Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

von 1989 bis 2019 mit 2,2 Prozent pro Jahr sogar etwas ge- ringer war als von 1962 bis 1989 mit 2,4 Prozent pro Jahr (siehe Tabelle „Klare Diskrepanz“) . Ende der Fahnenstange Doch inzwischen scheint das Ende der Fahnenstange er- reicht beziehungsweise bereits überschritten zu sein. Ein of- fensichtlicher Grund dafür ist, dass die Zinsen seit vorigem Jahr schnell und deutlich gestiegen sind. Zwar könnte in Zukunft wieder Spielraum für Zinssenkungen bestehen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf (und erst recht nicht unter) die Niveaus der vorausgegangenen langen Null- zinsphase. Ähnlich ist es bei den effektiven Unternehmens- steuern. Nachdem diese für die betrachteten S&P-500-Fir- men im Jahr 1989 noch bei 34 Prozent lagen, betrugen sie im Jahr 2019 nur noch 15 Prozent. Wohin soll dieser Wert realistisch betrachtet überhaupt noch fallen können? Der Fed-Ökonomweist darauf hin, dass im Jahr 2022 mit dem Inflation Reduction Act eine Mindeststeuer für Unter- nehmen von 15 Prozent eingeführt wurde.Hinzu kommen die Bestrebungen, multinationalen Unternehmen eine glo- bale Mindeststeuer aufzuerlegen, die ihre Möglichkeiten zur internationalen Steuerarbitrage einschränken und mögli- cherweise zu höheren effektiven Steuersätzen führen würde. Auch angesichts des Verhältnisses der US-Schulden zum BIP lässt sich eher argumentieren, dass die Steuern in Zukunft steigen müssten, aber zumindest nicht weiter fallen dürften. Aus diesem Kontext leitet Michael Smolyansky sein „opti- mistisches Szenario“ ab, dass Zinsen und Steuern künftig in der Nähe ihrer niedrigen Niveaus von 2019 bleiben. Wenn das eintritt und auf längere Sicht Bestand hat, könnten die Nettogewinne in etwa mit der Wachstumsrate des EBIT zu- legen. Doch das dürfte sich für viele erfolgsverwöhnte Anle- ger als enttäuschend herausstellen. Denn der Studie zufolge lag das EBIT-Wachstum im gesamten Zeitraum von 1962 bis 2019 unter dem BIP-Wachstum (siehe Tabelle „Klare Diskre- panz“). Smolyansky erwartet deshalb, dass die realen Unter- nehmensgewinne auch künftig nicht mehr als zwei Prozent pro Jahr wachsen. Und das ist immerhin noch das optimis- tische Szenario. Sollten die Zinsen und Steuern längerfristig über dem 2019er-Niveau liegen, würde es düster aussehen. Dabei dürfte sich selbst das optimistische Szenario bereits negativ auf den Aktienmarkt auswirken. Denn die Kurse können nur steigen,wenn Nettogewinne oder Bewertungen zulegen. Doch die Gewinne würden wohl wie beschrieben maximal zwei Prozent im Jahr wachsen. Und eine anhalten- de Ausweitung der Multiples ist auch nicht zu erwarten. Eher umgekehrt. Schließlich spiegeln die Bewertungen in erster Linie die Erwartungen an das künftige Gewinnwachs- tum und die weitere Zinsentwicklung (beziehungsweise da- mit verbunden den Diskontierungsfaktor) wider. Michael Smolyansky erklärt, dass der gesamte Anstieg der KGV- Multiplikatoren von 1989 bis 2019 durch den Rückgang der Zinsen erklärt werden kann, was in dieser Form nicht wiederholbar ist. Scheinbar ging der Markt bislang weiter davon aus, dass das enorme Wachstumstempo der Nettogewinne der letzten 30 Jahre unbegrenzt anhalten wird. Eine Ende, geschweige denn eine dauerhafte Umkehr der Zins- und Steuertrends scheint demnach nicht eingepreist zu sein. Sollten die künf- tig niedrigeren Erwartungen an das Gewinnwachstum zum Konsens werden, dürften die Bewertungen also fallen, viel- leicht sogar erheblich. Das würde auch einen entsprechen- den Rückgang der Aktienkurse bedeuten. Zudem könnten Glaubt man einer Analyse des Fed-Ökonomen Michael Smolyansky, liegen die goldenen Zeiten für US-Aktionäre hinter uns. Langfristig gefallene Unternehmenssteuern Ein weiterer wichtiger Faktor für den Anstieg der Nettogewinne Die effektiven Steuern fielen schon seit Ende der 1970er-Jahre. 1989 lagen sie noch bei 34 Prozent. Mit dem Tax Cuts and Jobs Act von 2017, der den Steuersatz von 35 auf 21 Prozent senkte, fielen sie erneut deutlich. Der Studie zufolge lagen die effektiven Steuern im Jahr 2016 bei 23 und im Jahr 2019 nur noch bei 15 Prozent. Quelle: Smolyansky, M. (2023), End of an Era: The Coming Long-Run Slowdown in Corporate Profit Growth and Stock Returns, S. 8 1962 1972 1982 1992 2002 2012 2022 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % Steuerzahlungen / Vorsteuergewinn N o . 4/2023 | institutional-money.com 81 US-Aktien | THEORIE & PRAXIS FOTO: © KALAWIN | STOCK.ADOBE.COM

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