Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

Ölfirmen doch nur eine vergängliche Sache. Wir brauchen hoffentlich nicht mehr das gesamte Öl, das in Texas im Boden ist.“ Von Angerer fehlt eine klare Politik seitens der Regierungen. „Die erteilen schneller die Genehmigung für einen LNG-Terminal als für eine neue Anlage für erneuerbare Ener- gie. Offenbar muss der Druck noch steigen, denn dort, wo Geld hinfließt, entsteht Innovation.“ Lippenbekenntnisse ade! Über Politiker zu schimpfen hilft je- doch wenig, wenn Finanzmarktakteure im Praxisbetrieb agieren müssen. Auch in Europa ist die Angst vor Klagerisiken gestiegen. Lange Zeit begnügte man sich damit, sich im Marketing und im Reporting nachhaltig zu geben. Das ging so lange gut, wie die Ziele schwammig for- muliert waren. Da konnte man schon mal kühn auf seiner Website verkünden: „Nach- haltigkeit liegt in unserer DNA.“ Diesen Spruch nutzen so viele Asset Manager, dass man manchmal glaubt, man befinde sich in einer Vorlesung über Erbgutanalyse und nicht über Kapitalmärkte. Der Satz klingt hübsch, aber welche Aussagekraft hat er? Mittlerweile wurde die Definition, was „nachhaltig“ im Sinne von „ESG“ ist, nach- geschärft, und die Definition unterliegt gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise weiterhin einer stetigen Ent- wicklung beziehungsweise Veränderung. Asset Manager müssen reporten und ihre ESG-Ausrichtung immer konkreter in faktenbasierte Zahlen fassen. Wer das nicht kann, bekommt unter Umständen rechtliche Probleme. „Wenn Asset Manager Fehler bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsstra- tegie machen, kann die BaFin das monieren und unter Umständen als bußgeldbewehrte Ordnungswidrig- keit ansehen“, wobei allerdings zwischen Fondsgesellschaften und BaFin regelmäßig ein enger Aus- tausch besteht, was die Abstimmung von Anlagebedingungen im Vorfeld der Antragsstellung betrifft, meint Dr. Axel Schilder, Rechtsanwalt und Steuerberater bei King & Spalding LLP. Er überlegt, dass „Green- washing“ zwar an sich kein Straf- tatbestand ist, allerdings könnte der Straftatbestand des Kapitalanlage- betrugs naheliegend sein, „zum Beispiel, wenn ein Investor unter Vorgabe falscher vorteilhafter Angaben zu einem Investment angehalten wird“. Vor diesem Hintergrund bestehe gerade bei verantwortlichen Personen einer Fonds- gesellschaft „eine gewisse Nervosität, im Bereich Nachhaltigkeit etwas falsch zu machen“, meint Schilder. Das führt sogar dazu, dass einige Asset Manager sich gar nicht mehr so eng mit dem Begriff Nach- haltigkeit in Verbindung bringen lassen wol- len wie bisher. Beispielsweise ließ ein Asset Manager eigens bei der Redaktion von Institutional Money anrufen, ob man ihn in der Berichterstattung statt „Nachhaltigkeits- Asset-Manager“ bitte lieber als „Invest- mentmanager“ bezeichnen könnte. Ein Blick auf die Website dieses Managers zeigt Windräder, Solarparks, sehr viel Grün und den Hinweis, dass man 50 Jahre Erfahrung in Responsible Investing hätte. Auch der Satz „RI liegt in unserer DNS“ fehlt nicht. Auf einmal gibt es Rückzieher, dabei haben sich Asset Manager in den letzten Jahren durch immer noch mehr Grün gegenseitig zu übertrumpfen versucht. Boykott gegen Grün Das eine sind die rechtlichen und die Re- putationsrisiken, die entstehen, wenn sich ein Unternehmen grüner gibt, als es in Wirklichkeit ist, das andere sind mögliche Anfeindungen, wenn sich ein Unternehmen grün gibt und auch wirklich grün handelt. Ein Beispiel hierfür ist die Gesetzesinitiati- ve, die der US-Bundesstaat Texas 2021 auf den Weg gebracht hat: Wenn Investoren oder Banken Unternehmen boykottieren, die fossile Energieträger erzeugen, möchte Texas einen Gegenboykott aussprechen. Finanzunternehmen, die sich zum Ausstieg aus fossiler Energie bekennen, werden von Pensionsfonds aus Texas nicht mehr man- datiert. Was sich nach einem Ausreißer eines einzelnen US-Bundesstaates anhört, macht Schule: Mindestens sieben weitere US-Staaten, darunter West Virginia, wollen sich dem Vorbild aus Texas anschließen und Druck auf die ihnen zu grün wer- dende Wall Street ausüben. Europa noch nicht „Wir beobachten solche Entwick- lungen genau, aber noch sehen wir solche Boykotte in Europa nicht“, meint Lise Børresen, Head of Responsible Investments bei DNB Asset Management. Es gebe zwar auch in Europa Meinungsverschie- denheiten, aber die bezögen sich eher auf einzelne Aspekte als auf die generelle Betrachtung von Nachhal- tigkeitsrisiken. „Wir klammern bei- spielsweise den Energiesektor nicht generell aus, obwohl die Unterneh- men hier oft noch einen schlechten CO 2 -Fußabdruck haben. Wir halten mehr davon, uns mit diesen Unter- » Bei verantwortlichen Personen besteht Nervosität, im Bereich Nach- haltigkeit etwas falsch zu machen. « Dr. Axel Schilder, Rechtsanwalt und Steuerberater bei King & Spalding LLP Hälfte der Fonds ist nachhaltig gelabelt Artikel-8- und Artikel-9-Fonds machen inzwischen mehr als die Hälfte des gesamten EU-Fondsvermögens aus. Infolge der zahlreichen Hochstufungen sowie der Auflage neuer Fonds (183 im 2. Quartal 2022) machen Artikel-8- und Artikel-9-Fonds jetzt mehr als die Hälfte des gesamten EU-Fondsvermögens aus, gegenüber nur einem Drittel vor einem Jahr. Daten vom 30.6.2022, basierend auf SFDR-Daten aus den Fondsprospekten von 97Prpzent der angebotenen Fonds in der EU. Ohne Berücksichtigung von Geldmarkt-, Dach- und Feeder-Fonds. Quelle: Morningstar Direct 49,1 % 45,9 % 5 % Artikel 6 Artikel 8 Artikel 9 250 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | E SG- REGUL I ERUNG : KLAGER I S I KEN FOTO: © KING & SPALDING

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