Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

M anche Ökonomen werden seit Jahren nicht müde, auf die „versteckten“ Staatsschulden in Gestalt von Pensionsansprüchen von Staats- bediensteten hinzuweisen – bislang blieben sie eher wenig beachtet. Dabei sind ihre Warnungen mehr als berechtigt. Während Versicherungen und Altersvorsorgeeinrichtungen gezwungen werden, für zukünftige Lasten vorzusorgen, geht der Staat damit eher entspannt um, wie ein Blick auf die bisher getroffenen Maßnahmen zeigt. „In Deutschland spre- chen wir von rund 85 Milliarden Euro, die insgesamt zur Bedeckung der deutschen Beamtenpensionen und für die pensionsberechtigten Hinterbliebenen gebildet wurden.Der größte Anteil daran – mit rund 75 Prozent – entfällt auf die Bundesländer, weil sie die meisten Beamten beschäftigen. Die restlichen 25 Prozent beziehen sich auf die Beamten des Bundes und der Kommunen“, erklärt Uwe Rieken, Vorstand der Faros Fiduciary Management AG. Enorme Lücke Die Lücke, die sich trotz dieser Töpfe auftut, ist gewaltig: „Die Verpflichtungen gegenüber den Beamten in Deutsch- land machen heute in Summe etwa 1,7 bis 1,8 Billionen Euro aus, je nachdemmit welchem Zinssatz man die künf- tigen Verpflichtungen abdiskontiert. Die Bedeckungsquote liegt also gerade einmal bei vier bis fünf Prozent.“Will der Staat seine Versorgungsversprechen einhalten, müssen die fehlenden 95 bis 96 Prozent aus künftigen Steuerzahlungen beglichen werden. „Das hat mit einer kaufmännischen Buchhaltung wenig zu tun.Man stelle sich vor, Versicherun- gen oder die berufsständischen Versorgungswerke würden so vorgehen!“, kritisiert Rieken das mangelhafte Interesse, eine ausgeglichene Bilanz anzustreben. „Das ist Moral Hazard. Außer zukünftigen Generationen hat niemand Interesse daran, die Rückdeckung der Beamtenansprüche auf solide Füße zu stellen und die Gelder professionell zu investieren. Aber wenn 50 Prozent eines Landeshaushalts für die Pensionszahlungen benötigt werden, dann besteht für das Landesparlament nur noch wenig Handlungsspielraum, um aktuelle Themen anzugehen“, warnt er. Eine große finanzielle Herausforderung stellt nicht nur die niedrige Rückdeckung dar, sondern auch der demogra- fisch bedingte Babyboomer-Buckel, der sich insbesondere für die Jahre ab 2032 abzeichnet. Das Verhältnis der Men- schen im erwerbsfähigen Alter – und damit der hauptsäch- lichen Quelle des Steueraufkommens – wird im Verhältnis zu den Leistungsempfängern sinken. Hinzu kommt der Langlebigkeitstrend. Hier ist zu anzumerken, dass Beamte statistisch eine höhere Lebenserwartung haben als der Durchschnitt, was deren Versorgung nicht einfacher macht. Eine Studie des DIW Berlin vom August 2021 hat ermittelt, dass männliche Beamte mehr als fünf Jahre länger leben als männliche Arbeiter. Bei Frauen ist der Unterschied geringer, aber mit drei Jahren immer noch deutlich. Insgesamt wird die Problematik der Zahlungen an ehe- malige Beamte also nicht kleiner, sondern größer. Insofern werden Kapitalpuffer benötigt, und sie sollten wachsen. Versorgungsrücklage und Versorgungsfonds So richtig erkannt wurde das Problem der zunehmenden Pensionslasten in Deutschland offenbar erst in den 1980er- Jahren. Zuvor war das Verständnis, dass die Ruhegehälter für ehemalige Beamte jeweils einfach aus dem laufenden Haus- halt zu zahlen wären. Es dauerte dann bis 1999, bis die Ver- sorgungsrücklage auf Bundesebene tatsächlich eingeführt wurde. „Finanziert wird sie durch Bezügeanpassungen, die den Beamten eigentlich zugestanden hätten und die in die Rücklage gelenkt wurde“, sagt Alexander Kleinkauf, Business Die Pensionsverpflichtungen gegenüber den Beamten des Bundes und der Länder sind immens, und irgendwann müssen die Versprechen eingelöst werden. Um einen Teil davon zu decken, wurden Versorgungsrücklagen und Pensionsfonds aufgebaut. Lawinen schutz 214 N o . 4/2023 | institutional-money.com PRODUKTE & STRATEGIEN | Öffentliche Pensionstöpfe FOTO: © INSIGHT INVESTMENT Auf Bundesebene gibt es zwei Töpfe: die 1999 eingeführ- te Versorgungsrück- lage und den 2007 hinzugekommenen Versorgungfonds. » Der Freistaat Sachsen geht von allen Bundesländern am konsequentesten vor, was die Ausfinanzierung der künftigen Versorgung seiner Beamten betrifft. « Alexander Kleinkauf, Business Development Manager beim Fixed-Income-Manager Insight Investment in Frankfurt

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