Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

in der Finanztechnologie zurückzuführen. Als ich das Buch 2010 geschrieben habe – es erschien 2011 –, hatte ich die Entwick- lung der elektronischen Handelsplattformen für Währungen nicht antizipiert. Was haben die elektronischen Handelsplatt- formen denn bewirkt? Barry Eichengreen: Ich gebe Ihnen ein Bei- spiel: Wenn früher ein mexikanischer Importeur für kanadischen Ahornsirup Ware kaufen wollte, musste er zunächst mexika- nische Pesos in US-Dollar umtauschen und dann US-Dollar in kanadische Dollar. Jetzt kann der mexikanische Importeur eine elek- tronische Handelsplattform nutzen und di- rekt mexikanische Pesos in kanadische Dol- lar tauschen. Es ist auch genügend Liquidi- tät da, um diesen Trade effizient durchfüh- ren zu können. Seit dem Ukraine-Krieg wird viel über Wirt- schaftssanktionen diskutiert. Wie wirken sich diese auf die Zusammensetzung von Wäh- rungsreserven durch Zentralbanken aus? Barry Eichengreen: Meine Kollegen und ich haben die Sanktionen der letzten 30 Jahre betrachtet. Wir wollten sehen, ob Zentral- banken ihre Reserven breiter diversifizieren, wenn es Sanktionen gibt, was dann den Einfluss des Dollars reduzieren würde. Die Daten weisen nicht darauf hin, dass Sank- tionen die Zentralbanken dazu bewogen haben, ihre Devisenreserven anders zu strukturieren. Bei Gold sieht das anders aus: Hier konnten wir einen Zusammenhang zu den Sanktionen feststellen. In Zeiten politi- scher Unsicherheit, wenn Finanzsanktionen drohen, treten Zentralbanken signifikant als Goldkäufer auf. Regierungen und Zentral- banken betrachten Gold also als Sanktions- Hedge. Reagieren alle Zentralbanken so? Barry Eichengreen: Nein, die Zentralbanken von Industrieländern haben in den vergan- genen Jahren ihre Goldreserven tendenziell liquidiert; sehr sorgfältig natürlich, um nicht den Preis ihrer Bestände zu drücken. Die Zentralbanken von Entwicklungsländern haben sich in die andere Richtung bewegt. Beispielsweise ist bekannt, dass die russi- sche Zentralbank ihre Goldreserven deutlich aufgestockt und sie auch repatriiert hat. Dieser Trend hat sich nach der russischen Ukraine-Invasion 2014 verstärkt. Was haben die Daten noch gezeigt? Barry Eichengreen: Die Währungsreserven von Entwicklungsländern sind relativ zu ihrer wirtschaftlichen Bedeutung höher als die von Industrieländern. Die Zentralbank- manager von Entwicklungsländern sind mehr darauf bedacht, ihre Währungsre- serven aktiv zu managen, um Rendite zu erzielen. Wenn der Euro und der Renminbi einmal als Konkurrenten für den US-Dollar ange- sehen wurden, warum hat sich das – zumin- dest bislang – nicht durchgesetzt? Barry Eichengreen: Im Fall des Euro waren es sicher die Dinge, die 2009/2010 passiert sind. Das hat das Vertrauen in die einheit- liche europäische Währung gedämpft. Dazu kommt das Thema Liquidität. Der Markt für US-Treasuries ist riesig und hoch liqui- de, während der Markt für Euro-denomi- nierte Staatsanleihen fragmentiert ist. Zen- tralbankmanager schätzen Papiere, die wert- beständig sind und die sie jederzeit in be- liebigen Mengen liquidieren können. Wenn der US-Dollar an Wichtigkeit einge- büßt hat, welche Währung hat dann an Bedeutung gewonnen? Barry Eichengreen: Betrachtet man die Zusam- mensetzung der Devisenreserven, ist etwa ein Viertel der Einbußen auf den Renminbi übergegangen. Die anderen drei Viertel sind auf den kanadischen, den australischen und den Singapur-Dollar übergegangen, aber auch auf die schwedische, norwegische und » Sanktionen bewegen die Zentralbanken nicht, ihre Devisenreserven anders zu strukturieren. « Prof. Barry Eichengreen, University of California, Berkeley T H E O R I E & P R A X I S | PROF. BARRY E I CHENGRE EN | UN I VERS I TY OF CAL I FORN I A 70 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com FOTO: © TIM FLAVOR

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