Institutional Money, Ausgabe 3 | 2022

S tephanie Kelton, ihres Zeichens prominentestes Aushängeschild der nicht ganz unumstrittenen Modern Monetary Theory, meinte im Rahmen ihrer Keynote Speech auf dem jüngsten Institutional Money Kon- gress 2022, „Notenbankpolitik ist zu 90 Prozent Überzeugungarbeit“, also rein ver- baler Natur. Ähnlich wie Pokerspieler müss- ten Notenbanker also nur den Eindruck erwecken, sie hielten die nötigen Asse, um das Spiel für sich zu entscheiden. Der ‚„Whatever it takes“-Sager des ehemaligen EZB-Chefs Mario Draghi, scheint diese These zu bestätigen – die Märkte gingen in die gewünschte Richtung, ohne das Blatt des Italieners sehen zu wollen. Im aktuellen Inflations-Orkan sind die Notenbanker wie- der gefragt. Schwerer Stand Allen voran ist es diesmal der in der Kritik stehende Präsident der US-Federal- Reserve, Jerome Powell, an dessen Lippen die Märkte hängen. Die Fed gibt das Tempo vor, der Rest der Welt – darunter die EZB – folgt. Bis Redaktionsschluss hat Powell im Rahmen der Inflationsbekämpfung den Leitzins auf einen Korridor von 2,25 bis 2,50 Prozent angehoben und in Draghi- Manier deutliche Worte zu seiner weiteren Vorgehensweise gefunden: „Wir werden nicht aufhören, bis wir am Ziel sind“, erklärte der Währungshüter Ende August in Jackson Hole. Das sind starke Worte. Stellt sich die Frage: Ist er auch bereit, diese im Fall der Fälle umzusetzen? Denn seine Ansage zielt letzten Endes darauf ab, die Inflation über eine Drosselung der Kon- junktur in den Griff zu bekommen und eine Rezession zu riskieren. Wie tief darf diese Rezession sein? Welche Abschläge an den Märkten kann er verkraften? Mit anderen Worten: Blufft er? Manche Marktbeobachter wie Paul Franke von Seeking Alpha gehen davon Die Gefahr einer „Great Inflation“ Mit einer Ausnahme wurden längere Inflationsperioden in den USA immer durch voll mobilisierte Kriege ausgelöst. Die Great Inflation war die längste US-Teuerungsperiode der vergangenen 120 Jahre. Ihre Auswirkungen waren zwar nicht ganz so dramatisch wie die Zeiten der Zwischenkriegs-Hyperinflation in Deutschland, vermeiden möchte man eine abermalige mehrjährige Inflationsphase aber trotzdem. Quelle: Fed Minneapolis, Higgins -20 % -15 % -10 % -5 % 0 % 5 % 10 % 15 % 20 % 25 % 30 % Inflationsrate 1801 1813 1825 1837 1849 1861 1873 1885 1897 1909 1921 1933 1945 1957 1969 1981 1993 2005 2020 Great Inflation (14 Jahre) WWI und Zwischen- kriegszeit (4 Jahre) Bürgerkrieg (3 Jahre) Krieg von 1812 (2 Jahre) WWII (2 Jahre) Nach- kriegs- zeit (2 Jahre) Jerome Powell, Vorsitzender der US-Notenbank Federal Reserve, steht derzeit im Mittelpunkt von Kritik und Interesse. Wie weit wird er im aktuellen Zinsanhebungszyklus gehen? Seine Rede in Jackson Hole und Lektionen aus der Vergangenheit geben Aufschluss. „Dieser Mann blufft nicht“ 68 N o. 3/2022 | www.institutional-money.com T H E O R I E & P R A X I S | I NF LAT I ON FOTO: © JULIA NIKHINSON | 2022 BLOOMBERG FINANCE LP

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