Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

müssen, ist nach dem jetzigen Bilanzie- rungsstandard egal“, erklärt Wicke. Ent- sprechend werden die Zinsschwankun- gen bislang von Periode zu Periode asymmetrisch nachvollzogen. „Unter IFRS 17 ändert sich bei einer Änderung des Marktzinses nicht nur die Aktiv- seite, sondern auch der Barwert der Verpflichtungen, also die Passivseite“, fährt Wicke fort. Durch die Anwendung des neuen Rechnungslegungsstandards wird der Accounting Mismatch also aufgelöst, weil sich bei einer Zinsänderung beide Seiten – Aktiv- und Passivseite – am Marktwert orientieren. „Das hat auch den Vorteil, dass unsere neue Bericht- erstattung viel näher an der regulato- rischen Berichterstattung Solvency II liegen wird“, meint Wicke, „denn unter Solvency II wird bereits heute auf beiden Seiten marktnah berichtet.“ Bei steigendem Zins müssen die Versicherungshäuser unter dem neuen Standard weniger für künftige Ver- pflichtungen zurückstellen, da der Zeit- wert des Geldes besser berücksichtigt wird. Wicke verdeutlicht, wie viel das aus- machen kann: „Versicherungsunternehmen haben durch den Zinsanstieg seit Jahres- anfang bis Jahresmitte über Rückgänge in ihrem Eigenkapital zwischen 23 und 29 Prozent berichtet, die fast ausschließlich auf den Accounting Mismatch unter der alten Rechnungslegung zurückzuführen waren.“ Insgesamt werde durch die neuen Rech- nungslegungsstandards das Versicherungs- geschäft für externe Beobachter wesentlich verständlicher als bisher. „Das gilt insbeson- dere für das Lebensversicherungsgeschäft“, äußert sich Wicke positiv über den neuen Standard. „Auch was wir an Rückversiche- rungsschutz einkaufen, ist nach dem neuen Standard besser sichtbar, denn das wird eine Pflichtangabe.“ Auch Rötger Franz gewinnt dem neuen Standard viel Positives ab: „Insbesondere niederländische und deutsche Versicherer werden von der neuen Transparenz profi- tieren. Dort wird der Accounting Mismatch infolge des neuen Reportingstandards am deutlichsten zurückgehen.“ Er ist Partner beim Asset Manager Plenum Investments. Mit seinem Plenum European Insurance Bond Fund investiert er gezielt in Nach- ranganleihen europäischer Versicherer und beschäftigt sich daher als Portfoliomanager und Senior Insurance Analyst mit der Ana- lyse von Versicherungsunternehmen. Neuer Gewinnspeicher: CSM Besonderes Augenmerk werden Versiche- rer und Versicherungsanalysten künftig auf den „Contractual Service Margin“ (CSM) legen, der durch den neuen Standard einge- führt wird. Dabei handelt es sich um eine Art Bruttogewinnspeicher. „Der CSM wird künftig eine sehr interessante Größe sein. Hier müssen die Versicherer im Vorhinein abschätzen, wie viel sie über die Gesamt- laufzeit eines Vertrags verdienen. Sie zeigen das anfangs auf und schneiden anschließend sozusagen jedes Jahr ein Scheibchen des Gewinns herunter“, erklärt Zielke, wie der CSM funktioniert. „Bislang musste man Schätzungen anstellen, wie die Neuge- schäftsmarge aussieht. Als externe Analys- ten haben wir versucht, das nachzuvollzie- hen. Künftig gibt es einen richtigen Stan- dard dafür, was wirklich begrüßenswert ist.“ Auch international führe der CSM zu einer besseren Vergleichbarkeit. Trotzdem sieht Zielke immer noch genügend Spiel- räume für Versicherungsunternehmen: „Auch unter IFRS 17 wird es Häuser geben, die konservativer bewerten als andere. Sol- che unternehmensindividuellen Annahmen können externe Analysten dann immer noch betrachten.“ Rötger Franz wird den CSM künftig ebenfalls unter die Lupe nehmen. „Bisher hat noch kein Analyst eine IFRS-17-Bilanz gesehen, daher muss man abwarten, wie viel Neues man dann wirklich erkennen kann. Was wir aber auf jeden Fall betrach- ten werden, sind neue Bilanzpositionen, die durch IFRS 17 eingeführt werden, wie zum Beispiel den CSM. Hier werden wir uns ansehen, wie hoch diese Zahl ist und wie sie sich im Zeitablauf tatsächlich verhält. Daraus lassen sich neue Performanceindi- katoren ableiten“, freut sich Franz über die zusätzlichen Informationen. Die Versicherer müssen den CSM aufsplitten, sodass sich erkennen lässt, welches Geschäft wie stark zum Ergebnis beigetragen hat. Andere Darstellung der LV Auf die Steuerung des Neugeschäfts durch die Versicherer werden sich die neuen Vorschriften ebenfalls auswirken. „Durch IFRS 17 wird der Zeitwert des Geldes stärker betont. Dadurch können wir künftig das Schreiben des Neugeschäfts stärker an der Profitabilität der Verträge orientieren“, Die Umstellung auf die neuen Rechnungslegungsstandards IFRS 17 und IFRS 9 bedeutet eine transparentere Sicht auf Versi- cherungsunternehmen und eine bessere Vergleichbarkeit mit anderen Branchen. Dies könnte zu einer höheren Bewertung führen. N o. 4/2022 | www.institutional-money.com 265 S T E U E R & R E C H T | I FRS -VERS I CHERUNG FOTO: © COLOURES-PIC | STOCK.ADOBE.COM

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