Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

A ngesichts der hohen Inflation stellt sich die Frage, ob sich die Zentralbanken selbst in Zugzwang gesetzt haben. Fraglich ist auch, ob die Hegemonie des Dollars im Weltfinanzsystem fortbesteht oder andere Währungen aufsteigen werden. Wir haben mit Prof. Eichengreen über diese Themen gesprochen. In Ihrem Buch „Exorbitant Privilege“ geht es um den US-Dollar als Reservewährung. Lagen Sie im Nachhinein betrachtet richtig mit Ihren Aussagen zum US-Dollar? Barry Eichengreen: Ich habe in dem Buch zwei Prognosen getroffen, die eine hat sich als richtig, die andere als falsch erwiesen. Richtig lag ich damit, dass sich die Rolle des US-Dollars in der Weltwirtschaft ab- schwächen würde. Die Hegemonie des US- Dollars spiegelte lange die Dominanz der US-Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wider. Inzwischen ist die Welt zunehmend multipolar ausgeprägt. Der Anteil der USA am weltweiten Handel, am Welt-BIP, ist sukzessive gesunken. Entsprechend ist die Dominanz des US-Dollars gesunken. Welchen Einfluss hat die sinkende Domi- nanz des Dollars auf das Währungssystem? Barry Eichengreen: Am klarsten stellt sich das anhand der Zusammensetzung der Wäh- rungsreserven dar. Noch vor 20 Jahren machte der US-Dollar etwa 70 Prozent der Devisenreserven der weltweiten Zentral- banken aus; heute sind es nur noch etwa 60 Prozent. Und was war Ihre zweite Prognose? Barry Eichengreen: Ich hatte gesagt, dass der US-Dollar zunehmend Konkurrenz von den Währungen der anderen großen Wirtschafts- mächte erhalten würde: dem Euroraum und China. Mit dieser Prognose lag ich falsch. Bis jetzt hat sich der Euro gegenüber dem Dollar nicht durchgesetzt, und auch der Renminbi hat nur geringfügig an Wichtig- keit zugelegt. Was bedeutet das für die Weltwirtschaft? Barry Eichengreen: Ich habe das mit ein paar Kollegen vom IWF in einem Paper unter- sucht. Es bedeutet, dass wir uns auf ein diverseres, multipolares Weltfinanzsystem zubewegen – und nicht auf ein tripolares System, das dominiert wird vom US-Dollar, vom Euro und vom Renminbi. Vielmehr haben wir es mit einem System aus einer größeren Anzahl kleiner Währungen zu tun. Diese Entwicklung ist auch auf Änderungen Mit der Rückkehr der Inflation und diversen Angebotsschocks befinden wir uns in einem schwierigen Umfeld. Was sind die Möglichkeiten der EZB und der Fed, gegenzusteuern? Darüber unterhalten wir uns mit dem Währungssystemexperten Prof. Dr. Barry Eichengreen . » MULTIPOLARES WE T H E O R I E & P R A X I S | PROF. BARRY E I CHENGRE EN | UN I VERS I TY OF CAL I FORN I A 68 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com FOTO: © TIM FLAVOR

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=