Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

ren. In Anerkennung ihrer Arbeit im Haus- halt hat man sich damals entschlossen, sie früher in Rente gehen zu lassen“, erklärt Christian Trixl, CEO von Amundi Schweiz. „Dass Frauen und Männer jetzt im gleichen Alter in Rente gehen werden, ist eigentlich eine historische Entrümpelung und ent- spricht dem heutigen Frauenbild der Gleich- stellung. Heute gibt es dank Flexwork auch viel mehr Möglichkeiten für junge Fami- lien, dass beide Partner auch mit Kindern im Arbeitsleben bleiben können. Dem trägt das neue AHV-System nun Rechnung.“ Mehrwertsteuer angehoben Eine weitere Maßnahme der jüngst beschlossenen Reform ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,4 Prozentpunkte. Die beiden Vor- lagen – Mehrwertsteuererhöhung und Leistungsanpassung der AHV – waren miteinander verknüpft. Wäre eine der beiden abgelehnt worden, hätte das die gesamte Reform zum Scheitern gebracht. Da aber beide Vorlagen durchka- men, wird nun der reduzierte Mehr- wertsteuersatz von 2,5 auf 2,6 Pro- zent erhöht und der Normalsatz von 7,7 auf 8,1 Prozent. „Die zusätz- lichen Einnahmen aus der Ver- brauchssteuer sollen in die AHV fließen, um diese zu stabilisieren. Dieser Teil der Abstimmung war in der Schweiz weniger ein Politikum“, erklärt Denner. Trixl ergänzt: „Die AHV ist eine staatliche Versicherung, finanziert durch Umlageverfahren. Der Staat bürgt dafür. Daher werden jetzt auch die höheren Kos- ten auf die Steuerzahler abgewälzt, indem die Konsumsteuer angehoben wird.“ Er verweist darauf, dass die AHV auch eine soziale Komponente hat: „Für die AHV gilt keine Beitragsbemessungsgrenze wie in Deutschland, sondern der Beitrag von 10,6 Prozent muss auf die gesamte Lohnsumme abgeführt werden. Die Rentenhöhe ist aber gedeckelt auf 2.390 Franken pro Person beziehungsweise auf 3.585 Franken für ein Ehepaar. Eine sozial gerechtfertigte Umver- teilung findet hier also statt.“ Da kommt noch mehr Die Stabilisierung der AHV war offenbar dringend nötig, denn Prognosen des Bundes haben gezeigt, dass das Jahresergeb- nis der AHV ohne Reform ab 2025 negativ ausgefallen wäre. Schätzun- gen zufolge hätte sich ohne die Reformmaßnahmen bis 2032 eine Finanzierungslücke von 18,5 Mil- liarden Franken aufgetan. Mit der aktuellen Reform soll die Finanzierung der ersten Säule zu- nächst einmal bis 2030 gesichert sein. Im Gleichgewicht ist die AHV, wenn die Einnahmen der Versi- cherung die laufenden Ausgaben decken. Da nicht immer eine Punkt- landung gelingt, spricht man in der Schweiz von „stabilen Finanzen der AHV“, wenn ein vorübergehendes Ungleichgewicht zwischen Einnah- men und Ausgaben über mehrere Jahre ausgeglichen werden kann. Dazu ist in der Schweiz ein Aus- gleichsfonds vorgesehen, dessen Sollgröße etwa eine Jahresausgabe der AHV beträgt. „Dass die Stabilisierung der AHV nur für die nächsten zehn Jahre hal- In Luxemburg früh, in Italien spät In diesem Alter geht man in Europa in Altersrente. Die Angaben beziehen sich auf das gesetzliche Renteneintrittsalter für Männer. Quelle: OECD, Spiegel Online 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 Italien Island Norwegen Irland Niederlande Deutschland Portugal Schweiz UK Polen Belgien Dänemark Finnland Schweden Spanien Litauen Ungarn Estland Frankreich Tschechien Lettland Slowakei Slowenien Griechenland Luxemburg Türkei Russland 60 67 Renteneintrittsalter Die AHV-Reform in der Schweiz soll das System für die nächsten zehn Jahre stabilisieren. Danach ist wieder mit einer Unterdeckung zu rechnen. Neben der ersten Säule steht bald auch eine Reform der zweiten Säule an. Dort sollen die Renten gesenkt werden. N o. 4/2022 | www.institutional-money.com 269 S T E U E R & R E C H T | AHV- RE FORM FOTO: © GINA SANDERS | STOCK.ADOBE.COM

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