Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

weltbelange legt. Wenn das Rating jedoch gültig ist, bedeutet es, dass die Auswirkun- gen des Emittenten auf die Umwelt als schädlicher eingeschätzt werden als bei Emittenten mit einem höheren E-Rating. Dies bedeutet, dass das Refinitiv-Univer- sum für das Verständnis der Gültigkeit der Ratings ganz wesentlich ist. Refinitiv bewertet weltweit über 11.000 Unter- nehmen, wobei die Zeitreihen dieser Bewertungen bis ins Jahr 2002 zurück- reichen. Dieses Universum umfasst rund 80 Prozent der weltweiten Markt- kapitalisierung. Im Hinblick auf den europäischen Markt für Unternehmens- anleihen sammelt Refinitiv derzeit Daten zu mehr als 2.100 europäischen Firmen und aktualisiert diese regelmä- ßig. Immer gilt: je höher das Rating, desto besser die Leistung eines Unternehmens bei einer bestimmten ESG-Kennzahl. ESG-Rating-Industrie Diese ist gerade dabei, sich zu entwickeln. Gegenwärtig verfügen noch nicht alle Emit- tenten über ein ESG-Rating, jedoch nimmt deren Zahl – sowohl absolut als auch relativ gesehen – zu (siehe Grafik „Abdeckung des Universums durch Refinitiv“) . Waren etwa 2007 nur 897 Anleihen Teil des iBoxx EUR Corporate Bond Index, und nur 376 verfüg- ten über ein Refinitiv-ESG-Rating, wodurch nur zirka 44 Prozent des Indexgewichts mit Nachhaltigkeitsratings versehen waren, so präsentierte sich Ende 2021 schon ein ganz anderes Bild: Die Indexabdeckung erreichte bereits mehr als 85 Prozent der Marktkapi- talisierung, und über 80 Prozent der Bonds besaßen schon ein Refinitiv-ESG-Rating. Betrachtet man die Zehnjahresperiode von 2012 bis einschließlich 2021 und stellt man dem Index die Bonds mit ESG-Rating ge- genüber, so kann man erkennen, dass die mit Nachhaltigkeitsratings ausgestatteten Bonds um 0,28 Prozent pro Jahr den iBoxx EUR Corporate Bond Index outperformten. Dabei liegt die durchschnittliche Duration der Bonds mit ESG-Rating bei 5,32 Jahren, womit sie um ein gutes Vierteljahr länger ist als jene des Index, der auf 5,04 Jahre kommt. Die Sharpe Ratios sind fast ident, ebenso die durchschnittlichen Kreditratings und der Spread gegenüber der Benchmark- kurve (siehe Tabelle „Zwei Universen im Zehnjahresvergleich“). Interessant ist die Untersuchung, inwie- weit sich durch die Ausweitung der Abde- ckung des Emittentenuniversums die Quali- tät der ESG-Ratings in der Stichprobe ver- ändert hat. Die Grafik „ESG-Rating-Evolu- tion“ zeigt die Entwicklung der durch- schnittlichen Ratings zwischen 2012 und 2021. Der kombinierte Score scheint relativ stabil zu sein, auch wenn es zwischen 2016 und 2019 einen sprunghaften Anstieg dieses Durchschnittswerts gab. Die Umweltbe- wertung ist im Durchschnitt die höchste von allen Teilbewertungen, jedoch ist sie im Lauf der Zeit allmählich und leicht gesun- ken, und zwar von knapp 80 im Jahr 2012 auf 77 bis Ende 2021. Dagegen haben sich die durchschnittlichen Sozial- und Gover- nance-Scores im Lauf der Zeit verbessert. Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, diese Tatsachen zu interpretieren. Eine Erklärung ist, dass die Stichprobe der erfassten Emit- tenten etwas weniger umweltbewusst ge- worden ist, jedoch das soziale Bewusstsein gestiegen ist und auch ein klarer Fokus auf gute Governance-Praktiken gerichtet wurde. Alternativ dazu könnten die Emittenten bes- ser darin geworden sein, den ESG-Rating- agenturen gegenüber ihre sozialen und Go- vernance-Errungenschaften erfolgreicher zu verkaufen. Oder vielleicht hat man beim » Die Einbeziehung von ESG bei Bonds bescherte in den letzten zehn Jahren keine Verluste. « Dr. Aneel Keswani, Professor of Finance sowie Direktor und Gründer des Centre for Asset Management Research (CAMR) an der Bayes Business School ESG-Rating-Evolution S- und G-Rating legen im Schnitt zu, E-Ratings nehmen hingegen ab. Interessanterweise bewegen sich in der Dekadenbetrachtung zwei der drei Teil-Rating-Score-Aggregate nach oben, während das Umwelt- rating nachlässt. Der Gesamtscore lässt keine eindeutige Tendenz erken- nen. Über die Ursachen darf getrost spekuliert werden. Untersuchungs- zeitraum: 2012 bis Ende 2021. Quelle: Studie 50 60 70 80 2021 2020 2019 2018 2017 2016 2015 2014 2013 2012 Governance ESG Environment Social Durchschnittliches ESG-Rating Beispielportfolio MSCI- und FTSE-Tilting-Methodik im Vergleich Beide Methoden basieren auf dem z-Score. Jedoch misst die FTSE-Methode den z-Scores der Emittenten um den Nullwert mehr Gewicht bei und beschränkt die Extrema in der Gewichtung stärker, als dies die MSCI-Methode tut. Quelle: Studie 0 % 1 % 2 % 3 % 4 % 5 % 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0,0 -0,5 -1,0 -1,5 -2,0 -2,5 -3,0 Gewichtung nach FTSE-Methodik Gewichtung nach MSCI-Methodik Transformierte Gewichtung z-Score 130 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | UNT ERNEHMENSANL E I HEN FOTO: © IAN W. MARSH

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