zu abnormalen Ren- diten von 2,3 bis 3,8 Prozent pro Jahr führte.Darüber hinaus können ESG-Faktoren höhere Renditen erzielen, wenn sich der Anlegergeschmack hin zu grünen Aktien verschiebt,wie Lubos Pastor, Robert F. Stambaugh und Lucian A. Taylor 2022 in „Dissecting Green Returns“ feststellten. Es ist jedoch ebenso möglich, dass ESG-Faktoren überbewertet sind, wie es im Jahr 2021 bei E-Auto-Herstellern der Fall war. Ebenso könnte sich der Geschmack angesichts der aktuellen Gegen- reaktion betreffend „E“- und „S“-Aktien in den USA ändern, was zu geringeren Renditen dieser Aktien führen könnte. Im Gleichgewicht gibt es keine Fehlbewertung, da die Anleger den Wert von ESG voll und ganz erkennen und der Ge- schmack stabil ist. Wenn Nachhaltigkeit die Kapitalkosten senkt,muss dies auch zu niedrigeren Anlagerenditen führen. Edmans: „Einige ESG-Befürworter behaupten, dass ESG gut für Unternehmen ist, weil es die Kapitalkosten senkt, und dass es auch gut für Investoren ist,weil es die Rendite der Ak- tionäre erhöht. Dies ist ein Beispiel für widersprüchliches ESG-Denken.“ 5. Klimarisiko ist Investitionsrisiko Auch diese These lässt Edmans nicht unwidersprochen, sie ist ein weiteres Beispiel für widersprüchliches Denken: „Nein, Klimarisiko ist kein Investitionsrisiko, es ist vielmehr eine unbepreiste Externalität.“ Eines der wichtigsten – und gültigen – Argumente für „E“- und „S“-Investitionen ist, dass Anleger nicht nur am Shareholder Value, sondern auch an unbepreisten externen Effekten interessiert sind. Aber wenn ESG-Ratingagenturen, die nach Checklisten standardisiert vorgehen, sammeln zwar viele Daten, doch scheren sie alle Firmen über einen Kamm, was per se problematisch ist. 94 N o . 4/2023 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | ESG-Konzepte FOTO: © HOGEHOGE511 | STOCK.ADOBE.COM » Shareholder Value ist entgegen der weit verbreiteten Meinung grundsätzlich ein langfristiges Konzept. « Dr. Alex Edmans, Professor an der London Business School (LBS)

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=