Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

„Wir erwarten eine Rezession, aber keinen tiefen wirtschaftlichen Einbruch. Zwar belasten die hohen Energiepreise die Wirtschaftsaktivitäten im Euroraum stark, wir rechnen aber damit, dass es bei einem durchschnittlich kalten Winter und ohne größere Kälteeinbrüche nicht zu einer Gas- mangellage kommt. Unsere Volkswirte gehen von einem Minus im Bruttoinlands- produkt von einem Prozent im Euroraum im kommenden Jahr aus“, erklärt Stephan Ertz, Leiter Unternehmensan- leihen und Senior Portfoliomanager, Union Investment. Ertz zufolge preisen die Risikoprä- mien im Hauptszenario seines Hauses bereits erhebliche Rezessionsrisiken ein. „Daher sollten sich die Spreads, wenn das konjunkturelle Basisszenario ein- trifft, nicht mehr stark ausweiten.“ Für EdRAMs Alexis Foret preisen europäische Unternehmensanleihen eben- falls eine Rezession ein, nicht aber eine Krise. Diese könnte jedoch ausbrechen, wenn die Inflation weiter steigt oder kein Ausweg aus der europäischen Energiekrise erkennbar wäre. In diesem Fall drohe eine tiefere und längere Rezession. „Ohne geld- politische Intervention der Zentral- banken würden die Kreditrisiko- prämien gegenüber dem bereits hohen Niveau von heute weiter ansteigen“, warnt Forest. Maderers Meinung nach ist es grundsätzlich schwierig zu bewer- ten, ob die hohen Renditelevels eine Rezession beziehungsweise eine Deflation voll einpreisen: „Ge- nerell ist auf dem aktuell erreichten Renditeniveau eine gewisse negati- ve Marktentwicklung eingepreist.“ Maderers Worst-Case-Szenario be- inhaltet eine stark ansteigende Inflation in Kombination mit anhal- tend schwachen Wirtschaftsdaten. „Wenn die sich herausbildenden Inflationserwartungen hoch blei- ben, besteht zudem das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale. In diesem Umfeld ist von weiter ansteigenden Renditen auszugehen“, prognosti- ziert der LBBW-Mann und erwartet in diesem Fall eine „Underper- formance“ von Unternehmensan- leihen. Eine Underperformance be- ziehungsweise erhebliche Verluste drohten spätestens dann, wenn es auf breiter Front zu Unternehmenspleiten und damit einhergehend zu Zahlungsaus- fällen käme. Defaults Kreditausfälle (Defaults) sollten trotz einer sich eintrübenden Wirtschaft bis auf weiteres relativ selten vorkommen, pro- gnostizieren Maderer und Zahn. „Die Aus- fallraten dürften im IG-Bereich trotz Rezes- sion sehr überschaubar bleiben. Viele Unter- nehmen haben sich in der Coronakrise durchfinanziert und die Verschuldung eher reduziert“, begründet dies Ertz. Wenig Default-Sorgen müssen sich Investoren beispielsweise bei exportorientierten Unter- nehmen machen, denen der schwache Euro im internationalen Vergleich Wettbewerbs- vorteile verschafft. Auf längere Sicht könnten höhere Infla- tionsraten verschuldeten Unternehmen sogar in die Hände spielen, meint Ertz: „Perspek- tivisch hilft dem Corporate-Bereich eine höhere Inflation, da der Verschuldungsgrad von Unternehmen mit funktionierendem Geschäftsmodell eher sinken dürfte.“ Und falls ein Teil der Unternehmen doch in finanzielle Bedrängnis gerät und Kursver- luste verzeichnet, müssen sich Investoren mit den bis dahin eingesammelten Risiko- prämien trösten. „Die mittlerweile erreich- ten Spreadniveaus bieten eine Überkompen- sation, gemessen am Mittel der historischen Ausfallraten“, merkt Maderer an. Attraktive Segmente Die europäischen Wirtschaftssek- toren und Unternehmen sind unter- schiedlichen Belastungsfaktoren ausgesetzt – vor allem derzeit, wenn es um die Bezahlbarkeit und Sicherheit der eigenen Energiever- sorgung geht. Diesen seit Februar 2022 plötzlich hochrelevanten Faktor sollten Großanleger bei der Über- oder Untergewichtung von Unternehmensanleihen jedenfalls berücksichtigen. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheit erach- tet Franklin Templetons David Zahn Emissionen von stabilen, nicht zy- klischen Unternehmen als attraktiv. Anleihen mit langer Laufzeit sind nach dem Abverkauf zwar günstig, Anleger sollten aber eine Kursberu- higung abwarten, bevor sie in die- ses Segment investieren. Vorsicht ist derzeit angebracht bei Credits zyklischer Unternehmen mit niedri- gen BBB-Bonitäten. Vor potenziel- len „Fallen Angels“, also Unterneh- » Die Spreadniveaus bieten eine Überkompensation, gemessen am Mittel der historischen Ausfallraten. « Uwe Maderer, Leiter Fixed Income der LBBW AM Statistik spricht für Euro-Corporate-Bonds Spreadperzentile europäischer und US-amerikanischer Credits Euro-Corpo- rates-Rating Spread 5 Jahre 10 Jahre seit 1999 IG 198 97 % 98 % 91 % AAA 109 98 % 99 % 94 % AA 124 98 % 99 % 84 % A 172 98 % 99 % 86 % BBB 232 96 % 95 % 83 % HY 553 93 % 93 % 64 % US Corporates Spread 5 Jahre 10 Jahre seit 1999 IG 148 86 % 74 % 57 % AAA 65 68 % 51 % 42 % AA 85 86 % 69 % 53 % A 119 88 % 80 % 58 % BBB 185 86 % 65 % 52 % HY 503 85 % 75 % 54 % Eine Analyse der historischen Spreads in Basispunkten von europäischen und US-Unternehmens- und Hochzinsanleihen seit dem Jahr 1999 anhand der Perzentile zeigt, dass europäische IG-Unternehmensanleihen für Investoren am attraktivsten sind. Deren Spreads waren per Ende August im historischen Vergleich so weit auseinandergelaufen wie in 97 Prozent der Zeit seit fünf Jahren nicht mehr. Seit 1991 trifft dies für 91 Prozent zu (Spalte ganz rechts). Quelle: Insight Investment, Bloomberg, ICE BofA Indizes, Stand 31.8.2022 182 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com P R O D U K T E & S T R AT E G I E N | UNT ERNEHMENSANL E I HEN FOTO: © LBBW AM

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