Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

kein probates Mittel. Zinsschritte können im aktuellen Umfeld, wie es Weber formuliert, nur über eine „Nachfragezerstörung“ mit weitreichenden rezessiven Auswirkungen greifen – ein Ziel, das politisch eigentlich schwer zu argumentieren ist. Doch warum dann? Warum dieser aggressive Kurs? Es könnte sich schlicht um Imagepolitur handeln, wie Krugman mutmaßt. Die Fed fühle sich, „nachdem sie die Inflation im Vorjahr unterschätzt und als vorübergehend bezeichnet hat, bemüßigt, ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Dabei wird sie voraussichtlich überschie- ßen“, so der „New York Times“-Kolumnist. Spill-over-Effekte Das Problem: Notenbanken agieren nie- mals nur für sich, ihre Aktionen schwappen auf andere Volkswirtschaften über – was im gegenwärtigen Fall zu einem weltweiten Wettlauf (siehe Chart „Schneller, weiter, höher“) um die Zinshoheit geführt hat. Dieses Phänomen ist über viele histori- sche Phasen und sowohl bei steigenden wie auch bei fallenden Zinsen historisch gut dokumentiert – es könnte aber über Rück- koppelungseffekte noch stärkere Auswir- kungen haben, als bislang angenommen wurde, wie eine neue Studie von Christo- pher D. Cotton nahelegt. Cotton ist Öko- nom der Federal Reserve Bank of Boston und untersucht in „To What Degree and through Which Channel Do Central Banks Other Than the Federal Reserve Cause Spillovers?“ die Frage nach Überschwapp- effekten, die nicht nur von der US Federal Reserve, sondern auch von anderen Noten- banken ausgehen. Bislang sind besagte Effekte eher als Einbahnstraße – ausgehend von der Fed – verstanden worden. „Gehen solche Mecha- nismen allerdings beispielsweise auch von der EZB aus, wären die Kanäle breiter, und Verstärkungseffekte über die bereits er- wähnten Rückkoppelungen wären mög- lich“, erklärt Cotton. Um die weltweiten Verflechtungen der Notenbanken zu untersuchen, hat Cotton die Zinsschritte in 20 Währungsräumen be- „Mir nach!“ Doch was, wenn die vorgegebene Richtung nicht stimmt? In jüngster Zeit mehren sich die Stimmen, dass das von der US Federal Reserve losgetretene Wettrennen an der Zinsfront zu einem Überschießen führen und die jeweiligen Volkswirtschaften in unnötig tiefe Rezessionen stürzen könnte. Schneller, weiter, höher Ein Wettlauf der Zentralbanken um die Zinshoheit ist längst entbrannt – Übertreibungen drohen Die US-Notenbank hat als Erste begonnen, die Zinsen aggressiv anzuheben – nicht zuletzt um dem schädlichen Einfluss eines allzu starken Dollars Herr zu werden, mussten die Zentralbanken weltweit mitziehen. Wenn die aktuelle Arbeit von Fed-Boston-Ökonom Christopher D. Cotton stimmt, dann könnten unerwünschte Spill-over-Effekte zu Rückkoppelungseffekten führen, die zu einem insgesamt noch höheren Zinsniveau führen. Quelle: Bloomberg -1 0 3 4 5 6 7 2022 2008 2007 2006 2005 2004 2003 2002 2001 2000 EZB Schweizerische Nationalbank Fed Bank of England Leitzins N o. 4/2022 | www.institutional-money.com 107 T H E O R I E & P R A X I S | SP I L L -OVER - E F F EKT E FOTO: © PHOTOBANK | STOCK.ADOBE.COM

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