Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

Kohlenstoffintensität zusammengestellt wird,mit der Green- ness der ESG- und CO 2 -Mischportfolios vergleichen, kön- nen sie den Grad der „grünen Verwässerung“messen.Dieser entspricht dem Verlust an Greenness, bedingt durch die Hinzunahme von ESG-Scores zur CO 2 -Intensität als Deter- minante für die Portfoliogewichte. Starke Verwässerungseffekte Die Autoren können feststellen, dass die Kombination von ESG-Ratings und CO 2 -Intensitätszielen zu einer starken Verwässerung der Portfolio-Greenness führt. Die grüne Ver- wässerung über Kombinationen von ESG-Scores verschiede- ner Anbieter unter Verwendung des ESG- und CO 2 -Misch- ansatzes beträgt über alle Testportfolios hinweg durchschnitt- lich 92,2 Prozent (siehe Tabelle „Greenness und grüne Ver- wässerung“). Die grüne Verwässerung ist allgegenwärtig, unabhängig davon, welche ESG-Scores als Ziel angestrebt werden. Sie zeigt sich auch robust gegenüber mehreren alternativen Spe- zifikationen.Denn eine grüne Verwässerung von gut 92 Pro- zent bedeutet, dass die Investoren fast alles, was sie durch die Gewichtung von Aktien nach der Minimierung der CO 2 - Intensität hätten erreichen können, verlieren, wenn ESG- Scores als Teilgewichtungsdeterminante hinzugefügt wer- den. Nur acht Prozent des CO 2 -Reduktionsziels überlebten somit die Einbeziehung von ESG-Scores in das Portfolio- gewichtungsschema. Das Hinzufügen eines einzigen ESG- Scores bei der Portfoliokonstruktion, sodass die Aktienge- wichte gleichermaßen von der Kohlenstoffintensität und dem jeweiligen ESG-Score bestimmt werden, führt schon zu einer grünen Verwässerung von durchschnittlich 64,5 Prozent. Das Mischen von ESG-Bewertungen, von denen man erwarten könnte, dass sie grün sind, und Bewertungen, die zur Umweltsäule (E) gehören,mit der Kohlenstoffinten- sität führt ebenfalls zu einer erheblichen Verschlechterung der grünen Leistung. Das Mischen von Werten aus den Säulen „Social“ oder „Governance“ mit der CO 2 -Intensität führt regelmäßig zu Portfolios, die weniger grün sind als der kapitalisierungsgewichtete Index: Im Durchschnitt haben die Werte „Social“ und „Governance“ das CO 2 -Reduktions- ziel mehr als vollständig umgekehrt. Für die grüne Verwässerung gibt es eine einfache Erklärung. Die Rangkorrelation zwischen ESG-Scores und Kohlenstoff- intensität liegt nahe bei null (siehe Tabelle „Unkorreliert, so weit das Auge reicht“). Die beiden Ziele stehen in keinem Zusam- menhang und sind daher für Investoren schwer gleichzeitig zu erreichen. Diese geringe bis kaum vorhandene Korrela- tion erklärt, warumman ESG- und CO 2 -Scores in Portfolio- gewichtungsschemata nicht mischen sollte. Der Ausweg Getestet wurde eine alternative Methode zum Aufbau von Portfolios, bei der man CO 2 - und ESG-Ziele trennt. Dies ge- schieht, indem man zunächst die Aktien mit den niedrigs- ten ESG-Scores ausschließt und die verbleibenden Aktien nach der CO 2 -Intensität gewichtet. Die Autoren bezeichnen diese Portfolios als „ESG-Screening-Portfolios“. Die Resultate zeigen, dass die scheinbar relative Abweichung der beiden Methoden – hier Einbeziehung von ESG-Scores in das Ge- wichtungsschema zusammen mit der CO2-Intensität, dort ESG als Ausschlusskriterium – einen großen Einfluss auf die Greenness von Portfolios hat. Letztere Methode führt dazu, dass ESG-Screening-Portfolios den grünen Verwässerungs- effekt vermeiden können, wobei erstaunlicherweise das Aus- maß an grüner Verwässerung nahe null liegt. Da in der untersuchten Stichprobe kein Zusammenhang zwischen ESG-Scores und Kohlenstoffintensität besteht, haben ESG-Ausschlüsse keinen Einfluss auf die Verteilung der Kohlenstoffintensität im Aktienuniversum, sodass In- vestoren die Kohlenstoffintensität fast genauso gut minimie- ren können, wie sie es ohne ESG-Ausschlüsse tun würden. Das Mischen von ESG-Scores und CO 2 -Intensität in Ge- wichtungsschemata hingegen verwässert direkt jede der bei- den unabhängigen Kennzahlen. Außerdem finden die Au- toren heraus, dass das ESG-Screening im Vergleich zur ESG- und CO 2 -Mischung ohne Verlust beim durchschnittlichen ESG-Score implementiert werden kann, wenn die unteren 20 bis 30 Prozent der Aktien mit den niedrigsten ESG- Scores in einem entwickelten Aktienuniversum ausgeschlos- sen werden. Diese Ergebnisse sind robust gegenüber der Verwendung von Daten der untersuchten drei großen ESG-Rating-Anbie- ter und zwei verschiedenen Kennzahlen zur Messung grü- ner Verwässerungseffekte. Darüber hinaus überprüft man Unkorreliert, so weit das Auge reicht Rangkorrelationen zwischen ESG-Themen und Kohlenstoffintensität Durchschn. d. paarweisen Korrel. zwischen ESG-Themen-Scores und E-Säule S-Säule G-Säule Scope 1+2 Kohlenstoffintensität Durchschnitt Durchschnitt Durchschnitt MSCI ESG-Themen -0,24 0,05 0,00 Refinitiv ESG-Themen 0,04 0,03 0,06 Moody’s ESG-Themen 0,12 0,09 0,07 Tabellarische Aufstellung der durchschnittlichen Rangkorrelationen zwischen ESG-Scores und CO 2 -Intensität, errechnet für jede der drei ESG-Ratingagenturen MSCI, Refinitiv und Moody’s. Es zeigt sich, dass die Werte durchgängig nahe null sind. Somit besteht kein Zusammenhang zwischen den beiden Größen. Quelle: Scientific Beta N o . 4/2023 | institutional-money.com 117 ESG | THEORIE & PRAXIS FOTO: © SCIENTIFIC BETA » Der grünen Verwässerung wurde in der Praxis bislang noch nicht genug Aufmerksamkeit gewidmet. « Antoine Naly, Senior Quantitative Researcher bei Scientific Beta

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