Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

Neues Zinsumfeld Neben den zahlreichen regulatorischen Anforderungen ist natürlich auch das Marktumfeld herausfordernd: konjunk- turelle Unsicherheiten, Lieferkettenunterbrechungen, die hohe Inflation, der Mangel an Fachkräften, um nur einige der Faktoren zu nennen. Außerdem bewirkt der Anstieg des Zinsniveaus einen deutlichen Rückgang der stillen Reserven bei den EbAV, bis hin zum Aufbau stiller Lasten. „Auch wenn höhere erzielbare Zinsen für die Einrichtungen immer besser sind als niedrige, sollten EbAV im Fall von verbliebenen stillen Reserven bereits jetzt prüfen, ob im Jahr 2023 möglicherweise eine Beteiligung an den Bewertungs- reserven zu gewähren ist“,meint Voetmann. Auf der anderen Seite bewirkt die drastische Abnahme stiller Reserven auf- grund des Zinsanstiegs auch eine Verringerung der Risiko- tragfähigkeit vieler Einrichtungen. Geänderte Renditeerwartung Auch anderweitig sorgt der steile Zinsanstieg für Hand- lungsbedarf. EbAV mussten ihre strategische Anlagealloka- tion und die daraus resultierenden Auswirkungen auf ihre langfristigen Renditeerwartungen überprüfen. „Für Pen- sionsfonds mit nicht versicherungsförmiger Durchführung der Versorgungsleistungen, die ihre Rechnungszinsen aus den langfristigen Renditeerwartungen ableiten, ergeben sich unmittelbar Handlungsspielräume, wobei sie die gestiege- nen Renditeerwartungen durch entsprechende Analysen wie ALM-Studien, Benchmarks oder Building-Block-Verfah- ren untermauern sollten“, meint Voetmann. Ähnlich sieht das Tilo Kraus: „Neben dem Spannungsfeld zwischen den Auswirkungen des aktuellen Zinsumfelds geht es für die EbAV auch darum, ihre Anlagestrategien so auszurichten, dass eine adäquate Sicherung auch im geän- derten Inflationsumfeld entsprechend gewährleistet ist. Die nicht versicherungsförmigen Versorgungseinheiten mit be- kanntem Cashflow profitieren natürlich von den aktuellen Anlagezinsen. Gleichzeitig ist es wichtig, die Inflationsan- passung über ein entsprechendes Asset Liability Manage- ment in der Portfoliokonstruktion zu berücksichtigen. Des- wegen sind unserer Ansicht nach insbesondere Sachwert- investitionen mit ihren Realrenditen – in Ermangelung anderer Instrumente der Inflationsabsicherung – eine sinn- volle Alternative.“ Höchstrechnungszins im Blick Voetmann ergänzt, dass Pensionsfonds mit versicherungs- förmiger Durchführung der Versorgungsleistungen sowie deregulierte Pensionskassen den Höchstrechnungszins im Blick haben sollten. Voraussichtlich zu Beginn des Jahres 2024 wird die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) turnus- gemäß prüfen, inwieweit der aktuell gültige Höchstrech- nungszins in der Lebensversicherung (derzeit 0,25 Prozent) weiterhin angemessen ist. „Da dabei auch die mittleren Ren- diten eines repräsentativen Neuanlageportfolios der vergan- genen fünf Jahre eingehen und der gewünschte Sicherheits- abstand zu den tatsächlichen Renditen in den vergangenen Jahren deutlich unterschritten wurde, ist nicht von einer Empfehlung zu einer deutlichen Anhebung auszugehen“, schätzt Voetmann die Situation ein. Die abschließende Entscheidung über den Höchstrechnungszins obliegt dem Bundesministerium für Finanzen. Mit einer eventuellen Änderung der Deckungsrückstellungsverordnung wäre zum 1. Januar 2025 zu rechnen. Konsequenz: Konsolidierung Angesichts dieser Fülle von Themen, mit denen Pensions- kassenmanager derzeit jonglieren müssen, wundert es nicht, dass einige das Handtuch werfen. „Wenn der Bestand einer Pensionskasse absehbar eine gewisse Größe unterschreitet, kann das eine effiziente Abwicklung und einen angemesse- nen Risikoausgleich erschweren. Außerdem stellen auch der Fachkräftemangel und damit verbundene Nachfolgeproble- matiken die Pensionskassen vor große Herausforderungen“, meint Hanne Borst, Leiterin Retirement bei WTW. „Aus diesem Grund überprüfen insbesondere mittlere und klei- nere Pensionskassen ihre strategische Geschäftsausrichtung und denken in diesem Zusammenhang regelmäßig auch über Bestandsübertragungen nach“, so Borst weiter. In der WTW-Untersuchung vom Juni 2023 gaben mehr als die Hälfte der befragten Pensionskassen (55 Prozent) an, sich in den vergangenen zwölf Monaten zumindest mit diesem Thema beschäftigt zu haben. Eine Konsolidierung unter den Pensionskassen ist derzeit in vielen europäischen Ländern zu beobachten.Während es etwa in den Niederlanden 2007 noch über 700 Pensions- fonds gab, schmolz ihre Anzahl durch zahlreiche Zusam- menschlüsse bis 2016 auf rund 260, und aktuell gibt es etwa 185. In Österreich gibt es nach einigen Zusammenschlüssen und Übertragungen derzeit nur noch fünf überbetriebliche Pensionskassen und drei betriebliche Pensionskassen. Auch in Deutschland befassen sich mehrere EbAV mit der Frage, ob ihr Geschäftsbetrieb weiterhin aufrechtzuer- halten ist. „Früher stellten sich diese Frage überwiegend Kas- sen mit einer Bilanzsumme von 50 Millionen Euro oder weniger, heute aber auch welche mit mehreren 100 Millio- nen Euro Bilanzsumme“, merkt Voetmann an. Die BaFin propagiert solche Zusammenschlüsse und erwähnt auf Ver- anstaltungen, bei denen ein BaFin-Mitarbeiter spricht, dass die Behörde Pensionskassenzusammenschlüsse wohlwollend begleite und auch bei der Partnersuche behilflich sein kön- ne. „Sprechen Sie uns gern an“, lautet das von der BaFin oft vorgetragene Credo. Es war mal anders gedacht Voetmann meint dazu: „Die Konsolidierung ist insofern zu bedauern, als Pensionskassen einmal gedacht waren als schlanke, effiziente Verwaltungsplattformen für freiwillige Sozialleistungen von Arbeitgebern. Von dieser ursprüngli- chen Idee sind wir leider aber schon weit entfernt.“ ANKE DEMBOWSKI N o . 4/2023 | institutional-money.com 269 IORP II / EBAV-II-RL | STEUER & RECHT Das Meldewesen macht mittlerweile einen beträchtlichen Teil der Arbeit bei Pensionskassen aus.

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