Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

konstruktion nach dem S-Rating hat das Quintil mit den besten ESG-Scores die schlechteste Performance per annum und liegt annualisiert 0,23 Prozent hinter dem Benchmarkportfolio, auch seine Sharpe Ratio ist schwächer. Die Sektorverzerrung – in Form einer starken Untergewichtung von Financials und eines bedeutenden Überge- wichts von Healthcare – kostet hier 27 Ba- sispunkte pro Jahr gegenüber dem Bench- markportfolio. Bereinigt bedeutet das eine ganz leichte Outperformance von Anleihen der Firmen mit sehr gutem Sozialrating. Die kumulierte Betrachtung zeigt aber Seltsa- mes: Von 2012 bis 2016 underperformte das fünfte Quintil deutlich, seither outperformt es allerdings das erste. Was den Einfluss des Governanceratings anbelangt, so zeigt sich hier folgendes Bild: Die Performanceunter- schiede und Sektorabweichungen zwischen den einzelnen Quintilen sind ziemlich ge- ring. Kurioserweise ist das vierte Quintil hier das beste im Bezug auf die Perfor- mance und Sharpe Ratio, und das erste mit den Titeln von Firmen mit den besten G- Ratings bleibt performancemäßig hinter dem Benchmarkportfolio nach Sektoradjus- tierung um elf Basispunkte pro Jahr zurück. Das fünfte Quintil liegt mit 17 Basispunkten Underperformance zum Benchmarkport- folio nur wenig schlechter. Kumuliert über zehn Jahre bleiben somit beide hinter dem Benchmarkportfolio. Das Portfolio im vier- ten Quintil schlägt die Benchmark hingegen eigenartigerweise um 30 Basispunkte jähr- lich. Tilting-Resultate Portfolios, die nach der MSCI- oder der FTSE-Tilting-Methode berechnet werden und damit ESG-Wertpapiere mit niedrigem Rang unter- und ESG-Wertpapiere mit hohem Rang übergewichten, verändern die Risiko-Rendite-Eigenschaften des Portfolios im Vergleich zum Benchmarkportfolio nur unwesentlich. Kleinere Outperformances finden sich nur beim Umweltfaktor, diese sind aber fast vollständig auf sektorale Abweichungen zurückzuführen. Sektorausschlüsse Der vollständige Ausschluss kontroverser Sektoren hatte ebenfalls keine nennenswer- ten Auswirkungen auf die Wertentwicklung der Portfolios. Der Ausschluss von Wertpa- pieren aus den Sektoren Tabak, Bergbau, Verteidigung, Öl und Gas – jeweils einzeln und gesamthaft – führte immer noch zu sta- tistisch fast deckungsgleichen Ergebnissen, die mit denen des Benchmarkportfolios in puncto Sharpe Ratio identisch waren. Grund für den geringen Unterschied zwi- schen den Risiko- und Renditeeigenschaften der Portfolios und dem Benchmarkportfolio ist, dass es relativ wenige Emittenten mit einem Refinitiv-ESG-Rating aus diesen Sektoren gibt. So machen Tabakproduzen- ten nur 1,1 Prozent der Emittenten im Benchmarkportfolio aus, bei Verteidigung sind es gar nur 0,2 Prozent. Insgesamt ma- chen alle vier Sektoren im Durchschnitt nur 6,2 Prozent des Benchmarkportfolios aus. Tail-Risiko-Untersuchung Die Autoren konnten zeigen, dass die In- tegration von Composite-ESG-Eigenschaf- ten durch Tilts nach der MSCI-Methode in ein Unternehmensanleihenportfolio dessen Tail-Risiko verringert. Es ist also ein gewis- ser Schutz vor extrem negativen Ereignis- sen im Verhältnis zum Benchmarkportfolio gegeben. So zeigt ein Vergleich, dass Risi- komaße wie Performance des schlechtesten Monats, Conditional Value at Risk, Down- side Deviation und die Sortino Ratio bei Gewichtungen zugunsten hoher Gesamt- rating-Scores dort besser ausfallen als im Benchmarkportfolio (siehe Grafik „Zwei Tilting-Methoden, zwei Resultate“) . Wenn der Tilt nach der MSCI-Methode allerdings auf E-, S- und G-Ratings allein angewendet wird, sind die Resultate schwächer bezie- hungsweise näher an denen des Bench- markportfolios. Am wenigsten überzeugend ist hier wieder einmal der leicht underper- formende G-Faktor. Bei Tilts nach der FTSE-Methodik entspricht das Ergebnis des auf dem ESG-Gesamtscore basierenden Ge- wichtungsschemas exakt jenem des Bench- markportfolios. Hier ist eine Gewichtung nach dem Umweltfaktor überlegen und pro- duziert die beste Sortino Ratio. Kein Performanceverlust Insgesamt deutet die Studie darauf hin, dass Investoren durch die Einbeziehung von ESG-Aspekten in ihre Anlageentscheidun- gen bei festverzinslichen Wertpapieren – konkret im Fall von europäischen Invest- ment-Grade-Unternehmensanleihen – in den letzten zehn Jahren keine Performance liegen gelassen haben. Da immer mehr Investoren versuchen, das ESG-Profil ihrer Portfolios zu verbessern, können sie sich ermutigt fühlen, auf diesem Weg voranzu- schreiten. Offenbar führt die Verbesserung des ESG-Profils eines Unternehmensanlei- henportfolios nicht zu einer Verschlechte- rung der risikobereinigten Wertentwicklung gegenüber einer klassischen Benchmark in diesem Marktsegment. Die Integration von ESG-Überlegungen könnte daher eine loh- nende Aufgabe – und nicht nur eine regu- latorisch gewünschte Pflichtübung – sein. DR. KURT BECKER Zwei Tilting-Methoden, zwei Resultate Downside-Risikokennzahlen für Portfolios mit ESG-Tilts MSCI Tilt ESG gesamt Umweltfaktor Sozialer F. Governance-F. Benchmarkportfolio Schlechtester Monat -6,87 % -7,12 % -7,02 % -7,20 % -7,11 % Value at Risk 95 % -0,87 % -0,86 % -0,87 % -0,89 % -0,87 % Conditional Value at Risk -2,38 % -2,39 % -2,43 % -2,43 % -2,43 % Downside-Volatilität 3,62 % 3,73 % 3,71 % 3,78 % 3,80 % Sortino Ratio 1,11 1,10 1,07 1,05 1,05 FTSE Tilt Schlechtester Monat -7,11 % -6,83 % -7,09 % -7,02 % Value at Risk 95 % -0,87 % -0,87 % -0,87 % -0,88 % Conditional Value at Risk -2,43 % -2,37 % -2,39 % -2,42 % Downside-Volatilität 3,80 % 3,60 % 3,72 % 3,70 % Sortino Ratio 1,05 1,11 1,10 1,07 Nach der MSCI-Methode ist eine Ausrichtung der Gewichtung auf den Gesamt-ESG-Score bei den Risikokennzahlen überlegen. Nach der FTSE-Methode wäre eine Gewichtung entlang des Umweltratings vorzuziehen, da es verbesserte Risikokennzahlen gegenüber dem Benchmarkportfolio produziert. Quelle: Studie 134 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | UNT ERNEHMENSANL E I HEN

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