Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

ten wird, macht den Bürgern in der Schweiz etwas Angst“, erklärt Trixl. „Wenn jemand immer in die erste und zweite Säule einge- zahlt hat, darf er eine Rente in Höhe von 60 Prozent des Lohns erwarten. Jetzt machen sich die Menschen Sorgen, was nach den zehn Jahren ist, angesichts der demografi- schen Situation, die wir in der Schweiz ha- ben. Es ist zu spüren, dass jetzt die private Vorsorge, die dritte Säule, stärker in den Vor- dergrund rückt. Als Teil der Crédit-Agricole- Gruppe begleiten wir diesen Trend natürlich. Amundi bietet Anlagelösungen, die im Vor- sorgebereich in Säule 3a nutzbar sind: aktive und passive Fonds sowie Multi-Asset-Port- folios. Außerdem bieten wir Technologielö- sungen für Banken und Versicherungs- partner: Robo-Advice oder digitale Platt- formen, auf denen Sparkunden ihr Port- folio selbst zusammenstellen können.“ Berufliche Vorsorge folgt Ruhe ist allerdings auch nach der AHV-Reform noch nicht eingekehrt, denn als Nächstes steht die Anpassung der zweiten Säule an. „Für Gutverdiener ist die zweite Säule wesentlich wichtiger als die AHV. Die Rente aus der Beruflichen Vorsorge (BVG) kann um ein Vielfaches höher sein, wenn man gut verdient hat“, er- klärt Denner. Obwohl das Versorgungsni- veau der Beruflichen Vorsorge im interna- tionalen Vergleich relativ hoch ist, gilt sie in der Schweiz als reformbedürftig. „Bei der zweiten Säule handelt es sich um eine kapi- talgedeckte berufliche Altersvorsorge, die über die Betriebe abgewickelt wird. Im obligatorischen Bereich, also bei einem so- zialversicherungspflichtigen Lohn zwischen 25.095 und 86.040 CHF, werden Beiträge von zehn bis zwölf Prozent eingezahlt, je- weils hälftig von Arbeitnehmer und Arbeit- geber. Später kann man wählen, ob man sei- ne Leistung lieber als Kapitalbetrag oder als Rente beziehen will“, erklärt Denner das System. Bei Gehaltsbestandteilen, die über 86.040 CHF hinausgehen, kommt die über- obligatorische Versorgung in Frage, bei der die Arbeitgeber mit den Pensionskassen größere Gestaltungsfreiräume als im obliga- torischen Bereich haben. Die zweite Säule sollte bereits mit dem Altersreformpaket 2017 erneuert werden, was aber an den Volksabstimmungen schei- terte. So entschloss man sich, die beiden Säulen separat zu überarbeiten. „Die Reform der zweiten Säule, die sogenannte ,BVG 21‘, sieht eine Senkung des Mindestumwand- lungssatzes vor, mit dem das im Lauf der Jahre angesammelte Kapital in eine Rente umgewandelt wird“, erklärt Trixl, „laut ge- setzlicher Vorgabe liegt der Umwandlungs- satz derzeit bei 6,8 Prozent, im Gespräch ist eine Absenkung auf 6,0 Prozent.“ Ein sin- kender Umwandlungssatz bedeutet niedri- gere Rentenzahlungen für Neu-Rentner. Generationendiskussion Eine Senkung des Mindestumwandlungs- satzes im obligatorischen Bereich der zwei- ten Säule von 6,8 auf 6,0 Prozent führt zu einer Rentenkürzung von 12 Prozent und würde zu einer anderen Lastenverteilung zwischen den Generationen führen. „Die Jungen sind nicht so glücklich, dass die heutigen und die angehenden Rentner rela- tiv gut bedient werden, und fürchten, dass für sie dadurch weniger in den Rententöp- fen übrig bleibt“, erklärt Denner die aktuelle Stimmungslage. Trixl hält die Absenkung des Umwand- lungssatzes für gerechtfertigt: „Die Märkte haben nicht so viel hergegeben, dass die Renten für einen so hohen Umwandlungs- satz erreicht werden konnten. Die jetzigen Rentner haben einen überhöhten Genuss des Kapitals, das heißt, die jungen Einzahler wurden von ihrer Rendite abgeschöpft. Das schürt einen Generationenkonflikt, und der soll durch die Herabsetzung des Satzes ent- spannt werden.“ Der Änderungsvorschlag für BVG 21 liegt jetzt noch beim Ständerat, der Kantonsvertretung, im Nationalrat ist er bereits durch. Mit einer entsprechenden Ge- setzesänderung rechnet Trixl 2023 oder 2024. Wie in anderen Ländern werde der Druck auf die Rentensysteme auch in der Schweiz zu einer Konsolidierung bei den Einrichtungen führen. „Derzeit haben wir in der Schweiz noch 1.500 Pensionskassen; das ist viel“, meint Trixl. Er glaubt, dass die er- höhten administrativen Anforderungen, zum Beispiel im Bereich ESG, Reporting etc., zu einer Konsolidierung bei den Pensionskas- sen führen werden. „In den Niederlanden konnten wir das bereits beobachten, und da- raufhin wurden die Kassen effizienter in der Administration“, wirft Trixl einen Blick in den Norden. Auch in der Schweiz gehe der Trend in Richtung Sammelstiftungen. Und die anderen Länder? Weder die Niederlande noch die Schweiz stehen mit der Alterung der Gesellschaft allein da. Hinzu kommt, dass laut einer Auf- stellung der OECD vom Juni 2022 ausge- rechnet die beiden Reformländer mit der Kapitalabdeckung ihrer Pensionszusagen in Relation zum GDP sehr weit oben rangie- ren. In den Niederlanden machen die Pen- sionsfonds 209,5 Prozent des GDP aus, in der Schweiz sind es 143,1 Prozent. Hinge- gen betragen die Assets der Pensionsfonds in Österreich lediglich 6,7 Prozent des GDP und in Deutschland 7,8 Prozent. Die Alters- vorsorgesysteme sind auch gar nicht mit- einander vergleichbar, mag man sich beru- higen. Allerdings sind Rentensysteme mit geringer Kapitaldeckung immer eine Anlei- he auf künftige Arbeitseinkünfte der jünge- ren Generationen. Insofern ist zu erwarten dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann in den anderen westlichen Ländern der Druck so stark wird, dass die Regierungen die Rentensysteme erneuern müssen. „Insbesondere in den südlichen Ländern Europas ist das Versorgungsniveau der Ren- te deutlich niedriger als in der Schweiz, wo wir bei etwa 60 Prozent liegen. Dort muss der Staat seine Rentner fördern, aber auch die private Vorsorge stärken“, meint Trixl. Er ist überzeugt, dass die Niederlande und die Schweiz mit ihren Rentenreformen nur den Anfang gemacht haben und dass weite- re Länder Europas folgen werden. ANKE DEMBOWSKI » Die Jungen sind nicht so glücklich, dass die heutigen und die angehenden Rentner relativ gut bedient werden. « Reiner Denner, Partner Tax bei KPMG Schweiz 270 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | AHV- RE FORM FOTO: © DANIEL HAGER

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