Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

spräch Zuflucht, der Fotograf ist mit dem Licht zufrieden, der Kellner entspannt sich, als klar wird, dass wir nicht nur reden und fotografieren, sondern auch Heißgetränke bestellen. Weber wirkt umgänglich, ent- spannt, der Stress der vergangenen Tage und des turbulenten Kommissions-Starts ist ihr nicht anzumerken. Ich war gerade in Washington D. C. als Sachverständige im House Over- sight Committee (Anm.: Äquivalent eines parlamentarischen Untersu- chungsausschusses) zum Thema Big Oil und Inflation, als das E-Mail mit rotem Ausrufezeichen und „Bitte melden“ aus dem BMWK (Bundes- ministerium für Wirtschaft und Kli- maschutz) kam. Das war am selben Tag, als Olaf Scholz die Kommission angekündigt hat. Ich musste mich in Minuten entscheiden. Insofern könnte man also sagen, dass Krugman letzten Endes der größte Förderer Webers ist. Denn anstatt sich nach dem Sturm tot zu stellen und erleichtert zu sein, dass das Schlimmste überstanden schien, nützt Weber ihren immens gestiegenen Be- kanntheitsgrad und legt drei Monate später in einem Leitartikel für den „Wirtschafts- dienst“, den sie gemeinsam mit Sebastian Dullien verfasst, nach. Titel der Positionie- rung: „Mit einem Gaspreisdeckel die Infla- tion bremsen.“ Das Wort „Gaspreisdeckel“ sollte sich als enorm wirkungsmächtig er- weisen und das Nachrichtenmagazin „Spie- gel“ kurze Zeit später dazu veranlassen, Weber als die „Erfinderin“ des Gaspreis- deckels zu stilisieren. Die Erfinderin Stellt sich die Frage, wie man mit einer derartigen medialen Zuspitzung umgeht. Will man in der öffentlichen Wahrnehmung auf diese eine Rolle reduziert werden? Wehrt man sich dagegen? Oder nützt man diese Vereinfachung zur besseren Eigenver- marktung? Das mit der „Erfinderin“ hat sich so erge- ben. Als der „Guardian“-Artikel erschien, gab es ja noch keinen Krieg. Trotzdem hat- ten wir bereits Teuerungsraten von fünf Pro- zent. 2,5 Prozentpunkte kamen nur von den gestiegenen Gaspreisen. Wenn man das allein mit Zinssteigerungen bekämpfen will, sinkt die Inflation erst, wenn die Wirtschaft abgewürgt wird. Das führt dann zu einer Überlappung von Inflation, Rezession und höheren Zinsen. Weber betrachtet die ökonomische Welt, wie sie sich zu Beginn des Jahres dargestellt hat, als zwischen zwei Lagern gefangen. Auf der einen Seite das „Camp Transitory“, in dem man davon ausging, dass der Infla- tionsanstieg nur vorübergehend sei. Auf der anderen Seite positionierte sich das Lager derjenigen, die zu wissen glaubten, dass die Inflation nach wie vor nachfragegetrieben sei und dass man so schnell wie mög- lich die Zinsen anheben müsse. » Wenn man die gegen- wärtige Inflation allein mit Zinssteigerungen bekämpfen will, sinkt die Teuerung erst, wenn die Wirtschaft abgewürgt wird. « Isabella Weber Eskalation am Gasmarkt Trotz relativer Beruhigung sind die Preise nach wie vor hoch. Der Gaspreis ist bereits 2021 merklich gestiegen, erzielte mit der russi- schen Invasion in der Ukraine jedoch einen unvorhersehbaren Höhepunkt. Laut Weber ein Fall für einen strategischen Preisdeckel. Quelle: Bloomberg 0 50 100 150 200 250 300 2022 2021 Gaspreis EUR je MWh 36 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | I SAB E L LA WE B ER | UN I VERS I TY OF MAS SACHUS E T T S AMHERS T FOTO: © TIM FLAVOR

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