Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

Sichtweise, die aus Kirks Sicht im Zentrum jedes Investmentansatzes stehen sollte. Fünf Monate später treffen wir Kirk in London. Er hat in der Zwischenzeit gekün- digt, verfolgt diverse Beratungsmandate und steht kurz davor, für die „Financial Times“ den ersten Teil einer neuen Kolum- ne zu schreiben. Herr Kirk, die Rede vom Mai stellte eine Zäsur in Ihrem Leben dar. Haben Sie mit einer derartigen Resonanz gerechnet – oder sie vielleicht sogar aktiv provoziert? Stuart Kirk: Nein, ich war von der Reaktion vollkommen überrascht. Warum ausgerech- net dieser Vortrag so dermaßen viral ging, kann ich mir bis heute kaum erklären. Es werden wohl ein paar Faktoren gewesen sein: Meine Wortwahl, die Märkte befanden sich in einer Abkühlungsphase, alle waren etwas nervös, dazu der tobende Kultur- kampf. Es war also vielleicht eine Frage des Timings. Ich hatte ja fünf Monate zuvor einen sehr ähnlichen Vortrag gehalten: das- selbe Thema, ebenfalls online gestreamt, ebenfalls Presse vor Ort. Geschehen ist damals nichts. Vielleicht zur Wortwahl: Sie meinten damals im Rahmen der Präsentation, dass man sich als Investor nicht um den Untergang Miamis kümmern sollte und ESG nicht funktioniere. Das wurde als extrem zynisch wahrgenommen. Stuart Kirk: Na ja, tatsächlich habe ich ge- sagt, dass Untergangsszenarien wie die von Miami für Investoren irrelevant sind, weil sie sich nicht einstellen werden. Es werden sich technische Lösungen finden. Deshalb sollten solche Szenarien nicht in die Risiko- budgets übernommen werden. Was ESG betrifft, so sehe ich das nach wie vor so. Es besteht eine Vermengung zwischen ESG als Investmentansatz und ESG als Tool zum Risikomanagement. Das klingt nach nicht viel, trägt aber enormen Sprengstoff in sich. Mittlerweile haben Sie ja bei HSBC gekün- digt ... » ESG-Krisenszenarien, die sich nicht einstellen werden, sollten auch nicht in die Risikobewertung einfließen. « Stuart Kirk Der Kulturkrieger Stuart Kirk wurde mit seiner HSBC- Präsentation vom Mai 2022 über Nacht laut eigenen Angaben zu „einem der Generäle der Kulturkriege“, die derzeit rund um den Globus toben. Es folgte der Vertrauensentzug durch Vorgesetzte und Geschäfts- führung. Derzeit ist Kirk freibe- ruflich als Kommentator für die „Financial Times“ sowie als Konsulent und Keynote Speaker tätig. Eine Rückkehr in die Fi- nanzbranche schloss er zuletzt nicht aus. Begonnen hat Kirk seine Karriere nach seinem Volkswirt- schaftsabschluss an der Univer- sity in Cambridge als Manager eines Global- Equity-Fonds bei Morgan Grenfell , Consulter bei Oliver Wyman und bereits rund um die große Finanzkrise als Journalist für die „Financial Times“. Die vergangenen beiden Jahrzehnte ver- brachte er in verschiedenen Rollen bei einflussreichen Finanzkonzernen. Für Deutsche Bank fungierte er als Glo- bal Head of Multi Asset and Thematic Research. Bei DWS war er Head des Research Institute. Für HSBC Asset Management war er bis 2022 Global Head of Research, Insights and Responsible Investing. In dieser Position sollte er das Haus mit pointierten Analysen und Präsenta- tion nach außen vertreten. T H E O R I E & P R A X I S | S TUART K I RK 80 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com FOTO: © TOM BIRTCHNELL

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