Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

Doch Zentralbanken sind nicht die einzi- gen Marktteilnehmer, die in Krisenzeiten als potenzielle Käufer in letzter Instanz auf- treten können. Auch Versicherungen können zu dieser Rubrik zählen, wie die Studie „The Value of Value Investors“ von Mau- reen O’Hara, Andreas Rapp und Alex Zhou zeigt. Die Forscher untersuchen dabei speziell den Crash im Zusammenhang mit der Coronakrise im Frühjahr 2020. Der plötzliche, schnelle Einbruch sowohl am Aktien- als auch am Anleihenmarkt führte zu erheblichen Verwerfungen sowie massiv austrocknender Liquidität im OTC- Bereich. Besonders schwerwiegend waren die Notverkäufe durch Investmentfonds und Market Maker. Letztere rückten während der Stressphase von ihrer eigentlich stabili- sierenden Funktion ab und wechselten auf die Verkäuferseite. Dadurch verschärfte sich die Liquiditätskrise noch weiter. Im Ernst- fall können verlässliche Intermediäre und Puffer im System also rar sein, so die Erkenntnis. Zwar gleichen Market Maker als Käufer in erster Instanz kurzfristige Ungleichgewichte aus, aber sie haben weder die Aufgabe noch das Kapital, einen echten Crash abzufedern. Dafür kommen nur die Käufer in letzter Instanz infrage. Und zu diesen zählen Value-Investoren mit langfristigem Anlagehorizont, die solche Gelegenheiten beim Schopf packen und kaufen (können), wenn extreme Turbulen- zen auftreten. Stabile Versicherer Die Autoren schreiben, dass in den USA laut Daten von SIFMA und S&P Global Market Intelligence Ende 2019 etwa neun Billionen US-Dollar an Unternehmensanlei- hen von in- und ausländischen Firmen aus- standen. Versicherer hielten davon etwa drei Billionen und waren damit die größte In- vestorengruppe. Dabei stellt ihr günstiger Zugang zu Fremdkapital durch das zugrun- de liegende Versicherungsgeschäft den we- sentlichen Faktor dar, um diese zentrale Rolle spielen zu können. Die Versicherer weisen wesentliche Merkmale von Value-Investoren auf. Sie sind engagierte, langfristige Anleger in fest- verzinslichen Wertpapieren und in der Lage, Chancen zu ergreifen, die sich aus vorüber- gehenden Verwerfungen ergeben. Denn im Gegensatz zu anderen Anleiheninvestoren sind sie aufgrund der langen Vertragslauf- zeiten ihrer Policen in der Regel stabil finanziert. Das wirkt sich nicht nur auf ihre generelle Asset Allocation aus, sondern auch auf die Fähigkeit, in Krisenzeiten einen Vorteil aus der Bereitstellung von Liquidität in letzter Instanz zu ziehen. In Zeiten starken Verkaufsdrucks könnten die Versicherer deshalb auch zu besonders gefragten Gegenparteien avancieren, wie die Forscher vermuten. Zusätzliche Stabilität weisen Versicherer, insbesondere Lebensversicherer, aufgrund der Tatsache auf, dass sie in den USA der Rechnungslegung anhand der Statutory Accounting Principles (SAP) unterliegen. Diese weist gegenüber den Generally Ac- cepted Accounting Principles (GAAP) deut- liche Unterschiede auf. Während sich SAP auf die Bilanz und die Solvenz der Unter- nehmen konzentriert, was die zukünftige Bedienung der Policen sicherstellen soll, ist GAAP stärker auf die Bereitstellung ent- scheidungsrelevanter Informationen für An- leger ausgerichtet. Laut National Associa- tion of Insurance Commissioners (NAIC) besteht das oberste Ziel der Aufsichtsbehör- den darin, die Zahlungsfähigkeit der Versi- Versicherer weisen wesentliche Merkmale von Value-Investoren auf. Für die Rentenmärkte stellen sie eine engagierte, langfristig agierende Anlegergruppe dar, die auch in der Lage ist, Chancen zu ergreifen, die sich aus vorübergehenden Verwerfungen ergeben. T H E O R I E & P R A X I S | VALUE -VERS I CHERUNGEN N o. 4/2022 | www.institutional-money.com 121 FOTO: © TIMESTOPPER | STOCK.ADOBE.COM

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