Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

Weber war mit keiner dieser Positionen ein- verstanden. Selbst wenn es sich bei der Inflation nur um eine vorübergehende Phase handelt, dann passiert in dieser Zeit etwas mit der Gesell- schaft. Wir erleben ohnehin schon extreme Ungleichgewichte. Starke Inflation, besonders wenn sie sich auf die Grundbedürfnisse bezieht, verschärft diese. Ich wollte einfach eine dritte Position aufzeigen. Und diese geht davon aus, dass die Inflation angebotsseitig getrieben ist – eine Prämisse, die mancherorts nach wie vor umstritten ist. In Stu- dien wie der des Instituts der Deut- schen Wirtschaft, betitelt als „Nur begrenzten Einfluss auf die Infla- tion“, wird Webers These mittler- weile untermauert, und laut dem Economic Bulletin der EZB mit dem Titel „The role of demand and supply in underlying inflation – de- composing HICPX inflation into components“ sind zwei Drittel der HICPX-Inflation angebotsbedingt oder nicht eindeutig. Nur ein Drittel wird durch Nachfrage getrieben. Außerdem lässt sich auch die viel zitierte Lohn-Preis-Spirale nicht nachweisen und ist bis jetzt auch im aktuellen Szenario nicht eingetreten. Was wir hingegen gesehen haben, ist, dass sich die Profitraten der USA zum Jahreswechsel auf dem höchsten Stand seit 1947 befanden. Das führte mich zu dem Argument, dass sich 1947, im Über- gang von der Kriegs- zur Nachkriegswirt- schaft in den USA, auch die Herausforde- rung stellte, wie man mit den weitreichen- den Lieferkettenengpässen umgeht, die wir ja auch jetzt haben. Wenn man von Panzer auf Auto umstellt, braucht man Zeit. Das Angebot ist in solchen Phasen sehr inelas- tisch, wodurch sich die Wettbewerbssitua- tion stark verändert. In der damaligen Situation waren alle renommierten Ökono- men wie Paul Samuelson oder Irving Fisher dafür, dass man strategisch gezielte Preis- kontrollen einsetzt, um eine Preisexplosion zu verhindern, die sich wie ein Lauffeuer im ganzen System verbreitet. Die Wunderwaffe Doch wie diese historischen Er- kenntnisse in die Gegenwart trans- portieren? Zwar sollte ein anderer Nobelpreisträger, Joseph Stiglitz, Ende November einmahnen, „dass Kriege nicht mit einer Friedenswirt- schaft gewonnen werden“, doch ganz analog waren die Situationen zu Beginn des 20. und 21. Jahrhun- derts dann doch nicht. Also sollte die bereits erwähnte Arbeit mit Dullien die Erkenntnisse von damals in Stra- tegien von heute gießen und letzten Endes ein Modell vorschlagen, das ökonomisch gesehen zumindest theoretisch als Allzweckwaffe gegen die Inflation dienen könnte. Lohn-Preis-Spirale Vorerst keine Anzeichen für das Auftreten eines solchen Phänomens Statt eines starken Lohnanstiegs ist ein deutliches Wachstum bei den Unternehmensgewinnen zu beobachten – hier angenähert in Form des DAX-Gewinns je Aktie. Eine Reminiszenz an die US-Nachkriegszeit. Quelle: Bloomberg 600 700 800 900 1.000 1.100 1.200 1.300 -5,0 % -2,5 % 0,0 % 2,5 % 5,0 % 7,5 % Reallohnindex Gewinn je Aktie DAX Nominallohnindex Lohnentwicklung in Prozent Gewinn je Aktie DAX 2018 2019 2020 2021 2022 Q2 Q3 Q4 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q1 Q3 Q4 Q1 » Was wir gesehen haben, ist, dass sich die Profitraten der USA zum Jahreswechsel auf dem höchsten Stand seit 1947 befanden. « Isabella Weber 38 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | I SAB E L LA WE B ER | UN I VERS I TY OF MAS SACHUS E T T S AMHERS T FOTO: © TIM FLAVOR

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