Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

in die größten und schon damals relativ hoch bewerteten Wachstumsaktien. Im Prin- zip haben alle anderen Anlagestile in die- sem Zeitraum gelitten. Wobei man sich doch schon fragen kann, warum die Faktorbranche auf eine solche Entwicklung offenbar nicht vorbereitet war. Blitz: Solche Episoden einer Blasenbildung bei Wachstumsaktien, die in aller Regel von einer starken Ausweitung der Multiple- Kennzahlen begleitet sind, hat es in der Ver- gangenheit immer wieder gegeben. Grob gesagt, kommt es im Schnitt wahrscheinlich alle zehn Jahre zu einer solchen Wachs- tumsrallye, in der viele Anleger die immer weiter steigenden Bewertungen zunehmend vernachlässigen. Für eine auf den Value- Faktor ausgerichtete Strategie stellt eine sol- che Phase natürlich eine besondere Heraus- forderung dar, weil die Kurse der entspre- chenden Titel extrem stark zurückbleiben. Aber trifft das nicht typischerweise auch auf Multi-Faktor und Low Volatility zu? Blitz: Ich gebe Ihnen recht, allenfalls auf dem Momentum-Faktor aufsetzende Strate- gien sind in solchen Situationen in der Lage, Verluste zu begrenzen, weil sie von einer hohen Dynamik an den Märkten pro- fitieren können. Aber der Blick in den Rückspiegel zeigt auch, dass es jedes Mal zu einer Umkehr einer solchen Entwicklung kommt, die sich in der Regel in zwei unter- schiedlichen Formen vollzieht und für eine wieder auskömmliche Performance bei den zuvor gebeutelten Strategien sorgt: Ent- weder stürzen die teuren Wachstumsaktien wieder ab – das haben wir in der ersten Hälfte dieses Jahres erlebt – oder die hin- terherhinkenden Value-Titel erleben ein Comeback, wie wir es seit Ende 2020 und wahrscheinlich auch noch in Zukunft sehen werden. Denn trotz des enormen Rebounds, den der Value-Sektor zuletzt erlebt hat, sind entsprechende Aktien immer noch attraktiv bewertet, und das nicht nur auf relativer, sondern auch auf absoluter Basis. Michael Heldmann: Im Grunde stimme ich mit dem Gesagten völlig überein, ich möchte nur ergänzen, dass der Zeitpunkt, an dem es zu einer solchen Umkehr kommt, im Grun- de nicht vorhersagbar ist. Wir haben in die- ser Hinsicht über die Jahre hinweg sehr viel Research betrieben, weil es natürlich sehr verlockend wäre, wenn das gelänge. Denn anhand historischer Zeitreihen erkennt man natürlich im Rückblick die zeitweise extrem negative Korrelation zwischen Value einer- seits und Growth oder Momentum anderer- seits, aber auch die zum Teil hohen Returns, die sich damit theoretisch erzielen ließen, schaffte man rechtzeitig den Switch von einer in die andere Strategie. Warum man es eben nicht schafft, hat allerdings konkrete und leicht zu verstehende Gründe. Wie zum Beispiel? Heldmann: Zum einen ist ein Value-Portfolio extrem contrarian aufgestellt. Im Endeffekt stellt man sich damit ja gewissermaßen gegen die jeweils aktuell am Markt beob- achtbare Grundtendenz, gegen das Senti- ment. Denn man kauft schließlich Aktien, die zwar aus gutem Grund günstig bewertet sind, in der Regel aber auch wirklich nicht besonders attraktiv aussehen. Während ein Investor, der auf die Growth- oder die Mo- mentum-Seite setzt, zur gleichen Zeit natür- lich jene Werte kauft, die sozusagen gerade everybody’s darling sind. Das aber bringt es natürlich mit sich, dass man bei einem sol- chen Switch von einer Growth- in eine Va- lue-Phase im Prinzip das gesamte Portfolio austauschen müsste. Man hätte einen Turn- over von 100 Prozent. Und das innerhalb ei- nes Zeitraums, der unter Umständen nur wenige Wochen dauert, um einen Großteil der Performance durch diesen Regime- wechsel weg von Growth und Momentum hin zu Value mitzunehmen. Um das richtig zu timen, bräuchte man ein Signal, das ge- wissermaßen auf Wochenbasis funktioniert. Zumal man als Fondsmanager doch in der Regel keine Hitrate, keine Trefferquote von 80, sondern allenfalls leicht über 50 Prozent erreicht, oder? » Episoden einer Blasen- bildung bei Wachstums- aktien hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. « Dr. David Blitz, Head of Quantitative Equity Research, Robeco T H E O R I E & P R A X I S | QUANT- ROUNDTAB L E N o. 4/2022 | www.institutional-money.com 149 FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH

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