Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

Begriff, der in George Orwells Werk „1984“ verwendet wur- de, um das Einnehmen zweier widersprüchlicher Positionen zu beschreiben. Tatsächlich deckt die Streichung des Wortes „ESG“ oft ein solches Doppeldenken auf. Edmans wäre nicht Edmans, hätte er nicht auch dafür sofort ein Beispiel zur Hand: Viele der stärksten Befürworter einer Vergütung nach ESG-Performance seien gleichzeitig auch Gegner einer performanceabhängigen Gebührenstruktur. Edmans geht es darum, Erkenntnisse aus Finanzen und Wirtschaft auf einige der größten Herausforderungen anzu- wenden, vor denen die Welt heute steht. „Es geht nicht darum, die Wissenschaft zu exkulpieren, den Status quo zu verteidigen oder zu argumentieren, dass keine neue aka- demische Forschung in Bezug auf ESG erforderlich sei.“Der LBS-Professor will vielmehr davor warnen, das Baby mit dem Bade auszuschütten: „Auch wenn einige ESG-Themen neue Forschungsergebnisse erfordern, können bestehende Researchergebnisse substanzielle Erkenntnisse ermöglichen, und der wohl effektivste Ansatz wird sowohl bewährte Tools als auch neue Ideen kombinieren.“Edmans konzentriert sich darauf, wie die Mainstream-Wirtschaftswissenschaft dabei helfen kann, ESG besser zu verstehen – insbesondere wie sie die Sicht auf zehn wichtige ESG-Themen verändert. Zehn ESG-Themen 1. Shareholder Value als kurzfristiges Konzept Das erste Thema betrifft den Shareholder Value, der als ein kurzfristig orientiertes Konzept gilt. Dem widerspricht Edmans ganz entschieden: „Nein, Shareholder Value ist ein langfristiges Konzept.“ Generell ist immer wieder zu hören, dass der Fokus von Führungskräften, Investoren und Busi- ness Schools auf den Shareholder Value die Ursache für viele Übel dieser Welt sei. Der Shareholder Value, so das Argu- ment, sei ausschließlich auf kurzfristige Erfolge ausgerichtet; Die „Study on Directors’ Duties and Sustainable Corporate Governance“ der EU-Kommission von 2020 passt hier ins Bild und hebt das Übel des „kurzfristigen Shareholder Value“ hervor. Eine solche Behauptung habe tiefgreifende Auswirkungen auf die Praxis, sagt Edmans: „Wenn der Shareholder Value tatsächlich kurzfristig ist, sollten wir das Ziel des Unternehmens ändern. Dies wiederum betrifft so grundlegende Fragen wie die Pflichten der Board Members, wer bei Wahlen zum Board Member mitstimmen darf und wie Topführungskräfte entlohnt werden sollten.“Die gesam- te Literatur zur Theorie des Unternehmens und der Unter- nehmensfinanzierung müsste von Grund auf neu geschrie- Der globale Trend zu nachhaltigeren Investments setzt viele Investoren unter Druck, ihre Portfolios umzugestalten. Am Ausgangspunkt solcher Neuausrichtungen stehen auch etliche Thesen zum Thema ESG-Investment, die durchaus hinterfragenswert sind, wie eine aktuelle Forschungsarbeit zeigt. N o . 4/2023 | institutional-money.com 91 ESG-Konzepte | THEORIE & PRAXIS FOTO: © NANA_STUDIO | STOCK.ADOBE.COM Mehr Informationen zur EU-Kommis- sionsstudie finden Sie unter: im-online.com/ EUKS423

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