Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

die Steuereinnahmen niedriger als heute sein könnten? Welcher Staat macht so etwas? Keiner! Bei SeLFIES erübrigen sich Risikohinweise genauso, wie sie sich bei der staatlichen Rente erübrigen! Sie sagten, dass auch institutionelle Investo- ren SeLFIES kaufen könnten. Warum sollten sie darin investieren? Robert Merton: Das Auszahlungsprofil von SeLFIES kommt vielen institutionellen Investoren entgegen. Pensionskassen bei- spielsweise haben oft Verpflichtungen, die weit in der Zukunft liegen. Diese könnten sie dann mit den Auszahlungen aus den SeLFIES decken. Wenn Institutionelle SeLFIES kaufen, dann geschieht dies in großen Abschnitten. Das sollte dann im Rahmen von Auktionen geschehen, so wie bei anderen Staatsanleihen auch. Die Preis- findung wird dann ebenfalls sehr sophisti- ziert sein, schließlich handeln hier ja profes- sionelle Stellen. Was macht der Staat mit dem Geld, das er durch den Verkauf der SeLFIES einnimmt? Robert Merton: Staaten leihen sich immer Geld aus. Daher kann die Regierung mit dem Geld, das sie durch den Verkauf der SeLFIES einnimmt, machen, was sie ohne- hin tun würde. Natürlich ließe sich auch festlegen, dass dieses Geld nur für Infra- strukturausgaben oder die Einsparung von CO 2 -Emissionen ausgegeben werden darf. Aber das ist nicht notwendig. Mit einem normalen Bond werden ja auch alle mög- lichen Staatsausgaben bestritten. Wichtig ist, dass der Staat verpflichtet ist, die verspro- chenen Zahlungen zu leisten, so wie er jetzt verpflichtet ist, die Zahlungen auf seine Staatsanleihen zu bezahlen. Es mag sogar sein, dass Infrastrukturausgaben ganz gut zur Ausgabe von SeLFIES passen, weil das Auszahlungsprofil passt. Wenn ein Staat heute eine Straße oder einen Flughafen baut, verschuldet er sich heute und hat während der Bauphase keine Einnahmen. Erst nach Fertigstellung kann der Staat Ein- nahmen aus der Straße oder dem Flughafen generieren. Diese könnte er dann für die Auszahlungen aus dem entsprechenden SeLFIES-Jahrgang verwenden. Wir haben SeLFIES nicht designt, damit Staaten ihre Infrastrukturprojekte finanzieren können, aber es ist tatsächlich ein guter Match. Können Menschen nur SeLFIES ihres eige- nen Landes kaufen? Robert Merton: SeLFIES sind frei handelbare Assets. Jeder kann jedes SeLFIE kaufen, genauso, wie Sie als Deutsche auch US- Treasury-Bonds kaufen können. Sie können in einem anderen Land in 30 Jahren natür- lich ganz andere Konsumausgaben oder eine andere Inflationsrate haben als im Heimatland. Wenn Sie beispielsweise Ihren Lebensabend in Spanien verbringen möch- ten, dann kaufen Sie – sobald Sie das wissen – spanische SeLFIES. Gibt es schon Länder, die SeLFIES aus- geben? Robert Merton: Einige Länder haben mich bereits kontaktiert und wollten mehr über die Idee erfahren. Im Prinzip kann jedes Land SeLFIES einführen, auch in abge- wandelter Form; ich habe da kein Patent drauf. Ein Land, mit dem ich vorher kaum etwas zu tun hatte, ist offenbar kurz davor, SeLFIES einzuführen: Brasilien. Dort wur- de bereits ein akademisches Papier dazu veröffentlicht, und die dortige Presse hat geschrieben, dass SeLFIES noch 2022 ein- geführt werden sollen. Danke für das Gespräch! ANKE DEMBOWSKI » Meine Idee ist, dass ein Staatspapier aufgelegt wird, dessen Auszahlungsprofil wie eine lebenslange Rente aussieht. « Robert Merton, MIT Sloan School of Management T H E O R I E & P R A X I S | PROF. ROB ERT C . MERTON | MI T S LOAN SCHOOL OF MANAGEMENT 66 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com FOTO: © CHRISTIAN FLEMMING

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