Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

fundamentales Niveau, zu dem die Ratio im Gleichgewicht konvergieren müsste. Das untergräbt den Nutzen als Instrument zum langfristigen Timing des Marktes. Zudem wird die Größe des Aktienmarktes eines Landes durch die jeweils dominierenden Strukturen im Finanzsystem sowie das regulatorische Umfeld bestimmt. Deshalb gibt es er- hebliche Unterschiede zwischen ver- schiedenen Ländern, was die Höhe des Verhältnisses angeht. Den Autoren der Studie „The Buffett Indicator: Interna- tional Evidence“ zufolge lag es Ende 2019 zum Beispiel in den USA bei 148 und in Deutschland bei nur 55 Prozent. Der Grund für die große Differenz sind starke Abweichungen beim Anteil pri- vater beziehungsweise öffentlicher Un- ternehmen an der Wirtschaft, sodass ein Vergleich über Länder hinweg nicht sinnvoll ist. Doch auch beim Vergleich der Zeit- reihenwerte eines Landes gibt es Ein- schränkungen. So sollte die Population börsennotierter Unternehmen möglichst stabil sein und der Anteil ihrer Gewinne grob mit denen nicht börsennotierter Firmen übereinstimmen. Weist der Kapitalmarkt eines Landes dagegen Börsennotierungen von Unternehmen aus der ganzen Welt auf, verliert der Buffett-Indikator an Aussage- kraft. Außerdem schwächen der globale Handel und die steigende Anzahl multina- tionaler Unternehmen die Beziehung zum BIP des Heimatmarktes ab. Doch auch unabhängig davon existiert nicht unbedingt ein dauerhafter Gleichgewichtswert für ein Land, da sich zum Beispiel die Erwartungen an das Cashflow-Wachstum verän- dern und die Cashflows mit Zinsen diskontiert werden, die sich verän- dern. Hinzu kommt, dass der Indika- tor einen Aufwärtstrend aufweist (siehe Grafik „Aggregierter Buffett- Indikator“) . Die Tiefs von 2002/03 und 2008/09 lagen höher als frühere Hochs. Mögliche Erklärungen sind eine strukturell erhöhte Profitabilität der Unternehmen, nicht im BIP er- fasste substanzielle Auslandsgewin- ne und das langfristig deutlich gefal- lene Zinsniveau. Erwähnenswert ist auch, dass Warren Buffett für seine damalige Analyse statt des BIPs das Brutto- nationaleinkommen verwendete, das alle von Inländern erwirtschafteten Einkommen erfasst. Zwischen dem Inländer- und In- landskonzept lag in den USA in der Vergan- genheit zwar nur eine Differenz von weni- ger als einem Prozent, aber andere Länder haben teils deutlich höhere Abweichungen. So ist das BNE in der Schweiz aufgrund von Erträgen heimischer Kapitalanlagen im Ausland in der Regel deutlich höher als das BIP. Deshalb können die absoluten Werte des Indikators auch je nach Berechnungs- methode variieren. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass in der Ratio die Schulden der Unternehmen nicht berück- sichtigt werden. Internationale Studie Insgesamt sind Zeitreihenanalysen des Buffett-Indikators aber dennoch vielversprechend, um herauszufin- den, welche Länder auf den ersten Blick einen attraktiv bewerteten Ak- tienmarkt haben. Obwohl die Ratio für den US-Markt gut zu funktionie- ren scheint, wurde ihre Prognose- fähigkeit bisher kaum wissenschaft- lich untersucht. Diese Lücke füllt das Paper „The Buffett Indicator: In- ternational Evidence“ von Laurens Swinkels und Thomas Umlauft. Die Studie betrachtet OECD-Länder ab dem Jahr 1973, für die quartalsweise Daten zur Marktkapitalisierung und zum BIP vorliegen. Die Stichprobe besteht insgesamt aus 14 Nationen inklusive der G7-Länder. Für alle großen Staaten mit Ausnahme von Spanien beginnen die Daten im Jahr Insgesamt hohe Aussagekraft Im Aggregat ist der Indikator international ähnlich wertvoll wie in den USA. Für die gleichgewichtete Stichprobe internationaler Märkte besteht ein enger Zusammenhang zwischen der anhand des Buffett-Indikators gemessenen Startbewertung (logarithmierte Werte) und den nachfolgenden Zehnjahresrenditen. Das einfache Modell erklärt rund 83 Prozent der Renditevariation im Zeitraum von 1973 bis 2019. Quelle: Swinkels, L. / Umlauft, T. S. (2022), The Buffett Indicator: International Evidence, S. 8 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % Nachfolgende, annualisierte 10-Jahres-Rendite LN (Marktkapitalisierung / BIP) 1,0 0,3 0,1 Der Buffett-Indikator vergleicht den Marktwert börsennotierter Aktien mit der Wirtschaftsleistung, um die Marktlage einzuschätzen. Analysen zeigen, dass er einen großen Teil der Renditeschwankungen für viele Länder außerhalb der USA erklärt. N o. 3/2022 | www.institutional-money.com 99 T H E O R I E & P R A X I S | BUF F E T T- I ND I KATOR

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