Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

Harald Sporleder: Wir haben das in seinen Grundzügen bereits unter Frank Lingohr entwickelte proprietäre Multi- Faktor-Modell namens CHICCO über die Zeit stetig weiter- entwickelt und optimiert. Das entspricht bei Weitem nicht mehr dem landläufigen Verständnis eines Value-Investments, das lediglich nach dem Kurs-Buchwert-Verhältnis auf mög- lichst preiswerte Aktien setzt. Anhand einer Vielzahl von Unternehmensdaten zu Cashflow, Entwicklung und Einsatz des Eigenkapitals sowie nicht zuletzt Informationen zur Bilanzstärke und zur Bewertung von Unternehmen wählen wir aus einer weltweiten Grundgesamtheit von rund 3.000 Aktien aus entwickelten Ländern sowie zirka 1.100 Aktien der Schwellenländer die aus unserer Sicht interessantesten Kaufs- und Verkaufskandidaten aus. Auf der Kaufliste blei- ben am Ende rund 230 Aktien, die dieser ganzheitlichen Analyse standhalten, dann aber noch einmal einem funda- mentalen Bewertungsprozess unterliegen. Was uns auch in Zukunft von den meisten anderen Modellen unterscheiden wird: Es bleibt bei der Gleichgewichtung beziehungsweise einem regelmäßigen Rebalancing der Aktienpositionen. Aber zurück zu unserem Ausgangspunkt: Wie geht es bei Amauris Invest weiter? Dyrk Vieten: Angesichts einer inzwischen erreichten Zahl von immer noch zirka 450 unabhängigen Vermögensver- waltern gehen wir davon aus, dass sich die Marktkonsolidie- rung in diesem Bereich fortsetzen wird. Noch wesentlich dramatischer sieht es in der Schweiz aus. Von den derzeit noch rund 2.000 unabhängigen Vermögensverwaltern wird im kommenden Jahr voraussichtlich nur noch die Hälfte über eine entsprechende Lizenz verfügen. Das steht im Grunde in einem krassen Gegensatz zu einem nach wie vor deutlich wachsenden Volumen bei den verwalteten Assets, nicht zuletzt getrieben von einer anhaltend hohen Nach- frage gerade auch auf Seiten institutioneller Investoren, die nach intelligenten und ertragversprechenden Anlagelösun- gen suchen. Hier wollen wir ansetzen, um diesem inhären- ten Widerspruch etwas entgegenzusetzen. Wie muss man sich das konkret vorstellen? Harald Sporleder: Gerade kleinere Vermögensverwalter, aber auch unabhängige Asset Manager, die ein durchaus attrakti- ves und aktiv gemanagtes Anlageprodukt anbieten, das aber vielleicht noch nicht die notwendige Größe erreicht hat, geraten zunehmend unter Druck. Einerseits sind die regula- torischen Anforderungen in der jüngeren Zeit enorm gestie- gen – und derzeit zeichnet sich nicht ab, dass sich das so schnell ändern wird, im Gegenteil. Gleichzeitig wächst auf der anderen Seite der Druck auf die Margen enorm, was es gerade diesen kleineren Marktteilnehmern zusätzlich erschwert, ihr Geschäft aufrechtzuerhalten. Nicht zuletzt stehen Akteure aus Altersgründen vor einem ungelösten Nachfolgeproblem.Wir sind davon überzeugt, eine sinnvol- le Alternative zu bieten, mit der sich viele dieser Probleme lösen lassen. Ich glaube, dass wir gerade Anbietern, die even- tuell kurz vor dem Ausscheiden aus dem Markt oder dem Wechsel zur Standardlösung eines Haftungsdachs stehen, etwas zu bieten haben. In welcher Form? Dyrk Vieten: In Form einer Plattformlösung, die sich zum Beispiel auf bestimmte aufsichtsrechtliche Aufgaben in Bezug auf Compliance und Geldwäsche, aber vor allem auf den Vertrieb für unsere Partnergesellschaften konzentrieren wird. Dazu werden wir in Kürze eine Vertriebs- und Service- gesellschaft gründen, damit der Manager sich wieder seiner eigentlichen Aufgabe widmen kann: der Verwaltung seiner Kundengelder. Denn nicht wenige Boutiquen verfügen doch über gute Produkte. Die kennen jedoch viele institu- tionelle Investoren oft nicht, weil dem dahinterstehenden Manager die Zeit oder die Kapazitäten für die Ansprache potenzieller Investoren fehlen.Was uns dabei von vielen an- deren Anbietern wie insbesondere Private-Equity-Einheiten unterscheidet: Wir suchen eine langfristige Verbindung zu Partnern, ohne ihnen ihre Unabhängigkeit zu nehmen. Wir danken für das Gespräch! HANS HEUSER » Mit Stichworten wie ›Higher for longer‹ signalisieren die Zentralbanken, dass die Raten der Finanzierungs- kosten von Unternehmen noch für geraume Zeit deutlich höher bleiben dürften. « Harald Sporleder, CIO, Lingohr Asset Management N o . 4/2023 | institutional-money.com 243 Dyrk Vieten & Harald Sporleder | Amauris Invest | THEORIE & PRAXIS FOTO: © ANDREAS ENDERMANN

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