Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

G erade wurde in den Nieder- landen die größte Pensions- reform seit dem 2. Weltkrieg beschlossen (s. Heft 3/2022), schon geht der Reigen weiter: Am 25. Sep- tember 2022 haben Volk und Stände in der Schweiz die Reform „AHV 21“ angenom- men. Als „Alters- und Hinterlassenenver- sicherung“ stellt die AHV die erste Säule der Sozialversicherung dar. „Sie ist obli- gatorisch für alle in der Schweiz leben- den Personen – unabhängig davon, ob sie erwerbstätig sind oder nicht. Selbst Studenten zahlen einen minimalen Bei- trag“, erklärt Reiner Denner, Partner Tax bei KPMG in der Schweiz. In der Volksabstimmung wurde die AHV-Reform mit hauchdünner Mehr- heit angenommen: Die Abstimmung führte zu 50,5 Prozent Ja- und 49,5 Pro- zent Nein-Stimmen. 2004 und 2017 waren Rentenreformpakete in der Schweiz noch an der Wahlurne gescheitert. Dies zeigt, wie schwierig es für Politiker ist, Rentenrefor- men durchzusetzen, seien sie finanziell auch noch so dringlich. Demografische Situation Notwendig wurde die Schweizer Reform aufgrund einer Situation, die sich auch in anderen Ländern ab- zeichnet: Die Babyboomer kommen ins Pensionsalter, und deren Renten sind von immer weniger Erwerbs- tätigen zu stemmen. Außerdem steigt die Lebenserwartung in der Schweiz seit Jahren an, sodass die Menschen ihre Rente längere Zeit beziehen. Abgestimmt wurde im September über zwei Vorlagen, die miteinander verknüpft waren: a) die Änderung des AHV-Gesetzes b) den Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehr- wertsteuer In Kraft treten wird die Reform voraus- sichtlich am 1. Januar 2024, und Denner erklärt, welche drei Eckpunkte die Reform ausmachen: „Das Referenzalter von Frauen und Männern wird auf 65 Jahre vereinheit- licht, der Eintritt in die Altersrente wird flexibilisiert und die Mehrwertsteuer wird leicht erhöht, um damit eine Zusatzfinanzie- rung der AHV zu bewerkstelligen.“ Von den heute erwerbstätigen versicher- ten Personen können Männer mit 65 und Frauen mit 64 abschlagfrei in Rente gehen. Künftig soll ein flexibler Rentenbeginn zwi- schen 63 und 70 Jahren möglich sein, und zwar für beide Geschlechter. Außerdem dürfen Erwerbstätige dank Teilrenten ihre Arbeitszeit schrittweise reduzieren. Angleichung Rentenalter „Das bisher für Männer und Frauen unterschiedliche Referenzalter, bei dem die Altersrente ohne Zu- oder Abschläge aus- gezahlt wird, soll künftig angeglichen wer- den“, sagt Denner. Das betrifft Frauen ab Jahrgang 1961 und jünger. Für sie wird das Referenzalter ab 2025 schrittweise um je- weils drei Monate von 64 auf 65 Jahre er- höht. „Das Hochsetzen des Rentenalters für Frauen war ein heißes Politikum, das in der Schweiz bereits seit etwa 20 Jahren disku- tiert wird. Es hat dazu auch schon drei Volksabstimmungen gegeben, aber erst diesmal ist es knapp durchgegangen, und das vermutlich auch nur wegen der groß- zügigen Übergangsmaßnahmen, die eingeführt wurden“, so Denner. Von den Übergangsmaßnahmen profitie- ren Frauen der Jahrgänge 1961 bis 1969: Diese neun Jahrgänge können entweder zu günstigeren Konditio- nen früher in die Altersrente gehen oder erhalten einen Zuschlag zur AHV-Rente, wenn sie sich erst mit 65, dem neuen Referenzalter, pen- sionieren lassen. „Insofern haben die nächsten Jahrgänge an Frauen, die in die Altersrente gehen, kaum Leis- tungsabbau“, meint Denner. „Dass Frauen früher als Männer in Rente gehen dürfen, wurde in der Schweiz 1948 festgelegt und ent- spricht dem Frauenbild von damals, als Frauen oft nicht berufstätig wa- In der Schweiz wurde kürzlich über eine Reform der AHV , der ersten Säule der Altersvorsorge, abgestimmt. Eine leichte Erhöhung der Mehrwertsteuer soll die AHV zusätzlich finanzieren, und außerdem wird das Renteneintrittsalter für Frauen und Männer angeglichen. Nur verschoben, nicht behoben Die Babyboomer in der Schweiz kommen ins Pensionsalter. Komplett behoben sind die Probleme der umlagefinanzierten AHV in der Schweiz nicht, aber das Rentenloch wird sich erst später auftun als ohne die AHV-Reform. Quelle: Bundesamt für Sozialversicherungen, Schweiz 2020 2025 2030 2032 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 Gemäß AHV 21 Gemäß geltender Ordnung 0,56 Mrd.Euro 0,42 Mrd.Euro -1,72 Mrd.Euro -4,43 Mrd.Euro -6,06 Mrd.Euro -2,40 Mrd.Euro -4,14 Mrd.Euro Umlageergebnis in Mrd. EUR » Dass Frauen und Männer jetzt im gleichen Alter in Rente gehen werden, entspricht dem heutigen Frauenbild. « Christian Trixl, CEO Amundi Schweiz Rentenreform in der Schweiz 268 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | AHV- RE FORM FOTO: © AMUNDI

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