Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

Quellen sammeln, rückwirkend korrigierte Werte in unter- schiedlicher Frequenz aktualisieren und/oder Anpassungen an den gemeldeten Werten mithilfe unterschiedlicher pro- prietärer Modelle vornehmen. Darüber hinaus machen Unterschiede in den Annahmen etwa bezüglich der metho- dischen Auswahl von Allokationsmethoden, den Annah- men zur Produktnutzung und -lebensdauer sowie Unter- schiede bei Modellen die Schätzung von Scope-3-Daten un- zuverlässig und erschweren die Vergleichbarkeit der Ergeb- nisse verschiedener Datenanbieter. Kapitalmarktforscher und Praktiker aus der Asset-Management-Industrie sowie institu- tionelle Anleger sollten sich der Messabweichungen zwi- schen externen Datenanbietern bewusst sein, wenn sie Ana- lysen von Portfolios vornehmen beziehungsweise deren Auf- bau mithilfe von Scope-3-Daten durchführen. Dilemma ohne Ausweg? Angesichts der erwähnten Probleme von Unternehmen, die ihre Treibhausgasemissionen inklusive Scope 3 offenlegen, besteht zusätzlich die Notwendigkeit, ein Schätzmodell zu entwickeln, das extern verfügbare Indikatoren nutzt, um jene Firmen, die keine Offenlegung vornehmen, in einem brei- teren Anlageuniversum abdecken zu können. Idealerweise sollten diese Modelle top-down unter Verwendung von Geschäfts- und Finanzkennzahlen implementiert werden, imGegensatz zu einem Bottom-up-Prozess, der eine sorgfäl- tige manuelle Erhebung von Daten erfordert. Obwohl Mo- delle, die einfache Extrapolationstechniken oder ausgefeilte Techniken des maschinellen Lernens verwenden, zur Schät- zung von Scope-1- und Scope-2-Emissionen verfügbar sind, wurde betreffend Scope 3 bisher wenig getan. Es sind aller- dings einige Versuche von Emissionsdatenanbietern erkenn- bar, die verschiedene Modellierungsansätze verwenden. Eini- ge Anbieter nutzen eine Bottom-up-Prozess-basierte Lebens- zyklusschätzung und Parameter wie Unternehmensaktivitä- ten und Emissionsfaktoren (Carbon4Finance). Andere wen- den ökologische Input-Output-Bewertungen unter Verwen- dung von Top-down-Metriken auf Branchenebene an oder setzen auf ein multivariates Regressionsmodell unter Ver- wendung von Metriken auf Unternehmensebene. Leider stellen viele Datenabieter und ESG-Ratingagentu- ren nur begrenzte Informationen zu ihren Scope-3-Schätz- methoden zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es praktisch keine Angaben über die Prognosekraft, also die Schätzge- nauigkeit, dieser Modelle. Die Qualität respektive Integrität der geschätzten Scope-3-Datensätze ist unbekannt, wie Timo Busch,Matthew Johnson und Thomas Pioch 2022 in „Cor- porate Carbon Performance Data: Quo vadis?“ monierten. Das Trio fand heraus, dass die Korrelation zwischen Scope- 3-Schätzungen von ISS und Trucost überraschend gering ist und nur bei 0,16 liegt. Die Schätzung der Scope-3-Emissio- nen ist aber nun einmal wichtig, da sie dazu beiträgt, Lücken in Form der nicht gemeldeten Scope-3-Kategorien zu schließen. Problematisch ist jedoch, dass Schätzungen von Drittanbietern Einschränkungen wie inhärente Vorher- sagefehler und Datenunsicherheiten nicht offenlegen. Licht ins Dunkel Dementsprechend haben Quyen Nguyen, Ivan Diaz-Rainey, Adam Kitto, Ben McNeil,Nicholas A. Pittman und Renzhu Zhang anhand der von Bloomberg, Refinitiv und ISS ab- gerufenen Daten versucht, sich mit folgenden drei Fragen näher zu beschäftigen: (i) Wie sieht es mit der Qualität der Scope-3-Emissionsdaten im Hinblick auf Messabweichun- gen zwischen diesen drei Datenanbietern aus? (ii) Wie ist es um die Qualität von Scope-3-Emissionsdaten im Hinblick auf die Zusammensetzung der von Unternehmen gemelde- ten Emissionskategorien bestellt? (iii) Können Methoden des maschinellen Lernens verwendet werden, um die Vorhersa- gegenauigkeit von Scope-3-Emissionen für Unternehmen, die keine Daten offenlegen, zu verbessern? Um die erste Frage zu beantworten, hat man sich die Scope-3-Emissionsdatensätze von Bloomberg, Refinitiv und ISS sowie die Divergenz zwischen diesen Datenanbietern über einen Drei-Wege-Abgleich der aggregierten Scope-3- Emissionen angesehen. Zur Beantwortung der zweiten Fra- ge haben die Kapitalmarktforscher die Zusammensetzung der Scope-3-Emissionsdaten von Bloomberg analysiert, da diese die einzigen Datensätze mit detaillierter Aufschlüsse- lung nach den einzelnen Scope-Kategorien sind, und unter- Relativer Stillstand Anteil der Firmen mit realen Scope-3-Daten überraschend gleichbleibend Datenanbieter ISS liegt aufgrund seiner proprietären Schätzungen für alle Nichtmelder bei vollständiger Marktabdeckung voran, während zu Bloomberg und Refinitiv Eikon immer von zirka 60 Prozent jener Unternehmen, die ihnen ihre Scope-1- und -2-Daten liefern, auch Scope-3-Daten gemeldet werden. Quelle: Studie 0,4 0,5 0,6 0,7 0,8 0,9 1,0 2019 I 2018 I 2017 I 2016 I 2015 I 2014 I 2013 ISS Refinitiv Eikon Bloomberg Anteil der Firmen 106 N o . 4/2023 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | Nachhaltigkeitsmanagement FOTO: © EMMI SOLUTIONS » Die Korrelation der Datensätze zwischen ISS und Bloomberg beziehungsweise Refinitiv Eikon liegt nur bei 55 respektive 56 Prozent. « Adam Kitto, Carbon Data Analyst bei Emmi Solutions Pty Ltd. in Adelaide

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