Institutional Money, Ausgabe 4 | 2022

einer deutlich unelastischeren Gesamtnach- frage nach Einzelaktien führt. So ist die Elastizität der Nachfragekurve für einzelne Aktien um 15 Prozent geringer, was bedeu- tet, dass der Wettbewerb am Aktienmarkt zerstört wird und sich ineffiziente Risiko- konzentrationen noch verschärfen können. Eine weitere Frage in diesem Zusammen- hang, die auf ihre wissenschaftliche Aufar- beitung wartet, lautet: Inwieweit hat die ver- stärkte Teilnahme von Kleinanlegern, die sich in Foren zusammentun (Stichwort Meme- Aktien wie GameStop), am Markt durch Online-Brokerage zur Marktkonzentration beigetragen? Unter Performanceaspekten kann ein extremer Konzentrationszyklus, wie wir ihn Ende der 90er- und Anfang der 2000er-Jahre erlebt haben, bereits zu einem massiven Unterschied zwischen einem di- versifizierten Investor und einem anderen, der den massiven Wetten des kapitalgewich- teten Indexportfolios ausgesetzt war, führen. In der Grafik „Auswirkungen der (De-) Konzentrationszyklen auf dem US-Aktien- markt“ werden die Bruttorenditen eines simulierten Portfolios nach Tobams Maxi- mum-Diversification-Ansatz ab 1997 in einzelnen Zyklusfenstern dargestellt. Ein Investor, der in ein diversifiziertes US-Large- Cap-Aktienportfolio investierte, bevor die große Konzentration bei den TMT-Aktien eingesetzt hat, hätte eine um 76 Prozent bessere Performance als ein marktkapitali- sierungsgewichtetes Portfolio am Ende des gesamten Konzentrations- und Dekonzen- trationszyklus erzielt. Wie groß dieser Ef- fekt diesmal sein kann, wenn die Konzen- tration sogar noch höher ist als damals, kann niemand vorhersagen. Ein erster Hin- weis ist jedoch das erste Halbjahr 2022, in dem schließlich eine leichte Dekonzentra- tion einsetzte. Seit Ende März 2022 hat das diversifizierte Portfolio eine Outperfor- mance von mehr als acht Prozent erzielt, während sich die Gewichtung der Spitzen- werte noch nicht einmal viel bewegt hat. Negative Überraschungen? Auch wenn niemand weiß, was die kom- menden Monate bringen werden, hält es Tobam für unrealistisch, auf eine schnelle Lösung des Kriegs zwischen der Ukraine und Russland, der Lieferkettenbeschränkun- gen, des Inflationsproblems oder auf eine Umkehr des negativen geopolitischen Mo- mentums zu hoffen. Die Tobam-Managerin führt aus: „Außerdem deutet die Verlang- samung der Gewinndynamik auf Unterneh- mensebene auf negative Überraschungen hin, die noch ausstehen und von den Inves- toren noch nicht ausreichend antizipiert wurden. All dies zusammen hat ein sehr großes Potenzial, die Mean Reversion oder die Neuordnung der Marktkonzentration auszulösen, die schließlich irgendwann ein- treten wird.“ In diesem Kontext könnte es sich als durchaus sinnvoll erweisen, das Risikomanagement von Portfolios zu über- denken und deren Risikokonzentration zu verringern. Es wird sich zeigen, inwieweit institutionelle Investoren der durchaus über- zeugenden Argumentation von Tobam etwas abgewinnen können. Was auch noch für eine Umkehr des Konzentrationstrends spricht, ist der Umstand, dass in der Vergan- genheit Studien gezeigt haben, dass die schwersten Titel einer Dekade in der nächs- ten regelmäßig abgelöst wurden – man den- ke nur etwa an die einst dominante General Electric. Auf den ersten Blick scheint viel dafür zu sprechen, dass die großen Plattfor- men wie Amazon und Meta ihre monopol- artige Machtstellung behalten können. Doch ist dieses Mal wirklich alles anders? „This time is different“ hat sich schon sehr oft als falsch erwiesen und legt die Psychologie hinter den Spekulationsblasen offen. So haben beispielsweise Anti-Trust-Verfahren in der Vergangenheit so manchen überle- genen und schier unüberwindlichen Player erfolgreich ausgehebelt. Dieses Schicksal könnte marktbeherrschenden Suchmaschinen genauso drohen wie verschiedenen Platt- formen, vor allem, wenn sie ihre Stellung nachhaltig missbrauchen. DR. KURT BECKER Auswirkungen der (De-)Konzentrationszyklen auf den US-Aktienmarkt Das Auf und Ab der simulierten Bruttorenditen eines Maximum-Diversification-Portfolios Die rote Linie (z-Achse) zeigt die kumulierten Veränderungen des Quadrats der Constant Matrix Diversification Ratio (DR²) für den MSCI USA, solange diese Veränderun- gen negativ waren. Wenn die blaue Linie ansteigt, steigt die Konzentration im marktkapitalisierungsgewichteten Index. Sinkt sie, nimmt die Diversifikation im Index zu. Die blaue Linie stellt die kumulierte negativen Brutto-Überschussrenditen der implementierbaren Version eines Maximum-Diversification-Portfolios dar. Das bedeutet, dass die Maxi- mum-Diversification-Strategie bei einem Anstieg dieser blauen Linie gegenüber dem MSCI USA unterdurchschnittlich abschneidet und umgekehrt. Im oberen Teil des Diagramms ist die kumulative Brutto-Outperformance der Strategie vermerkt, die Investoren hätten erzielen können, wenn sie gleich zu Beginn des jeweiligen Konzentrations-/Dekonzentrationszyklus bis zu dessen Ende investiert geblieben wären. Quelle: Tobam 0,00 0,05 0,10 0,15 0,20 0,25 0,30 0,35 0,40 0,00 0,02 0,04 0,06 0,08 0,10 0,12 0,14 0,16 0,18 +76 % Überschussrendite brutto +5 % Überschussrendite brutto +67 % Überschussrendite brutto Konzentrations-/ Dekonzentrations- zyklus 1 31. 12. 1996 – 30. 6. 2004 Konzentrations-/ Dekonzentrations- zyklus 2 30. 6. 2004 – 30. 6. 2008 Konzentrations-/ Dekonzentrations- zyklus 3 30. 6. 2008 – 31. 3. 2015 Ausschließlich Konzentration 31. 12. 2015 – 2. 2. 2022 +6,8 % Überschussrendite brutto Signifikant verlängerter Anstieg der Konzentration 2000 2005 2010 2015 2020 Überschussrendite Konstante Korrelations- matrix DR² 104 N o. 4/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | MAX IMUM D I VERS I F I CAT I ON

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