Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

kam, war der russische Angriff auf die Ukraine. Mit mehr als 100.000 Downloads ist das Paper „Business Retreats and Sanctions Are Crippling the Russian Economy“ der Yale- Ökonomen Jeffrey Sonnenfeld, Steven Tian, Franek Soko- lowski, Michal Wyrebkowski und Mateusz Kasprowicz auf Rang fünf der zweithöchste Neueinstieg. Die Popularität des Papers dürfte vor allem von Jeffrey Sonnenfeld herrühren. Der Yale-Professor machte mit einer „List of Shame“, in der er die Unternehmen auflistete, die die Sanktionen gegen Russland nicht mittrugen, Schlagzeilen. In dem hochpolitisch angelegten Paper kommt Sonnenfeld zu dem Schluss, dass „es in Hinkunft für Russland keinen Weg aus der wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit gibt, solange die verbündeten Länder vereint darin bleiben, den Druck durch Sanktionen gegen Russland aufrechtzuerhal- ten und zu erhöhen.“ Das Paper ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie kurzlebig manche akademische Hypes sein kön- nen. Denn im Großen IM Wissensranking der vergangenen Monate schaffte es die Arbeit nicht einmal auf Platz zehn. Der Großteil der Downloads erfolgte also 2021/2022. Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist auch, dass sich die drei am öftesten heruntergeladenen Arbeiten des Ran- kings 2021 mit den Auswirkungen der Pandemie beschäf- tigten. In der aktuellen Top-Ten-Auswertung ist von Covid hingegen keine Rede mehr. Künstliche Intelligenz Neben der Geldpolitik war in den vergangenen Monaten künstliche Intelligenz das Leitthema der Finanzcommunity. Getragen von der Aufmerksamkeit, die die Veröffentlichung von ChatGPT nach sich zog, schafften es in den vergange- nen zwölf Monaten gleich drei KI-Themen in die Top Ten. Das prominenteste war „Can ChatGPT Forecast Stock Price Movements? Return Predictability and Large Language Models“.Das Paper wird in der kommende Ausgabe (Anm.: IM 1/2024) analysiert. Eine ähnliche Strategie, in der die Autoren im Dialog mit ChatGPT neue Einzelfaktoren kre- ieren und daraus eine Multi-Faktor-Strategie entwerfen, wird in der aktuellen Ausgabe von Institutional Money vorgestellt (siehe Artikel „Der GPT-Faktor“) . Stars der Szene Während wir in der Vergangenheit nur auf die Popularität von finanzwissenschaftlichen Themen geachtet haben, wol- len wir diesmal auch einen Blick auf die Stars der Szene werfen – also die Finanzwissenschaftler, die am häufigsten zitiert werden. Dieses Ranking führt mit relativ großem Abstand der nicht unumstrittene Andrei Shleifer mit mehr als 23.000 Zitaten an (siehe Tabelle „Die einflussreichsten Stars der Finanzszene“) . Der russisch-amerikanische Wirtschafts- wissenschaftler und Professor für Finanzökonomik und Verhaltensökonomik an der Harvard University hat erst im September als Co-Autor das NBER Working Paper „How People Use Statistics“herausgebracht. Auf Platz zwei positio- niert sich Michael C. Jensen. In der 1976 zusammen mit WilliamH.Meckling verfassten Arbeit „Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Struc- ture“ begründet er die Principal-Agent- oder Agentur-Theo- rie. Die Arbeit ist – wie bereits erwähnt – nach wie vor das am dritthäufigsten heruntergeladene Dokument der Daten- bank. Bronze schafft der gegenwärtig enorm populäre Daron Acemoğlu. Er schafft es als Ökonom regelmäßig auch in die Schlagzeilen von thematisch breit aufgestellten Medien. Das lässt sich vor allem auf sein Talent zurückführen, Bestseller zu schreiben. Seinen Durchbruch schaffte er vor mehr als einem Jahrzehnt mit „Why Nations Fail“, sein jüngster Streich „Power and Progress“ schaffte es ebenfalls in die nationalen und internationalen Bestsellerlisten. Einordnung und Ausblick Aus den bisherigen und der aktuellen Ausgabe des Großen IM Wissensrankings lassen sich einige Trends ablesen. Als Erstes fällt auf, dass die absolute Zahl der Downloads enorm gestiegen ist. Dass die erst imMärz veröffentlichte Arbeit zu „Monetary Tightening“ aus dem Stand mehr als 130.000 Downloads schaffte, ist, gelinde gesagt, spektakulär. Als Zweites wird klar, dass wissenschaftliche Trends mit- unter – gleich den politischen Börsen – kürzere Beine be- kommen. Das lässt sich am rasanten Aufstieg und ebenso rasanten Fall der Covid-Forschungspapiere in den jeweiligen Zwölf-Monats-Rankings ablesen. Drittens wird im kommenden Jahr wahrscheinlich eine Renaissance des KI-Themas in der Finanzwissenschaft zu beobachten sein, allerdings mit einem klaren Fokus auf die Anwendung von Large Language Models à la ChatGPT. Wir halten Sie jedenfalls auf dem Laufenden, in einem Jahr wissen wir mehr. HANS WEITMAYR Die einflussreichsten Stars der Finanzszene Die All-Time-Wertung, basierend auf den Daten von SSRN Rang Autor Wirkungsstätte* Anzahl der Zitierungen 1 Andrei Shleifer Harvard 23.352 2 Michael C. Jensen Harvard 18.794 3 Daron Acemo˘glu MIT 16.351 4 John Y. Campbell Harvard 14.767 5 James J. Heckman Chicago 13.213 6 Alberto F. Alesina MIT (verst.) 10.074 7 Robert J. Barro Harvard 9.810 8 Nicholas Bloom Stanford 9.417 9 Jeremy C. Stein Harvard 8.954 10 René M. Stulz Ohio State 8.731 Als Premiere in der aktuellen Auswertung das Ranking der einflussreichsten Ökonomen und Finanzwissenschaftler, definiert entlang der Anzahl der Zitierungen. Die Ergebnisse laufen im Wesentlichen analog zu anderen Datenbanken, die diese Kennzahl betrachten. Auffällig, wenn auch nicht gänzlich überraschend: die Dominanz von Harvard-Ökonomen. Quelle: SSRN | *bei mehreren Optionen die prominenteste oder aktuellste N o . 4/2023 | institutional-money.com 73 Finanzwissenschafts-Trends | THEORIE & PRAXIS FOTO: © YALE

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