Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

als juristische Notwendigkeit argumentie- ren, tatsächlich könnte es aber auch sein, dass der ökonomische Wert von Ratings besser ist als ihr Ruf. Offene Frage Eine solche These lässt sich zumindest aus der Arbeit „Have Ratings Become More Accurate?“ von Zvika Afik und Koresh Galil ableiten, die beide am Department of Economics der Ben-Gurion University of the Negev wirken. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist die Beob- achtung, wonach „Unternehmensratings im Lauf der Zeit strenger geworden sind“, wie Afik erklärt: „Unternehmen, die über die Zeit ähnliche und unveränderte Bilanzquali- täten ausweisen, haben im Beobachtungs- zeitraum tendenziell eine Verschlechterung ihrer Ratings hinnehmen müssen. Das ist eine rätselhafte Entwicklung, da Kredit- ratings eigentlich auf objektiv messbaren Daten beruhen.“ Wenn jetzt also Ratings systematisch und über alle Segmente nach dem Gießkannen- prinzip strenger geworden wären, dann wären diese Ratingverschlechterungen vom Informationsgehalt nutzlos. Der Verdacht stünde im Raum, dass Ratingagenturen die Bonitätseinschätzungen aus imagetechni- schen Gründen verschlechtert haben – um eine Scheingenauigkeit zu projizieren oder um für sich selbst höhere Sicherheit gegen- über allfälligen Schadenersatzklagen zu er- langen. Dass es einen Abwärtstrend gegeben hat, ist zumindest anhand der Beobachtungen des Autorenduos evident (siehe Tabelle „Ratings mit Abwärtstrend“) . Sie haben aus Compustat sämtliche langfristigen S&P- Ratings von 1986 bis 2016 herausgefiltert. Dass die Zeitreihe 2016 endet, ergibt Sinn. Auf diese Weise kann geprüft werden, in- wieweit Ratings die Entwicklungen, die sich in fünf Jahren ergeben, Defaults auch über einen längeren Zeitraum – und zwar bis zu fünf Jahre – erfassen. Der effektive Beobachtungszeitraum erstreckte sich also bis 2021. Klarer Trend Aus der tabellarischen und vor allem der grafischen Darstellung lassen sich nun ganz klare deskriptive Trends ablesen. So nimmt beispielsweise die Zahl der AAA-Ratings im Beobachtungszeitraum kontinuierlich und ohne Unterbrechung ab. Gab es 1986 noch 16 Topbewertungen, waren es 2016 nur mehr zwei. Bei CCC findet sich ein gegenläufiger Trend. Differenzierter präsen- Der Bilanzskandal rund um das einstige Vorzeigeunternehmen Enron wurde weder von Wirtschaftsprüfern noch von Ratingagenturen vorausgesehen. Der dadurch entstandene Schaden lastet bis heute auf dem Image der Ratinghäuser. Dabei dürfte sich die Qualität der Kreditbewertungen in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich verbessert haben. » Eine Investment-Grade-Firma hatte 2016 (…) ein Rating, das sich 2,7 Rating-Punkte unterhalb des Werts von 1986 befand. « Koresh Galil, Department of Economics der Ben-Gurion University of the Negev N o. 4/2022 | www.institutional-money.com 137 T H E O R I E & P R A X I S | KRED I T- RAT I NGS FOTO: © JOE MAHONEY | BLOOMBERG NEWS 2002

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