Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

Cashflows der Unternehmen besteht. Dieses erhöhte Makro-Risiko müsste sich ebenfalls in einer stärkeren Volatilität amAktienmarkt widerspiegeln. Die beiden Kanäle liefern also gute Argumente, dass die Volatilität der Zins- strukturkurve mit den Schwankungen der Aktienkurse zusammenhängen soll- te. Doch was sagen die Daten? Ergebnisse Für den Zeitraum von 1990 bis 2017 stellen die Forscher Untersuchungen an, die den vermuteten Zusammenhang bestätigen. Die Volatilität der Steigung der Zinsstrukturkurve ist demnach sowohl in sample als auch out of sample ein robuster Prognosefaktor für die Volatilität der Ak- tienrenditen auf Zeithorizonten von einem bis zwölf Monaten. Dabei übertrifft die Aussagekraft jene von Variablen, die auf geld- und wirtschaftspolitische Unsicherheit hinweisen, gemessen anhand der Zinsvola- tilität beziehungsweise der Streuung künftig erwarteter Cashflows. Und auch im Vergleich zu klassischen Modellen für die Vorhersage der Volatilität am Aktienmarkt kann der Indikator punk- ten. Demnach wies die Volatilität der Zins- strukturkurve in der Finanzkrisen-Rezession 2008/2009 die höchste langfristige Progno- següte auf. Den Autoren zufolge ist sie seit- dem der signifikanteste Makro-Faktor für die Volatilität am Aktienmarkt. Und auch für die Renditevolatilität einzelner Mitglie- der des S&P 500 ist das Maß ein gemein- samer Prognosefaktor. Das gilt vor allem für Aktien aus dem Telekommunikations- und Finanzsektor, die den Analysen zufolge empfindlicher auf geldpolitische Schocks reagieren. Makro-Faktor Die seit der letzten Dekade erhöhte Aus- sagekraft als Makro-Faktor impliziert, dass die Marktteilnehmer den mit der Steigung der Zinsstrukturkurve verbundenen Erwar- tungen seitdem mehr Aufmerksamkeit schenken beziehungsweise stärker darauf reagieren. Wie die Autoren schreiben, hängt das mit der US-Notenbank zusammen, die ihre Entscheidungen über das künftige Zins- niveau seit der Finanzkrise transparenter und verbindlicher gestaltet, als das zuvor der Fall war. Entsprechend ist die Steigung der Zins- strukturkurve zu einem für Börsianer zuver- lässigeren Indikator dafür geworden, wie sich das Zinsniveau und die Wirtschaftstätig- keit in Zukunft entwickeln könnten. Damit hat auch die Sensitivität zugenommen, mit der Anstiege dieser Schwankungsbreiten am Markt als Hinweise auf Zins- und Cashflow- Risiken wahrgenommen werden. Und diese wiederum äußern sich dann entsprechend in der Volatilität am Aktienmarkt. Schlussfolgerungen Die Forscher leiten aus ihren Ergebnissen und deren Interpretation auch eine Empfeh- lung ab. Demnach sollten geldpolitische Maßnahmen, die auf eine Verringerung von Risiko und Unsicherheit am Aktienmarkt abzielen, ihr Augenmerk auf die Volatilität der Steigung der Zinsstruktur richten. Der grundsätzliche Zusammenhang gestaltet sich dabei ganz einfach: Ein Weniger an Veränderung im Zeitablauf verspricht ein Mehr an Finanzmarktstabilität. Zwar kann die Steigung der Zinsstruktur- kurve in der Praxis nicht vollständig durch die Fed gesteuert werden. Doch allein schon die Kenntnis dieses Zusammenhangs ist ein wichtiger Faktor, der in Entscheidungen berücksichtigt werden könnte. Darüber hin- aus ist das Ganze auch für die Anlagepraxis relevant. Denn nicht nur (geld)politischen Entscheidungsträgern, sondern auch Anlage- profis kann eine zunehmende Volatilität der Zinsstrukturkurve als Frühwarnsignal für Börsenturbulenzen dienen. Dabei gewinnt der Zusammenhang auch dadurch an Glaubwürdigkeit, dass er schon rein intuitiv sinnvoll ist. Denn anhaltend hohe und wechselhafte Veränderungen von wichtigen Einflussgrößen sind nicht gerade dafür bekannt, die Risiken und Unsicherheiten zu reduzieren oder die Stabilität zu erhöhen. DR. MARKO GRÄNITZ » Der Indikator ist ein Frühwarnsignal für anstehende Börsenturbulenzen. « Anastasios Megaritis, Keele Business School, University of Keele Frühwarnsignal für Turbulenzen Varianz der Zinsstrukturkurve und des Aktienmarktes Viele Anstiege der Volatilität oder wie hier dargestellt der Varianz der Zinsstrukturkurve gingen Anstiegen der Volatili- tät beziehungsweise Varianz am Aktienmarkt voraus. Entsprechend könnte der Indikator als Frühwarnsignal für anstehende Börsenturbulenzen dienen. Vor allem seit dem Jahr 2007 traten gemeinsame Anstiege der beiden Zeitreihen häufiger auf. Quelle: Megaritis, A. / Kontonikas, A. / Vlastakis, N. / Triantafyllou, A. (2022), The Term Structure of Interest Rates as Predictor of Stock Market Volatility, S. 29 0 % 0,5 % 1,0 % 1,5 % 2,0 % 2,5 % 3,0 % 3,5 % 0 % 0,5 % 1,0 % 1,5 % 2,0 % 2,5 % 3,0 % 3,5 % 4,0 % 4,5 % 5,0 % Realisierte Varianz des Term Spread Realisierte Varianz des S&P 500 US-Rezessionen Realisierte monatliche Varianz am Aktienmarkt in Prozent Realisierte monatliche Varianz der Steigung der Zinsstruktur in Prozent 2017 2014 2011 2008 2005 2002 1999 1996 1993 1990 126 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | Z I NS S TRUKTURKURVE FOTO: © KEELE BUSINESS SCHOO

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