Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

der Rückschluss, den uns sozusagen die Chartbilder der Vergangenheit nahelegen. Die wesentliche Frage ist aber doch, was solche langen Zyklen wirklich antreibt und ob sie in irgendeiner Weise vorhersehbar sind. Viele Marktteilnehmer argumentieren, der Grund dafür, dass Wachstumsaktien in der Vergangenheit eine so gute Performance aufgewiesen haben, sei in erster Linie dem extrem niedrigen Zinsumfeld geschuldet, das wir bis Anfang dieses Jahres gesehen haben. Es sei die Möglichkeit gewesen, dass Unternehmen sich gewissermaßen zum Nulltarif hätten finanzieren können. Das mag durchaus eine gewisse Rolle gespielt haben, das will ich gar nicht in Frage stel- len. Es ist aber sicher nicht die alleinige Erklärung dafür, dass es gerade bei Growth- Werten zu enormen Kurszuwächsen gekom- men ist, während Value-Titel abverkauft wurden. Unsere Analysen legen vielmehr nahe, dass es viel zu einfach wäre, die Frage Koinzidenz oder Kausalität auf eine so einfache Weise zu beantworten. Sondern? Wie lautet Ihre Antwort? Blitz: Unsere Arbeiten zeigen, dass zwar in der jüngeren Zeit eine gewisse Koinzidenz zwischen der Outperformance von Value- Investments und steigenden Zinsen zu be- obachten war. Dass diese Relation aber an- dererseits relativ neu ist und vor allem keine grundlegend strukturelle Erscheinung zu sein scheint. Letztlich führt uns das zu der Erkenntnis, dass solche Wachstumsblasen und anschließende Crashs insbesondere vom Investor-Sentiment, von der Stimmung der Anleger, getrieben werden und dann über eine gewisse Zeit gewissermaßen selbst- verstärkend wirken. Anleger kaufen weiter, weil der Kurs eines bestimmten Papiers bereits stark gestiegen ist. Bis zu dem Punkt, an dem es zu einer Umkehr, einem Crash, kommt. Aber warum es beispiels- weise ausgerechnet im März 2000 zum Platzen der Technologieblase gekommen ist, wissen wir doch bis heute nicht. Eine besondere makroökonomisch oder geopoli- tisch bedingte Nachricht, die dabei eine Rolle gespielt hätte, gab es nicht, im Gegen- teil: In diesem speziellen Monat ist eigent- lich nichts Besonderes passiert. Deshalb vergleiche ich eine solche Entwicklung gern mit einer Art Vulkan, bei dem sich der Druck unter der Erdoberfläche aufbaut, und irgendwann bricht er einfach aus. Das heißt: Auch wenn man das Ereignis an sich, ver- einfacht gesagt den Beginn eines Zusam- menbruchs bei Wachstumswerten und einen anschließenden Run auf Value-Aktien, nicht zeitlich genau bestimmen kann, so helfen die Beobachtung und die Einbeziehung von bestimmten Verhaltensmustern von Anle- gern auch uns als quantitativem Investor, unsere Modelle für die Zukunft besser zu positionieren. Eben weil man weiß, dass sich diese Muster irgendwann wiederholen werden. Heldmann: Ein Problem dabei bleibt dennoch bestehen. Auch wenn wir als Marktteilneh- mer – grob betrachtet – regelmäßig mit einem ähnlich ablaufenden Verhaltensmus- ter auf Seiten der Investorengemeinde kon- frontiert sind, so unterscheiden sich die konkreten Gründe für das Eintreten einer tatsächlichen Veränderung an den Märkten oder eine Umkehr des Anlegerverhaltens bei einer granularen Betrachtung ja durch- aus erheblich. Und je tiefer man in die Details hineinschaut, umso unterschied- licher erscheinen die tatsächlichen Auslöser für entsprechende Episoden … … was natürlich die Frage aufwirft, welche Konsequenzen man als Quant-Investor da- raus für seine Modelle ziehen sollte. Heldmann: Wir sind zu der Erkenntnis ge- langt, dass man bestimmte Details gewisser- maßen wegabstrahieren muss. Wir kennen alle die häufig Mark Twain zugeschriebene Erkenntnis, wonach Geschichte sich zwar nicht wiederholt, sich aber sehr wohl reimt. Uns als quantitativen Investor stellt das gewissermaßen vor die Aufgabe, so gut es geht sicherzustellen, dass der Teil, der sich eben nicht genau wiederholt, möglichst kei- nen Eingang in unsere Modelle findet. Dass im Gegenteil möglichst nur die Essenz des- » Gerade das quantitative Investment ist besonders gut geeignet, um Nach- haltigkeitsaspekte in seine Investmentprozesse mit einzubeziehen. « Dr. Jan Anton van Zanten, SDG Strategist, Robeco T H E O R I E & P R A X I S | QUANT- ROUNDTAB L E N o. 4/2022 | www.institutional-money.com 151 FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH

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