Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

heit und Gestaltungsspielraum bestehen, was die genaue Ausgestaltung betrifft. Doch was wird wahrscheinlich passieren, wenn die Fonds über nennenswerten Spielraum verfügen, ihre Benchmark zu wählen, und sie damit positiven Einfluss auf die Wahr- nehmung der erzielten Performance nehmen können? Es liegt auf der Hand, dass die Industrie dem Anreiz, Performanceinforma- tionen zu den eigenen Gunsten zu beein- flussen, wahrscheinlich nur schwer wider- stehen kann. Doch das ist noch nicht alles. Dem Paper zufolge ist es auch ver- gleichsweise einfach, die Benchmark später zu ändern. Besonders schwer- wiegend ist dabei, dass die Anpassung dann auch rückwirkend gelten darf. Benchmark-Backdating Konkret sind US-Fonds dazu ange- halten, einen Performancevergleich ih- rer Ein-, Fünf- und Zehnjahresrenditen mit mindestens einem selbst benannten Ver- gleichsindex vorzulegen. Laut SEC soll das Anlegern dabei helfen zu beurteilen, wel- cher Wert geschaffen wurde und ob der Fonds besser oder schlechter als der Markt abgeschnitten hat. Doch dieses noble Ziel wird dadurch untergraben, dass es erlaubt ist, Benchmarks ohne stichhaltige Begrün- dung hinzuzufügen und zu entfernen. Ent- scheidend ist dabei der genannte Rückwir- kungseffekt (Backdating): Es ist es nicht untersagt, frühere Renditen mit den später neu ausgewählten Indizes zu vergleichen statt mit den Renditen der Indizes, die zum damaligen Zeitpunkt ausgewählt waren. Diese Regelung bietet ein Schlupf- loch: Die vergangene relative Ren- dite, die Anlegern präsentiert wird, lässt sich durch Änderung der Benchmark manipulieren. Allerdings stellt sich die Frage, ob das auch tatsächlich geschieht. Das ernüchternde Fazit der Studie dazu lautet: Ja. Die Autoren kommen zum Ergebnis, dass 36,5 Prozent der un- tersuchten 2.870 Fonds die in ihrem Prospekt angegebenen Benchmarks im 13-jährigen Stichprobenzeitraum von 2006 bis 2018 mindestens ein- mal geändert haben. Entscheidend ist dabei, dass die Änderungen mit sys- tematisch niedrigeren Benchmark- renditen in der Vergangenheit einher- gehen. So fügten die Fonds einerseits im Durchschnitt Benchmarks mit niedrigen Renditen hinzu und strichen andererseits Indizes mit hohen Renditen. Ein ähnliches Vorgehen war bei Peer-Benchmarks – also Indizes, die die durchschnittliche Rendite anderer Fonds widerspiegeln – zu beo- bachten. Man könnte jetzt noch den positiven Aspekt vermuten, dass sich durch Anpas- sung der Benchmarks der qualitative Ver- gleichsmaßstab verbessert hat, was die Ab- bildung der tatsächlichen Anlagestrategie der Fonds angeht. Doch das ist nicht der Fall, eher im Gegenteil: Die Forscher schreiben, dass Indizes hinzugefügt wurden, deren Fünfjahresrenditen um 2,39 Prozent niedriger waren als bei den zuvor bestehen- den Benchmarks – und 5,56 Prozent nied- riger als die Renditen des Index, der den Fondsstrategien eigentlich am besten ent- sprechen würde. Damit zeigt sich, dass Ver- änderungen der selbst gewählten Bench- marks nicht nur üblich sind, sondern die Fonds damit auch den Wert, den sie für Anleger schaffen, durch Auswahl anhand der vergangenen Renditen systematisch falsch darstellen. Der Studie zufolge sind die Ergebnisse statistisch hoch signifikant und weder durch den betrachteten Rendite- horizont noch durch Ausreißer bedingt. Weitere Effekte Die Forscher betrachten noch weitere Aspekte, aus denen sich interessante Er- kenntnisse ergeben. Zum Beispiel ändern Fonds, die eher schlecht performen und höhere Abflüsse verzeichnen, ihre Bench- marks mit größerer Wahrscheinlichkeit. Das Gleiche gilt für Fonds mit hohen Kosten- quoten sowie solche, die über Makler ver- trieben werden. Spannend ist auch der iso- lierte Blick auf die Kapitalflüsse: Fonds, die ihre Benchmark ändern, weisen über die folgenden fünf Jahre zusätzliche Mittelzu- flüsse in Höhe von etwa zehn Prozent des verwalteten Vermögens auf, was im Durch- schnitt etwa 70 Millionen US-Dollar ent- spricht. Die Wahl einer schwachen Bench- mark scheint sich für die Anbieter also aus- zuzahlen, zumal mit den höheren Assets auch die vereinnahmten Gebühren steigen. Für die Anleger zahlt sich das Ganze dage- gen nicht aus. Denn Fonds, die ihre Bench- mark verändern, erzielen über die folgenden fünf Jahre im Durchschnitt eine annualisierte Minderrendite in Höhe von etwa 0,5 Prozent. Eine andere Frage ist, ob die nur scheinbar bessere relative Performance der Fonds bei Wahl einer schwächeren Benchmark auch dazu führt, dass hö- here Performancegebühren generiert werden. Das geht zwar nicht direkt aus dem Paper hervor, da die Mehr- zahl der untersuchten Fonds auf Privatanleger zugeschnitten sind, die mit wenigen Ausnahmen keine Per- formance Fee aufweisen. Andrea Rossi vermutet aber, dass die Gehäl- ter der Manager beziehungsweise mögliche Bonuszahlungen anhand der Benchmark bemessen werden. » Die Fonds nutzen das aus und wechseln häufig zu schwachen Benchmarks. « Kevin Mullally, Assistant Professor of Finance, University of Central Florida S&P 500 dominiert Ausgewählte Indizes und Anteil daran gemessener Assets Anteil aller Anteil aller Benchmark Assets 2008 Assets 2020 S&P 500 52,4 % 38,7 % Russell 1000 Growth 6,5 % 13,9 % Russell 1000 Value 8,8 % 9,7 % Russell Mid Cap Growth 2,5 % 4,9 % Russell 2000 6,7 % 3,7 % Russell 3000 2,2 % 3,2 % Russell 3000 Growth 2,6 % 3,0 % Russell Mid Cap Value 2,8 % 2,7 % Der S&P 500 ist zwar nach wie vor die häufigste US-Benchmark, der Anteil der Vermögenswerte, die daran gemessen werden, ging seit 2008 jedoch deutlich zurück. Quelle: Chen, H. / Evans, R. / Sun, Y. (2022), Self-Declared Benchmarks and Fund Manager Intent: Cheating or Competing?, S. 34 114 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | B ENCHMARKS FOTO: © UNIVERSITY OF CENTRAL FLORIDA

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