Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

F ür die Finanzmarktregula- toren war die Krise 2008 ein Realitäts-Check, der einiges an Defiziten zuta- ge förderte. Eines bestand darin, dass die Aufseher am 15. September 2008, dem Tag, als die US-Investmentbank Lehman Brothers pleiteging, nicht feststellen konnten, wie viele Risiko- positionen aus Derivaten im Markt offen waren. Sie mussten sich umständlich – quasi manuell – ein Bild machen. Um in Zukunft nie wieder so blank dazustehen und um Dominoeffekte zu vermeiden, wenn ein Marktteilnehmer ins Straucheln gerät, einig- ten sich die G20-Mitgliedsstaaten mit der „Uncleared Margin Rules“ (UMR) auf eine neue Derivateregulierung. Sie sah vor, dass schrittweise weltweit strengere Standards für den außerbörslichen Derivatehandel ein- geführt wurden. „Ziel der Regelungen ist es letztlich, dass die Marktakteure, wann immer möglich, aus nicht zentral geclearten Derivaten her- ausgehen und für den Derivatehandel nur noch zentrale Clearingstellen wie Eurex oder LCH nutzen. Damit will der Regulator die systemischen Risiken minimieren“, erklärt Simona Stoytchkova, die bei State Street die Wertpapiersparte Global Markets und STT Digital für Europa leitet. In Euro- pa stand am Anfang dieses Projekts die am 4. Oktober 2016 erlassene EU-Verordnung 2016/2251. Stoytchkova: „Nach dieser EMIR-Regulierung müssen Transaktionen in Derivaten, die nicht der Clearingpflicht unterliegen, in der EU besichert werden.“ Die Regulierung soll dafür sorgen, dass immer genügend Sicherheiten hinterlegt sind, um die ausstehenden Derivate zu be- sichern, auch wenn es mal Liquiditätsereig- nisse geben sollte oder ein großer Marktteil- nehmer pleitegeht. Seit September läuft nun Phase 6, in welcher der Schwellenwert für nicht geclearte OTC-Derivate von zuvor 50 auf acht Milliarden US-Dollar gesenkt wur- de, die Zahl der vom Reglement grundsätz- lich betroffenen Unternehmen erhöhte sich dadurch Schätzungen zufolge von rund 320 auf mehr als 770. „In den Phasen eins bis vier wurde hauptsächlich die Sell-Side, also Banken und Brokerhäuser, erfasst; in den Phasen fünf bis sechs ist die Buy-Side im- paktiert, das heißt vor allen Dingen Fonds und institutionelle Anleger. Dabei wurden in Phase fünf, die im September 2021 in Kraft trat, insbesondere die großen Asset Manager in die Regelungen einbezogen, und Phase sechs holt nun auch die kleinen und mittle- ren Asset Manager in die Regulierung mit hinein“, erklärt Stoytchkova. Nunmehr sind also mehr oder minder alle Vermögensver- walter einbezogen, zumindest alle Unter- nehmen mit einem durchschnittlichen offe- nen Volumen von mehr als acht Milliarden Euro – denn das ist der Schwellenwert, den die Regulierung festlegt. Sie müssen künftig bilaterale Derivate (OTC-Derivate) wie Forwards oder Swaps mit Sicherheiten un- terlegen. Phase sechs der UMR hätte eigent- lich schon vor September 2022 in Kraft treten sollen, musste aber coronabedingt mehrmals verschoben werden. Ganz neu sind die Inhalte der UMR-Pha- se sechs nicht, denn die EMIR-Verordnung und deren Überarbeitung EMIR REFIT gelten bereits für einen großen Kreis von Marktteilnehmern. „Seit 2020 führen wir EMIR-REFIT-Programme für unsere Kun- den durch. Die Häuser, die es betrifft, müs- sen die Umstellungen von langer Hand vor- bereiten, weil Prozesse neu aufzusetzen und Verträge neu auszuhandeln sind“, erklärt Maren Schmitz. Als Partnerin bei KPMG leitet sie den Bereich Financial Services Management Consulting in Frankfurt und Mit Inkrafttreten der jüngsten Phase der Uncleared Margin Rules (UMR) im September 2022 wird nun auch der OTC-Derivate-Handel kleinerer und mittelgroßer Asset Manager von der EMIR-Regulatorik erfasst. Uncleared Margin Rules (UMR) Diese sind in sechs Phasen unterteilt – Phase 6 wurde erst kürzlich umgesetzt. Die Grenze der ausstehenden Nominalbeträge, die zu Initial und Variation Margin verpflichten, wurde stufenweise von 2,25 Billionen auf acht Milliarden US-Dollar verringert, sodass mittlerweile sehr viele Adressen zum Margining verpflichtet sind. Quelle: LCH Group 3 Billionen Euro Austausch auch des Variation Margin Phase 1 September 2016 Phase 2 September 2017 Phase 3 September 2018 Phase 4 September 2019 Phase 5 September 2021 Phase 6 September 2022 März 2017 Variation Margin Alle verbleibenden erfassten Marktteilnehmer 2,25 Bio. USD 1,5 Bio. USD 0,75 Bio. USD 50 Mrd. USD 8 Mrd. USD Schwellenwerte für bilateral gehandelte Derivate » Mittlerweile werden hohe Ansprüche an das Collateral gestellt. Schließlich geht es um die Qualität der Besicherung. « Simona Stoytchkova, Leiterin der Sparte Global Markets für Europa, State Street Schrittweise Risikosenkung 260 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | OT C - REGUL I ERUNG FOTO: © STATE STREET

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