Institutional Money, Ausgabe 4 | 2023

formance-Parameter verpflichtend einführen sollen. Doch die Aufmerksamkeit des Managements, die immer eine viel- dimensionale sein sollte, wird dadurch künstlich verengt, und es kommt zur Umsetzung von zweitbesten Lösungen, um bestimmte ESG-Zielerreichungen nicht zu beschädigen. Dadurch könnten sich andere Probleme, denen weniger Aufmerksamkeit gewidmet wird, verschärfen, sodass insge- samt Wohlstandsverluste entstehen.Dazu kommt noch, dass viele Advokaten von ESG-abhängigen Performancezah- lungen klassische Performancegebühren ablehnen – für Edmans wieder ein Hinweis auf widersprüchliches Denken imZusammenhang mit ESG. Edmans meint, bevor man zu den an Finanzkennzahlen gebundenen Incentives des Top- managements auch solche, die an ESG-Fortschritte gebun- den sind, einführt, um hier eine Gleichwertigkeit der Ziele zu verankern, wäre es besser, beide zu streichen. 10. Marktversagen Marktversagen rechtfertigt regulatorische Eingriffe, heißt die zehnte und letzte These, der Edmans wenig abgewinnen kann. Der Kapitalmarktforscher relativiert: Ihm zufolge könne man das nicht generell behaupten. Ein regulato- risches Eingreifen sei nur dann gerechtfertigt, wenn die negativen Auswirkungen eines Marktversagens das bisherige Fehlen einer Regulierung übersteigen. Ein solches Marktver- sagen sind etwa sogenannte Externalitäten. Der freie Markt führt nicht zu einer effizienten Ressourcenallokation, da die Unternehmen externe Effekte, die sie auf die Gesellschaft ausüben, ignorieren. Einige ESG-Befürworter argumentie- ren, dass jedes Marktversagen zwingend mit einem regula- torischen Eingriff beendet werden müsse. Weil die Wirt- schaftswissenschaft diverse Ursachen für regulatorisches Ver- sagen aufgedeckt hat, seien staatliche Eingriffe eben nur dann gerechtfertigt sind, wenn das Marktversagen größer ist. Eine Art von Regulierungsversagen entsteht etwa dadurch, dass Regierungen nur quantifizierbare Faktoren regulieren können. Dadurch können die Auswirkungen von schwer messbaren Einflüssen unter- oder überschätzt werden. Bei- spielsweise besteuern die Städte Portland und San Francisco Unternehmen, deren Löhne ein bestimmtes Niveau über- schreiten, weil sie befürchten, dass hohe Löhne die soziale Ungleichheit erhöhen. Eine solche Kennzahl erfasst jedoch nur die Gehälter und nicht andere Elemente wie Mitarbei- terzusagen betreffend flexible Arbeitszeiten, hybrides Arbei- ten, Ausbildung am Arbeitsplatz und Unternehmenskultur. Dies kann dazu führen, dass Unternehmen zu wenig in die- se anderen Dimensionen der Mitarbeiterzufriedenheit inves- tieren. Probleme können auch dadurch entstehen, dass Vorschrif- ten einheitlich sind und auf die besonderen Umstände einer Firma keine Rücksicht nehmen. Auch wenn in einigen Unternehmen die Geschlechterdiversität in den Vorstands- etagen zu gering ist – vielleicht aufgrund von Diskriminie- rung oder Voreingenommenheit seitens des Nominierungs- ausschusses –, haben andere Gesellschaften ihre Vorstände möglicherweise optimal ausgewählt. Auch wenn Diversity- Quoten die finanzielle und soziale Leistung in ersterem Unternehmen verbessern, können sie in letzterem den Wert mindern – insbesondere wenn es einen Kompromiss mit anderen Formen der Diversität und Merkmalen jenseits der Diversität wie Erfahrung und Kontakten gibt. Tatsächlich stellen Kenneth R. Ahern und Amy K. Dittmar 2012 in „The Changing of the Boards: The Impact on Firm Valua- tion of Mandated Female Board Representation“ negative Auswirkungen der norwegischen Geschlechterquote auf die Performance fest, und Daniel Greene, Vincent J. Intintoli und Kathleen M. dokumentierten 2020 in „Do Board Gender Quotas Affect Firm Value?“ ähnliche Ergebnisse für Kalifornien. Das Vorliegen von Regulierungsversagen bedeutet für Edmans nicht, dass Regierungen auf Regulierung verzichten sollten. Es bedeutet lediglich, dass Regulierung Kosten und Nutzen mit sich bringt und es keine Pauschallösungen gibt. Edmans warnt daher: „Die Aufregung und Dringlichkeit von ESG-Themen bedeutet jedoch nicht, dass man aus der Hüfte heraus schießen und sich auf sein Bauchgefühl oder ungetestete Ideen verlassen sollte, um sich als Speerspitze im Kampf gegen den Klimawandel zu präsentieren.“ DR. KURT BECKER Äsops Fabel vom Hasen und der Schildkröte reloaded Der Hase ist übermütig im Wettrennen mit der Schildkröte, die beim Wettlauf als Erste durchs Ziel kommt. Er hoppelt vor und zurück, schlägt Haken, ermüdet und schläft ein, sodass er überholt wird. Ähnlich verhält es sich mit ESG-Anhängern, die mit Thesen vor- preschen, die durch die Erkenntnisse der Mainstream-Ökonomie überhaupt nicht gedeckt sind, sondern im Widerspruch zu diesen stehen, meint Professor Alex Edmans. 100 N o . 4/2023 | institutional-money.com THEORIE & PRAXIS | ESG-Konzepte FOTO: © PRANEAT | STOCK.ADOBE.COM » Ist Nachhaltigkeit bereits in den Kursen eingepreist, wird sie nicht notwendigerweise höhere Renditen bringen. « Dr. Alex Edmans, Professor an der London Business School (LBS)

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