Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

von Extremrisiken auf dem Rohstoffmarkt. Dafür gibt es natürlich diverse Theorien: volkswirtschaftliche Entwicklung, Zins- niveau, Währungseffekte, aber auch die Entwicklung der Aktienmärkte. Bei Letzte- ren liegt der Verdacht nahe, dass die zu- nehmende Verbriefung der Rohstoffmärkte einen stärkeren Einfluss der Aktienmärkte ausgelöst hat. Einflussfaktoren Den wichtigsten möglichen Einflussfak- toren sind die Autoren in ihrer Studie nach- gegangen und haben diese in vier Katego- rien unterteilt: rohstoffspezifische Faktoren, Faktoren aus dem gesamten Rohstoffmarkt, Aktienmarktfaktoren und makroökonomi- sche Faktoren (siehe Tabelle „Rohstoff- märkte: Welche Faktoren die Risiken be- stimmen“) . Diese Faktoren haben sie sepa- rat hinsichtlich der linken und rechten sowie der gesamten Tail-Risiken via entsprechen- der Regression erhoben und auf Korrelatio- nen zu den einzelnen Rohstoffen untersucht – aus Platzgründen haben wir uns auf die Zusammenfassung linker und rechter Tail- Risiken konzentriert. Die Ergebnisse sind eindrücklich und nachvollziehbar. So wird beispielsweise nachgewiesen, dass die Geldpolitik, an die sich die Autoren über den Fed-Leitzins an- nähern, vor allem die Tail Risks im land- wirtschaftlichen Bereich beeinflusst. Die Inflation weist wiederum eine hohe positive Korrelation zu den Hochrisiken beim Gold- preis auf. Der Gasmarkt Auf den ersten Blick kontraintuitiv er- scheint, welchen Einfluss manche Faktoren auf den Gaspreis haben: Steigt beispielswei- se die Industrieproduktion um eine Stan- dardabweichung an, so nimmt das gesamte Hochrisiko für den Gasmarkt ab. Das liegt daran, dass in einem positiven konjunkturel- len Umfeld die linken Tail-Risiken, also die eines massiven Preisverfalls, stark rückläu- fig sind. Positive Entwicklungen an den ge- samten Rohstoffmärkten wirken sich eben- falls risikomindernd aus. Das Hochrisiko steigt jedoch, wenn die Erträge der Gasop- tionen selbst steigen. Das Risiko nimmt au- ßerdem mit der Skewness – also der Schiefe der Risikoverteilung –, mit dem Momentum und mit Zinsanstiegen zu. Bemerkenswer- terweise gibt es keinen statistischen Zusam- menhang mit spekulativen Elementen. Ebenfalls interessant erscheint, dass die Hochrisiken am Gasmarkt bei steigender Industrieproduktion nicht nur auf der linken, sondern auch auf der rechten Seite abneh- men. Das wirkt nicht schlüssig, sind die rechten Tail-Risiken doch stärker ausge- prägt als die linken. Das würde bedeuten, dass verstärkte Nachfrage zu steigenden Preisen führen und somit die Gefahr einer Blasenbildung erhöhen sollte. Die Studien- ergebnisse sprechen aber zumindest für den untersuchten Zeitraum eine andere Sprache. Das verstärkt nach den Ereignissen der ver- gangenen Monate die Erkenntnis, dass der Gasmarkt sehr spezifischen Gegebenheiten unterliegt. Angesichts der bereits geschilder- ten Tatsache, dass es ausgerechnet eben die- ser Gasmarkt ist, der insgesamt die höchs- ten Tail Risks ausweist, liegt der Verdacht einer gewissen Dysfunktionalität nahe. Letzen Endes haben die Autoren eruiert, ob die erhobenen Extremrisiken in den Rohstoffmärkten als Risikoprämien gepreist werden. Dazu entwickeln sie zwei klassi- sche Long/Short-Portfolios. Diese untertei- len sie in Quartile, die sie nach dem Aus- maß der Tail Risks sortieren. Um die Risikoprämien zu lukrieren, kau- fen sie das Quartil mit dem höchsten und verkaufen das mit den niedrigsten Extrem- risiko (siehe Tabelle „Evidente Portfolio- konstruktion“). Auf einem statistisch signi- fikanten Niveau übersteigen die annualisier- ten Erträge des Right-Tail-Portfolios die der Left-Tail-Strategie. Die Resultate belegen, dass die Risiken tatsächlich gepreist werden und dass das Risiko von Preisübertreibungen am Roh- stoffmarkt höher ist als das von Preisrück- gängen. Das wirft wiederum einige laute Fragen an Politik und sonstige Entschei- dungsträger in Sachen Versorgungssicher- heit auf – und zwar nicht erst seit 2022, hat die Studie besagte Einflüsse doch bereits in der Zeit von 2016 bis 2020 nachgewiesen. HANS WEITMAYR Evidente Portfoliokonstruktion Long/Short-Rohstoffportfolios, die auf Extremrisiken basieren, bestätigen die Prävalenz von rechten Tail Risks. Mean T-Stat. Stand.-Abw. Skewness Kurtosis Sharpe Rat. AKK* Portfolio 1: Bereinigtes linkes Tail Risk High 3,16 0,93 14,89 0,07 0,64 0,21 0,04 2 0,43 0,12 15,25 -0,09 2,76 0,03 -0,01 3 2,04 0,63 14,21 -0,21 0,92 0,14 0,07 Low -5,34 -1,40 19,32 -0,04 1,37 -0,28 -0,10 High-Low 8,50** 1,96 20,31 0,14 1,01 0,42 0,01 Portfolio 2: Bereinigtes rechtes Tail Risk High 1,71 0,51 14,87 0,21 1,59 0,12 0,00 2 4,60 1,50 14,45 -0,14 1,26 0,32 0,00 3 3,43 0,94 16,16 -0,24 1,90 0,21 0,11 Low -8,89** -2,27 18,49 -0,05 1,35 -0,48 -0,06 High-Low 10,60** 2,46 19,32 0,36 0,92 0,55 0,03 Aus den nachgewiesenen Tail Risks lassen sich mittels Long/Short-Portfolio theoretische Prämien lukrieren. Die deutlich höheren Erträge, die sich mit dem Right-Tail-Portfolio erzielen lassen, liefern einen weiteren Beleg dafür, dass am Rohstoffmarkt die Aufwärtsrisiken überwiegen. *Autokorrelationskoeffizient | ** 95-%-Signifikanz Quelle: Studie » Bei den meisten Rohstoffen sind die rechten Tail Risks höher als die linken. « Max Würsig, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität, Hannover P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | ROHS TOF F - TA I L - R I SKS N o. 4/2022 | www.institutional-money.com 199

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