Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

W er seit 1990 im Investmentbereich tätig ist, hat – gemessen am US-Aktienmarkt beziehungs- weise dessen Leitindex S&P 500 – 24 positive und neun negative Jahresergebnisse miterlebt. Im besten Jahr lag das Plus bei 34,11 Prozent (1995), weniger schön endete das Jahr 2008, in dem hinter dem Minuszeichen 38,49 Prozent standen. Unterm Strich war es aber eine gute Zeit: Aus 100 im Jahr 1990 investierten US-Dollar wurden inklusive reinvestierter Dividenden bis Oktober 2023 rund 2.560 US-Dollar, was annualisiert mehr als zehn Prozent entspricht. Selbst wenn man die Inflation abzieht, bleiben fast 7,4 Prozent Jahresertrag. Und da wir wider besseres Wissens meist historische Daten als Entscheidungsgrundlage verwenden, sind das gefährlich gute Zahlen. Denn nach Einschätzung einer im Juni veröffentlichten Analyse von Michael Smolyansky („End of an Era: The Coming Long-Run Slowdown in Cor- porate Profit Growth and Stock Returns“), sollte man lieber nicht auf dieser Grundlage investieren. Es handelt sich um ein Arbeitspapier der Finance and Economics Discussion Series der US-Notenbank Fed. Die Studien der Serie sollen zur – kritischen – Diskussion anregen.Der Autor weist zwar darauf hin, dass andere Mitglieder des Forschungsstabs oder des Fed-Vorstands nicht unbedingt mit seinen Analysen und Schlussfolgerungen einverstanden sein müssen, die sehr kla- re Argumentation spricht aber dafür, dass die Ergebnisse auf Jahre hin relevant sind. In seinen Untersuchungen geht Smolyansky von der simplen Tatsache aus, dass höhere Unternehmensgewinne nur durch ein Wachstum des Betriebsergebnisses (EBIT), eine Abnahme der Zinsaufwendungen oder einen Rück- gang der Unternehmenssteuern erzielt werden können. Dabei scheint der Spielraum am US-Markt sowohl bei den Zinsen als auch bei den Steuern bereits ausgereizt, nachdem beide in den letzten drei Jahrzehnten erheblich gefallen sind (siehe Grafiken „Langfristig gefallene Zinsaufwendungen“ und „Langfristig gefallene Unternehmenssteuern“). Der Analyse liegen die Gewinn- und Kursentwicklung von Unternehmen im S&P 500, ausgenommen Finanzfir- men, von 1962 bis 2022 zugrunde. Im Zuge des mechani- schen Effekts fallender Zinsen und Steuern konnten die Firmen ihre Nettogewinne seit 1989 erheblich steigern. Im Ergebnis stiegen die realen Unternehmensgewinne von 1989 bis 2019 mit 3,8 Prozent pro Jahr fast doppelt so schnell wie von 1962 bis 1989, schreibt Smolyansky. Betrach- tet man jedoch die Gewinne vor Abzug von Zinsen und Steuern (EBIT), so zeigt sich, dass das reale EBIT-Wachstum Zinsen und Steuern runter, Bewertungen rauf. Das waren die letzten drei Jahrzehnte am US-Aktienmarkt aus der Vogelperspektive. Eine Studie der US-Notenbank beschreibt anschaulich, weshalb damit nun Schluss sein dürfte. Ende einer Ära? Langfristig gefallene Zinsaufwendungen Ein wichtiger Faktor für den Anstieg der Nettogewinne Seit den frühen 1980er-Jahren fielen die relativen Zinsaufwendungen für die betrachteten Nichtfinanzunternehmen des S&P 500 immer weiter. Im Jahr 2022 lag der Wert bei außergewöhnlich niedrigen 3,2 Prozent. Dabei war der jüngste Zinsanstieg noch nicht zu erkennen, da sich die Unternehmen in den Jahren 2020 und 2021 laut Michael Smolyansky langfristige Finanzierungen zu historisch niedrigen Zinsen sicherten. Wenn die Schulden im Lauf der Zeit fällig werden, sind sie – soweit erforderlich – zu dann sehr wahrscheinlich höheren Zinsen zu refinanzieren. Quelle: Smolyansky, M. (2023), End of an Era: The Coming Long-Run Slowdown in Corporate Profit Growth and Stock Returns, S. 6 1962 1972 1982 1992 2002 2012 2022 2 % 4 % 6 % 8 % 10 % 12 % Zinsaufwendungen / Gesamtverschuldung 80 N o . 4/2023 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | US-Aktien » Die Aktienrisikoprämie von 1989 bis 2019 war 3,6 Prozentpunkte höher als von 1962 bis 1989. « Michael Smolyansky, Federal Reserve Board

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