Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

H andelt es sich hier um den üblichen Katzenjam- mer, wenn eine Umstel- lung droht, oder ist die Nachhaltigkeitsregulierung tatsächlich nicht in der vorgesehenen Form umsetz- bar? Viele Betroffene bezweifeln, dass die ESG-Regeln zu schaffen sind – schon gar nicht im vorgesehenen Zeit- rahmen. Dabei ist es nicht das generelle Nachhaltigkeitsziel, das in Frage gestellt wird, aber die Wege, die zu diesem Ziel führen sollen, halten viele für nicht mach- bar, teilweise auch nicht für sinnvoll. Außerdem widersprechen sich einige Rege- lungen gegenseitig, sind unscharf oder wer- den durch andere Vorschriften blockiert. Entsprechend geht mittlerweile auch Angst um – Angst vor Klage- und Reputations- risiken, wenn man in der teilweise unklaren Situation Fehler macht. Das behindert die Finanzmarktakteure, ihre Muskeln so spie- len zu lassen, wie sie es könnten. Schließ- lich sollte der Finanzsektor eigentlich die „große Transformation“ vorantreiben, aber jetzt scheint er erst einmal eine Atempause einzulegen. Nachhaltigkeits-Klagerisiken Erst kürzlich wurde bekannt, dass meh- rere US-Banken darüber nachdenken, aus der Glasgow Alliance for Net Zero (GFANZ) auszutreten. Das Bündnis vereint zirka 500 Banken und Investoren aus 45 Ländern, die für 135 Billionen US-Dollar stehen. Wichtige Player befinden sich unter denen, die womöglich austreten wollen, bei- spielsweise Morgan Stanley, Bank of Ame- rica oder J.P. Morgan, sodass ein Austritt ein wichtiges Statement wäre. Der Anstoß für die Austrittsüberlegungen der Banken ist, dass die GFANZ-Ziele, die anfangs noch wenig konkret waren, nach- geschärft wurden. Insbesondere fordert GFANZ die Geldhäuser auf, keine Projekte für fossile Brennstoffe und neue Kohlepro- jekte mehr zu finanzieren. Die Verlockung, es doch zu tun, scheint groß, denn die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen ist durch den Ukraine-Krieg angestiegen, so- dass die Unternehmen für die erweiterte Förderung investieren müssen. Konkurrenz schläft nicht Den genannten US-Banken fiel auf, dass sich Banken aus China, Indien und Russ- land nicht der GFANZ angeschlossen ha- ben, und nun fürchten sie Wettbewerbs- nachteile. Weil nun der Weg, wie man Net Zero bis 2050 erreichen soll, genauer vor- gegeben wird und man diesen Weg so nicht mitgehen will, steigt das Risiko, des Green- washings bezichtigt zu werden. Daraus fol- gen Reputations- und Klagerisiken, zumal Gary Gensler, der neue Chef der US-Bör- senaufsicht SEC, Greenwashing strenger verfolgen will. Zwei Investoren haben die Allianz bereits verlassen: der australische Pensionsfonds Cbus Super, der etwa 70 Milliarden US- Dollar für die australische Baugewerkschaft verwaltet, und die Bundespensionskasse aus Wien, die für Zusatzpensionen der Bundes- bediensteten zuständig ist und ein Vermö- gen von 1,3 Milliarden Euro managt. Die Begründung von Cbus lautet: „Wir haben die schwierige Entscheidung getroffen, unsere Ressourcen auf unsere internen Kli- maschutzaktivitäten zu konzentrieren.“ Und weiter: „Wir unterstützen die wichtige Arbeit, die das Bündnis leistet, und wün- schen allen Mitgliedern alles Gute in ihren An regulatorischen Maßnahmen zu nachhaltigem Investieren herrscht kein Mangel, und auch die Reporting-Anforderungen werden nachgeschärft. Wo einst viel Zustimmung herrschte, scheint sich aktuell eine gewisse Nachhaltigkeitsmüdigkeit und -frustration breitzumachen. Angst vor Klagerisiken » Was wir unbedingt brauchen, sind international gültige Standards. « Lise Børresen, Head of Responsible Investments bei DNB Asset Management An Nachhaltigkeitsregulierung mangelt es nicht Jede Assetklasse ist betroffen: Regulatorisch wird auf den verschiedensten Ebenen eingegriffen, um für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen. Als die wichtigsten regulatorischen Maßnahmen sind zu nennen: • EU-Taxonomie • Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) • IFRS Sustainability Disclosure Standards (IFRS SDS) • Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) • EU-Richtlinie über Gesamtenergieeffizienz von Gebäu- den EPBD („Energy Performance of Buildings Directive“) • Energieeffizienzrichtlinie (EED) • Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) • Gebäude-Elektromobilitätsinfrastrukturgesetz (GEIG) • BaFin-Regulierungen • Verschiedene Verbändekonzepte Trotz der umfangreichen Vorgaben sieht es so aus, als hätten die jüngst extrem gestiegenen Energiepreise mehr bewirkt als die Nachhaltigkeitsregulierung über die vergangenen Jahre. 248 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com S T E U E R & R E C H T | E SG- REGUL I ERUNG : KLAGER I S I KEN FOTO: © STIG B. FIKSDAL

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