Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

F ür Versicherungsunterneh- men, die nach den Interna- tional Financial Reporting Standards (IFRS) bilanzie- ren, gelten ab dem kommenden Jahr zwei wichtige neue Rechnungslegungs- standards. Der Bericht für das Jahr 2022 muss noch nach den Standards IFRS 4 und IAS 39 erfolgen, ab dem ersten Quartal 2023 gelten dann die neuen Standards IFRS 17 und IFRS 9. Transparentere Darstellung „An der Wirtschaftlichkeit des Versiche- rungsgeschäfts ändert die neue Rechnungs- legung natürlich nichts, aber sie kann die Sichtweise auf einzelne Geschäftsbereiche ändern und helfen, das Versicherungs- geschäft besser zu verstehen“, erklärt Jan Wicke, Finanzvorstand von Talanx, in einer Präsentation des Hauses über die neuen Bilanzierungsvorschriften. „Insgesamt wird die Darstellung des Versicherungsgeschäfts unter IFRS 17 und IFRS 9 transparenter. Allerdings werden wir bei Versicherern künftig größere Schwankungen der Ergeb- nisse sehen“, so Wicke. Hierfür nennt er zwei Gründe: Der bedeutendere ist, dass ein Teil der Kapitalanlagen, die sogenannten SPPI-Fail-Assets, alle Wertschwankungen über die Gewinn-und-Verlust-Rechnung re- porten. Der zweite, etwas weniger bedeu- tende ist, dass erwartete Verluste sofort bilanziert werden müssen, während erwar- tete Gewinne dagegen erst über die Zeit mit der Realisierung berichtet werden. Durch die neue Rechnungslegung werden künftig die Cashflows, die sich aus den Ver- sicherungsverträgen für den Versicherer ergeben, anders – nämlich realistischer – über die Perioden verteilt und ihnen wirt- schaftlich zugeordnet. „Das macht bei lang laufenden Personenversicherungen einen deutlichen Unterschied“, erklärt Wicke. Auch Dr. Carsten Zielke von der Zielke Research Consult GmbH in Aachen lobt die neuen Rechnungslegungsstandards: „Sie sind der HGB-Bilanzierung deutlich über- legen, weil sie eine holistische Betrachtung der Aktiv- und der Passivseite bieten. Damit wird es eine gleichatmende Bilanz auf der Aktiv- und Passivseite geben.“ Als Mitglied der EFRAG Insurance Accounting Working Group, die unter anderem die EU-Kom- mission bei den technischen Standards be- rät, hat er die Entwicklung von IFRS 17 seit 2001 begleitet und daran mitgearbeitet. Zielke erklärt, warum die Einigung auf den neuen Standard über 20 Jahre in An- spruch genommen hat: „Die Produktgestal- tung in den einzelnen Regionen ist sehr unterschiedlich, und der IFRS-Standard hat weltweite Gültigkeit. Es ist schwierig, so viele Länder unter einen Hut zu bekom- men“, meint Zielke. Er erwähnt, dass insbe- sondere Frankreich über die Komplexität von IFRS 17 und IFRS 9 stöhnt. „Frank- reich wollte lange Zeit gar keinen Standard haben. Dabei bestehen auch unter dem neuen Standard noch verschiedene Bilanzie- rungwahlmöglichkeiten für die Versiche- rungsunternehmen“, so Zielke. Insgesamt würden die neuen IFRS-Bilan- zen externen Analysten aber einen ziemlich guten Einblick in das Asset Liability Ma- nagement eines Versicherungsunternehmens bieten, ist Zielke überzeugt. Bisher Accounting Mismatch Der bisher verwendete Rechnungsle- gungsstandard IAS 39 bewertet die Aktiv- seite, also die Kapitalanlagen eines Versi- cherers, weitgehend marktnah. Daran ändert sich auch unter IFRS 9 nicht viel. Auf der Passivseite des Versicherers, auf der die Verpflichtungsseite abgebildet wird, findet die Schadenrückstellung bisher aller- dings undiskontiert statt. „Ob wir einen Schaden jetzt oder erst in fünf Jahren zahlen Ab 2023 können Versicherungsunternehmen erstmals nach den neuen Rechnungslegungsstandards IFRS 17 und IFRS 9 berichten. Das steigert die Transparenz des Versicherungsgeschäfts und erleichtert internationale Vergleiche. » Insgesamt wird die Darstellung des Versicherungsgeschäfts unter IFRS 17 und IFRS 9 transparenter. « Dr. Jan Wicke, Finanzvorstand der Talanx AG Neue Sicht auf Versicherungen Mehr Transparenz Die neuen Rechnungslegungsstandards IFRS 17 und IFRS 9 erleichtern das Verständnis dafür, wie profitabel ein Versicherungsunternehmen tatsächlich arbeitet. AKTIVSEITE PASSIVSEITE Kapitalanlagen des Versicherers Verpflichtungsseite des Versicherers Alter Standard: Marktnahe Bewertung Bisher starre Betrachtung auf der IFRS 4 und IAS 39 der Aktivseite Passivseite Neuer Standard: Weiterhin marktnahe Bewertung Ökonomischere (marktnähere) Darstellung IFRS 17 und IFRS 9 der Aktivseite als unter IFRS 4 Die Bilanz eines Versicherungshauses nach IFRS wird für externe Analysten ökonomisch deutlich besser inter- pretierbar sein, weil die zeitliche Verteilung der Kosten und Gewinne realistischer dargestellt wird. Quelle: eigene Recherchen 264 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | I FRS -VERS I CHERUNG FOTO: © DANIEL MÖLLER

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