Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

Joe Schultz: Auch wenn das nicht der einzige Aspekt ist,mit dem unsere Gesellschaft einen wirklichen Unterschied macht, zeigt man als Asset Manager mit einem solchen Schritt, dass man es wirklich ernst meint mit der Wahrneh- mung gesellschaftlicher Verantwortung und sozialem Engagement. Vor allem, wenn man diese Entscheidung zu einemZeitpunkt getroffen hat, als das Thema ESG noch bei Weitem nicht so stark im Vordergrund stand wie heute, da nahezu jeder Asset Manager behauptet, Nachhaltigkeit sei schon immer Teil seiner DNA gewesen. Daher glauben wir schon, dass die Tatsache, dass wir das Stowers Institute for Medical Research seit dessen Gründung im Jahr 2000 mit bisher rund zwei Milliarden US-Dollar unterstützt haben und jedes Jahr mehr als 40 Prozent unserer Erträge in die fortschreitende medizinische Erforschung der Entstehung und Behandlung von genetischen Erkrankungen investieren, durchaus als Beleg gewertet wird, dass wir es mit dem ESG- Thema auf jeden Fall ernst meinen. Aber bei allem Respekt für Ihr Engagement: Werden Sie nicht oft gefragt, warum Sie diese Mittel nicht in die Verbesserung Ihrer Investmentstrategien und Fondsprodukte stecken? Joe Schultz: Auch wir stehen natürlich in einem harten Wettbewerb. Wir müssen ständig, besser gesagt jeden Tag, unter Beweis stellen, dass wir für unsere Kunden aus- reichend hohe Erträge erwirtschaften und eine möglichst überdurchschnittliche Performance mit unseren Fonds erzielen können. Aber zum einen ist uns das ja für jeden ersichtlich durchaus gelungen, sonst hätten wir die von uns verwalteten Assets in unserer inzwischen 65-jährigen Geschichte mit Sicherheit nicht auf ein Niveau von mittler- weile mehr als 200 Milliarden US-Dollar steigern können. Und zum anderen stellt unsere Eigentümerstruktur sicher, dass die gesamte Firma langfristig denkt. Wie meinen Sie das? Joe Schultz: Wir sind kein börsennotiertes Unternehmen. Daher stehen wir nicht wie viele unserer Wettbewerber unter dem permanenten Druck, eine möglichst hohe Divi- dende an Aktionäre auszuschütten oder unsere Manage- mententscheidungen diesem Ziel zu unterwerfen. Zudem liegen ungefähr 17 Prozent der Gesellschaftsanteile in den Händen einer Vielzahl unserer Mitarbeiter. Das sorgt auf deren Seite natürlich für eine enorme Motivation, sich aktiv für den Erfolg unseres Unternehmens einzusetzen, was ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist. Und wie gehen Sie selbst mit der Umsetzung des ESG-Aspekts im Management Ihrer eigenen Investmentstrategien um? Joe Schultz: Wir verfügen – wie viele andere Marktteilneh- mer auch – über alle notwendigen Tools und Datenquellen, die man benötigt, um das Thema Nachhaltigkeit in unsere Investmententscheidungen zu integrieren. Ich glaube aller- dings nicht, dass man in dieser Hinsicht heute noch einen großen Wettbewerbsvorteil erzielen kann, denn ESG-Aspek- te zu berücksichtigen ist imGrunde inzwischen zu einer Art Commodity geworden. Den Unterschied kann man beim ESG-Thema nur noch machen, wenn man eine sinnvolle Haltung zu diesem Thema einnimmt. Es kann ja nicht nur darum gehen, Kriterienkataloge abzuhaken. Stattdessen lautet unsere Devise in vielen Anlagestrategien: „Best in Progress statt Best in Class“. Worauf spielen Sie damit konkret an? Joe Schultz: Auf die Tatsache, dass imGrunde keine einheit- liche Beurteilung dessen möglich ist, was nachhaltiges Investieren eigentlich ist.Denn die Meinungen darüber sind zu vielfältig: Für den einen sind vor allem Unternehmen mit hohen ESG-Scores und Bewertungen wichtig, während die andere den Fokus auf spezifische Themen wie den Kli- mawandel, soziale Ungleichheit oder Biodiversität legt oder einzelne Unternehmen aus dem Investmentuniversum aus- geschlossen sehen will, weil deren Aktivitäten gegen be- stimmte ethische Kriterien verstoßen. Was man hingegen schon sagen kann: Nachhaltiges Investieren hat nichts mit dem Verfolgen einer politischen Agenda zu tun, und es erfordert vor allem keine Abstriche bei der Rendite von 54 N o . 4/2023 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Joe Schultz | American Century Investments FOTO: © GARY SPECTOR » Den Unterschied kann man beim ESG-Thema nur noch machen, wenn man eine sinnvolle Haltung zu diesem Thema einnimmt. « Joe Schultz, Senior Vice President, American Century Investments „Best in Progress statt Best in Class“ , weil es nicht reicht, nur Kriterienkata- loge abzuhaken.

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